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Die verblümte
Ein heftiges Pochen schreckte ihn aus dem Schlafe auf;
er öffnete, der Postbote trat ein.
„Herrn utriusque jur. cand. Pumphose, Stadtpost —
franko!"
„Hum! Philistermahnung— pfui, kenne das — übrigens"—
„Lieber Herr Doktor! (ja prost die Mahlzeit — wären
nur die Examinatores nicht so neugierig auf fremde Studia!)
Man nennt Sic den flottesten Corpsburschen der ganzen Stadt
(gratias!), aber man sagt auch, daß Sie für die beseligenden
Regungen der Liebe unempfindlich seien. (I potz Cerevis und
! Carcer, wer kann das behaupten? Die Anneliese mag das Ge-
j gentheil beschwören —) Ich behauptete obwohl Sic mir per-
j sönlich unbekannt sind, zu Ihrer Ehrenrettung das Gegenthcil
und wettete mit einer Freundin, daß Sic meiner Einladung,
! heute Abends im Stehparterre des Schauspielhauses mit einen:
kleinen Vergißmeinnichtsträußchen am Cerevis zu erscheinen, und
einen leisen Händedruck als Erkennungszeichen abznwarten, mit
echter Ritterlichkeit Folge leisten würden. Nebrigens füge ich
^ hinzu, daß an diesen Zeilen auch ein --ich wage es kaum zu
sagen — natürliches Interesse für Ihre edle, männlichschöne
' Erscheinung (ah sapperment!) nicht geringen Antheil hat, sowie
der Wunsch, mit Ihnen einige Worte anstauschen zu können. —
Anna F."
„Allerliebste Wetterhexe, findet mich interessant, — na,
das habe ich schon öfter hören müssen — ist just nicht 's
I erste Mal — und ’n Vergißmeinnicht am Cerevis — auf
! Commerce, 'ne heillose Idee — der Senior aller bemoosten
Häupter mit so 'nein botanischen Flederwisch, girrend wie 'n
' Tauberich — hahaha, auf Pedell, man malt mich in den
fliegenden Blättern ab — aber sie defendirt meine Galan-
terie — eben, veui, vidi, vici, sollt ich gleich das Entröe
von einen: Manichäer pumpen müssen, jacta est alea, steht,
S glaube ich, in den Pandekten irgendwo, bealus ille und so
weiter — muß hin!"-Daß das billet-doux bei den
Corpsburschen, sowie bei den Füchsen schnell ad eircmlandnm
ging, versteht sich von selbst.
Rendezvous.
Um 3 Uhr Nachmittags war für die abendliche Vor-
stellung des „Wendelin von Höllenstein" kein Billct ins Par-
terre mehr zu haben; vorsichtshalber mußte das Orchester
geräumt werden.
Der Direktor rannte an den Straßenecken umher, um
sich zu überzeugen, ob nicht etwa durch einen Druckfehler statt
„Wendelin von Höllenstein" die „Mcdea" mit Ma-
dame Ristori angekündigt worden sei?
Viertes Kapitel.
„Herr von Süßlieb, was glauben Sie? Am Ende ist
diese Ophelia eine Person, die unfern Arthur noch gar nicht
kennt; könnten wir nicht Versuchs-und spaßhalber uns auch
Rosen ins Knopfloch stecken? kennt sie ihn, so schadets
nichts; kennt sie ihn aber nicht, so ist die köstlichste Confusion
fertig — rate?"
„Bravissimo, ja ja, einverstanden!"
„Du Sarras, wie wär's, wenn wir auch Jeder eine
Nelke mitbrächten — 's gab' 'nenmagnifiqucnWirrwarr, was?
„Fuora! Da capo, capitale Idee das — laß dich umar-
men, Bruderherz — Jeder ein Nelke in der Hand, sei die
Parole! Der Sturmhausen wird Gesichter schneiden, prrr. . .
wenn er die gleiche Adjustirung sieht, hahaha!"
„Herr Collega, wenn wir auch Berg iß meinnichte
auf die Kappen steckten, und so 'ne große Liebcslotterie
arrangirten, aus der die unbekannte Netti ihren Pumphose
ziehen müßte ■— wie?"
„Fuchs, du bist auf ewige Zeiten emancipirt — her mit
den: Bierkrug — der neue Corpsbursch vivat hoch! Soll der
ganze Grünmarkt drauf geh':: — Bergißmcinnichte her!"
Fünftes Kapitel.
Es schlägt sieben Uhr.
Das Haus ist zum Erdrücken gefüllt, und in einen Blu-
j mengarten verwandelt. Aus allen Logen duften Rosen, die
j Sperrsitze hauchen würzige Nelkengerüche aus und ein undurch-
dringlicher Wald verschämter Liebesblümchen starrt auf den
Mützen zahlloser bärtiger Kneipknmpane in: Parterre.
Einige Besucher der letzten Gallerte sind der Meinung,
daß ein großes Blumcnfcst ctiva zu Ehren einer erwarteten hohen
Persönlichkeit gefeiert werde, und eilen, sich in der Schnelligkeit
mit Sträußchen, ja sogar :nit Blumentöpfen zu versehen.
Arthur von Löwen, Hanptinann Sturmhausen und stttd.
jur. Pumphose fühlen sich sehr unbehaglich über so eine hor-
rende Rivalität. Alle Uebrigen geben sich einer so ungezwungenen
! Heiterkeit hin, daß das Orchester fast überstimmt, und die
! beginnende Vorstellung nicht selten unterbrochen wird.
Ter ganze Gesichtskreis ist von Lorgnetten, Perspektiv's
! und Guckern verfinstert; da das Publikum meist tu ä nnliche tt Ge-
Die verblümte
Ein heftiges Pochen schreckte ihn aus dem Schlafe auf;
er öffnete, der Postbote trat ein.
„Herrn utriusque jur. cand. Pumphose, Stadtpost —
franko!"
„Hum! Philistermahnung— pfui, kenne das — übrigens"—
„Lieber Herr Doktor! (ja prost die Mahlzeit — wären
nur die Examinatores nicht so neugierig auf fremde Studia!)
Man nennt Sic den flottesten Corpsburschen der ganzen Stadt
(gratias!), aber man sagt auch, daß Sie für die beseligenden
Regungen der Liebe unempfindlich seien. (I potz Cerevis und
! Carcer, wer kann das behaupten? Die Anneliese mag das Ge-
j gentheil beschwören —) Ich behauptete obwohl Sic mir per-
j sönlich unbekannt sind, zu Ihrer Ehrenrettung das Gegenthcil
und wettete mit einer Freundin, daß Sic meiner Einladung,
! heute Abends im Stehparterre des Schauspielhauses mit einen:
kleinen Vergißmeinnichtsträußchen am Cerevis zu erscheinen, und
einen leisen Händedruck als Erkennungszeichen abznwarten, mit
echter Ritterlichkeit Folge leisten würden. Nebrigens füge ich
^ hinzu, daß an diesen Zeilen auch ein --ich wage es kaum zu
sagen — natürliches Interesse für Ihre edle, männlichschöne
' Erscheinung (ah sapperment!) nicht geringen Antheil hat, sowie
der Wunsch, mit Ihnen einige Worte anstauschen zu können. —
Anna F."
„Allerliebste Wetterhexe, findet mich interessant, — na,
das habe ich schon öfter hören müssen — ist just nicht 's
I erste Mal — und ’n Vergißmeinnicht am Cerevis — auf
! Commerce, 'ne heillose Idee — der Senior aller bemoosten
Häupter mit so 'nein botanischen Flederwisch, girrend wie 'n
' Tauberich — hahaha, auf Pedell, man malt mich in den
fliegenden Blättern ab — aber sie defendirt meine Galan-
terie — eben, veui, vidi, vici, sollt ich gleich das Entröe
von einen: Manichäer pumpen müssen, jacta est alea, steht,
S glaube ich, in den Pandekten irgendwo, bealus ille und so
weiter — muß hin!"-Daß das billet-doux bei den
Corpsburschen, sowie bei den Füchsen schnell ad eircmlandnm
ging, versteht sich von selbst.
Rendezvous.
Um 3 Uhr Nachmittags war für die abendliche Vor-
stellung des „Wendelin von Höllenstein" kein Billct ins Par-
terre mehr zu haben; vorsichtshalber mußte das Orchester
geräumt werden.
Der Direktor rannte an den Straßenecken umher, um
sich zu überzeugen, ob nicht etwa durch einen Druckfehler statt
„Wendelin von Höllenstein" die „Mcdea" mit Ma-
dame Ristori angekündigt worden sei?
Viertes Kapitel.
„Herr von Süßlieb, was glauben Sie? Am Ende ist
diese Ophelia eine Person, die unfern Arthur noch gar nicht
kennt; könnten wir nicht Versuchs-und spaßhalber uns auch
Rosen ins Knopfloch stecken? kennt sie ihn, so schadets
nichts; kennt sie ihn aber nicht, so ist die köstlichste Confusion
fertig — rate?"
„Bravissimo, ja ja, einverstanden!"
„Du Sarras, wie wär's, wenn wir auch Jeder eine
Nelke mitbrächten — 's gab' 'nenmagnifiqucnWirrwarr, was?
„Fuora! Da capo, capitale Idee das — laß dich umar-
men, Bruderherz — Jeder ein Nelke in der Hand, sei die
Parole! Der Sturmhausen wird Gesichter schneiden, prrr. . .
wenn er die gleiche Adjustirung sieht, hahaha!"
„Herr Collega, wenn wir auch Berg iß meinnichte
auf die Kappen steckten, und so 'ne große Liebcslotterie
arrangirten, aus der die unbekannte Netti ihren Pumphose
ziehen müßte ■— wie?"
„Fuchs, du bist auf ewige Zeiten emancipirt — her mit
den: Bierkrug — der neue Corpsbursch vivat hoch! Soll der
ganze Grünmarkt drauf geh':: — Bergißmcinnichte her!"
Fünftes Kapitel.
Es schlägt sieben Uhr.
Das Haus ist zum Erdrücken gefüllt, und in einen Blu-
j mengarten verwandelt. Aus allen Logen duften Rosen, die
j Sperrsitze hauchen würzige Nelkengerüche aus und ein undurch-
dringlicher Wald verschämter Liebesblümchen starrt auf den
Mützen zahlloser bärtiger Kneipknmpane in: Parterre.
Einige Besucher der letzten Gallerte sind der Meinung,
daß ein großes Blumcnfcst ctiva zu Ehren einer erwarteten hohen
Persönlichkeit gefeiert werde, und eilen, sich in der Schnelligkeit
mit Sträußchen, ja sogar :nit Blumentöpfen zu versehen.
Arthur von Löwen, Hanptinann Sturmhausen und stttd.
jur. Pumphose fühlen sich sehr unbehaglich über so eine hor-
rende Rivalität. Alle Uebrigen geben sich einer so ungezwungenen
! Heiterkeit hin, daß das Orchester fast überstimmt, und die
! beginnende Vorstellung nicht selten unterbrochen wird.
Ter ganze Gesichtskreis ist von Lorgnetten, Perspektiv's
! und Guckern verfinstert; da das Publikum meist tu ä nnliche tt Ge-
Werk/Gegenstand/Objekt
Pool: UB Fliegende Blätter
Titel
Titel/Objekt
"Die verblümten Rendezvous"
Weitere Titel/Paralleltitel
Serientitel
Fliegende Blätter
Sachbegriff/Objekttyp
Inschrift/Wasserzeichen
Aufbewahrung/Standort
Aufbewahrungsort/Standort (GND)
Inv. Nr./Signatur
G 5442-2 Folio RES
Objektbeschreibung
Maß-/Formatangaben
Auflage/Druckzustand
Werktitel/Werkverzeichnis
Herstellung/Entstehung
Entstehungsort (GND)
Auftrag
Publikation
Fund/Ausgrabung
Provenienz
Restaurierung
Sammlung Eingang
Ausstellung
Bearbeitung/Umgestaltung
Thema/Bildinhalt
Thema/Bildinhalt (GND)
Literaturangabe
Rechte am Objekt
Aufnahmen/Reproduktionen
Künstler/Urheber (GND)
Reproduktionstyp
Digitales Bild
Rechtsstatus
Public Domain Mark 1.0
Creditline
Fliegende Blätter, 28.1858, Nr. 678, S. 203
Beziehungen
Erschließung
Lizenz
CC0 1.0 Public Domain Dedication
Rechteinhaber
Universitätsbibliothek Heidelberg