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Vetter Andres.

gleich draußen auf das Mädchen. „Ei guten Morgen, Herr
Nachbar!" redete sie mich so recht von Grund ihrer Seele freund-
lich an, denn sie konnte mir wohl leiden und ich ihr auch.
„Was führt Sie denn einmal zu uns her?" Nun hätte ich's
ihr aber um 'ne ganze Million nicht merken lassen, warum
ich eigentlich gekommen und sagte: „Ich will mit dem Herrn

Vater um seine fette Sau handeln; vielleicht werden wir mit
der Gottes Hülfe handelseinig." Sicht die Frau Muhme,
das war aber nur so eine Finte; denn ich hatte selber Sauen
genug auf meinem Hofe. Nun ging ich also stracks hinein zu
ihrem Herrn Vater und bringe auch gleich mein Wort richtig
an. Der Herr Vater sagt darauf: „Wenn's meine Tochter

zufrieden ist, so Hab' ich nichts dagegen. Sprechen Sie mit
meiner Tochter." „Ei!" sagte ich darauf, „das Hab' ich ja
so eben mit der Gottes Hülfe draußen vor der Thür schon
gethan." „Nun, so empfangen Sie meinen besten Segen, Herr
Sohn," sagte er drauf feierlich, rief die Tochter herein und
sagte: „Unser Herr Nachbar hier hat mir eben gesagt, daß

er Dich zur Frau nehmen will und daß er bereits eben mit
Dir gesprochen hat." Sicht die Frau Muhme, da ward die
Jungfer gleich feuerroth wie ein Puter, und ich mit der Gottes
Hülfe auch, und dann ging ich auf sie zu und wollte ihr 'n
Schmatz geben, sie aber schlug mich hinter die Ohren, war's
nur so im Spaß, oder war's im Ernst gemeint, ich weiß es nicht
und sagte, ich solle mir nur meine fetten Sauen anderwärts
hole». Sieht die Frau Muhme, so hing die Geschichte zusammen
und ich habe bis jetzt nicht dahinter kommen können, warum
sie plötzlich anders Sinnes geworden. „Aber Weiber sind ver-
änderlich," sagt Jesus Sirach, „besonders in jungen Jahren.
Damit will ich aber die Frau Muhme nicht etwa gemeint haben,"
schloß er treuherzig seine Geschichte.

Vetter Andres hielt Wort; er dachte in langer lieber
Zeit nicht wieder daran, das gastliche Haus der Frau Muhme
zu verlassen. Aber eines schönen Tags, es war um die Früh-
jahrszeit, trat er wie zu einer weiten Reise gerüstet in die
Wohnstube der Frau Muhme. Eine Jagdtasche von Bindfaden
geflochten, die er sich in den Winterabenden selbst gemacht
hatte und die seine Wäsche enthielt, hing ihm bereits an der
Seite; in der Hand führte er einen mächtigen Knotcnstock, auch
: sein eignes Fabrikat. „Aber Vetter Andres," rief ihm seine
freundliche Pflegerin zu, „was hat denn das zu bedeuten?
Du siehst ja wahrhaftig aus, als ob Du auf die Wanderschaft
gehen wolltest?"

„Das will ich ja eigentlich auch," erwiderte er wichtig
! thuend, „wenn die Frau Muhme nichts dagegen hat. Ich
will mir mal mit der Gottes Hülfe eine kleine Veränderung machen."

„Aber hast Du denn auch Reisegeld? Reisen kostet Geld!"

„Ei freilich, Frau Muhme, mehr als nöthig." Er hatte
mit seinem Dompfaffen- und Taubenhandel manchen schönen
Thaler verdient und treulich gesammelt.

„Aber wohin willst Du den» eigentlich gehen?" fragte
neugierig die Frau Muhme.

„Ja! das weiß ich eigentlich selber noch nicht. Aber
wenn ich wieder heim komme, soll's die Frau Muhme wissen."

So trieb er sich den ganzen Vormittag im Hause umher,
summte und brummte wie ein Bienenschwarm im Stocke kurz
vor dem Schwärmen, und wirthschaftcte in allen Ecken und Winkeln
des Hauses herum. Endlich nach dem Mittagseffen machte er
sich fort. Aber gegen Abend war er schon wieder da, und
zwar so von Koth, Schlamm und Eiern von oben bis
unten besudelt und bedeckt, daß er kaum zu erkennen war.
„Aber barmherziger Golt!" rief ihm voller Entsetzen die Frau
Muhme zu, als er in solcher Verfassung in's Haus trat; „was
hast Du denn nur gemacht? Du siehst ja aus, als ob Du
bis an die Arme im Schlamme gesteckt und Dich auf Eiern
gewälzt hättest!"

„Das Hab' ich ja auch mit der Gottes Hülfe gethan,
Frau Muhme!" ries er verwundert aus, daß sic's sogleich errathcn.

„Aber wie bist Du denn nur dazu gekommen?"

„Ja! wie man so dazu kommt, ich weiß es eigentlich
selber nicht. Die Sache ist die, Frau Muhme, daß ich mir
mit der Gottes Hülfe eine kleine Veränderung machen wollte."

„Na und die hast Du Dir ordentlich gemacht. Du siehst
Dir ja gar nicht mehr ähnlich!"

„Drum liefen auch die Leute so vor mir," meinte er,
„wenn ich in ihre Nähe kam."

„Aber so erzähle doch endlich, wie Du in den Koth ge-
kommen bist."

„Ja! die Frau Muhme muß also wissen," begann er
seine Geschichte, „daß ich mir einmal eine kleine Veränderung
machen wollte, und da dachte ich denn, daß ich zuerst aus einige
Zeit zu Vetter Adolphen gehen könne, weil jetzt grade die Zeit
ist, wo seine Bienen schwärmen, die ich ihm mit der Gottes
Hülse einsangen wollte. Unterwegs >ah ich ein Paar Kibitze
nach dem Bruche fliegen und da dachte ich den» bei mir, Du
sollst einen kleinen Umweg durch den Bruch machen und für
Vetter Adolphen ein Schock Kibitzeier suchen. Und so machte
ich mich denn mit der Gottes Hülfe in den Bruch. Na! ich
fand Nester genug und hatte bald mit der Gottes Hülfe mehr
wie ein Schock Eier beisammen, die ich in mein Schnupftuch
legte und damit fortging. In dem Bruche aber war's eigent-
lich etwas bruchig und ich mußre oft meine Stiefeln stecken
lassen, so tief trat ich ein. Aber da nahm ich die Stiefeln
Bildbeschreibung

Werk/Gegenstand/Objekt

Titel

Titel/Objekt
"Vetter Andres"
Weitere Titel/Paralleltitel
Serientitel
Fliegende Blätter
Sachbegriff/Objekttyp
Grafik

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Aufbewahrungsort/Standort (GND)
Universitätsbibliothek Heidelberg
Inv. Nr./Signatur
G 5442-2 Folio RES

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Maß-/Formatangaben

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Werktitel/Werkverzeichnis

Herstellung/Entstehung

Entstehungsort (GND)
München

Auftrag

Publikation

Fund/Ausgrabung

Provenienz

Restaurierung

Sammlung Eingang

Ausstellung

Bearbeitung/Umgestaltung

Thema/Bildinhalt

Thema/Bildinhalt (GND)
Schlamm
Graben
Karikatur
Vogelei
Dieb <Motiv>
Diebstahl <Motiv>
Eile <Motiv>
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Digitales Bild
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Public Domain Mark 1.0
Creditline
Fliegende Blätter, 28.1858, Nr. 669, S. 130

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