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Mißverständnisse.

} erbieten sich schon so hartnäckig seiner Seele bemächtigt haben,

> daß diese Vorstellung keine Ahnung in ihm auskommen ließ,
es könnte mit dem Herrn „Wirth" eine andere Person ge-
meint sein, als eben der Lammwirth, in dessen Behausung er
seine Lebensgeister zu erfrischen gewöhnt war. Aus leicht zu
! crrathcnden Gründen gab ich mich damit zufrieden.

Nun aber war noch eine heiße Stunde zu bestehen; wie
mochte Nannchen, wie Herr Wirth nach so bündigen Be-
! sprcchungen meine scheinbare Nachlässigkeit ausgenommen haben?
j Der nächste Morgen soll Alles aufklären, dachte ich, und bc-
! ruhigt, so vcrjchicdcncn Stürmen noch glücklich genug entkom-
men zu sein, legte ich mich zur Ruhe. Ich war früh aufge-
standcn, um heute der Erste zu sein am Frühstücktische im Garten;
wie staunte ich daher, als ich darauf losstcucrnd, Nannchen,
den Papa und einen mir fremden jungen Mann bereits dort
ctablirt sah! Herr Wirth kam mir, als er meiner ansichtig
ward, mit den Worten entgegen : „Schön, schön, daß Sic kom-
men, obgleich Sie uns gestern vergesse» haben! Nannchen
freut sich, Ihnen den Bräutigam vorstcllen zu können, dessen
Ebenbild sic ja sein sollen, ja sch'n Sie, Herr Obcrauditor,
so sind verliebte Frauenzimmer, —• überall wollen sie eine
Aehnlichkeit finden mit dem Allertheuerstcn, da hilft kein
Widerspruch!"

Ich stund jetzt vor dem Brautpaare — sprach-
los vor Nebcrraschung — „Herr Emil Frank" —
„Herr Obcrauditor von Busch" stellte der Papa vor.

Obgleich ich mich nie für eitel gehalten, fühlte ich doch
etwas wie verletzte Eitelkeit in mir kämpfen, — also darum

war sie so freundlich, daher diese oft so eigenthümlichcn Blicke,
wenn sie sich von mir unbeachtet wähnte, daher die Betroffen-
heit bei meinem ersten Anblick, weil ich dem Geliebten ähn-
lich sah! und das E aus den Blättchen der gemordeten Rose

— es bedeutete Emil, nicht Eugen — wie ich es ,nir gedeu-
tet! — — Der Verlobte hatte allerdings einige Aehnlichkeit
mit mir, nur war er jünger, und auch wie ich (gewiß lobens-
wcrthe Aufrichtigkeit!) glaube, ziemlich hübscher als ich; das j
Bräutchcn aber schien in einem Meer von Sceligkcit zu schwim- !
men, und hatte heute kaum einen Blick für mich.

Meine Aufklärung, hinsichtlich des gestrigen Mißver-
ständnisses ward mit großer Heiterkeit ausgenommen, und nun

— ich glaubte mir diese Art von Revange selbst schuldig zu

sein — erzählte ich, „daß nur dieses fatale Mißvcrständniß
mir die Annehmlichkeit des gestrigen Abends getrübt, und es
mich aufrichtigst geschmerzt habe, meinen so wcrthcn Freunden
meine Frau nicht vorstcllen zu können, die hauptsächlich um
ihretwillen mich nach Louisenhof begleitet habe." (Ich sagte j
damit keine Lüge, wie Du, lieber Leser, weißt.) Allein ver-
geblich erwartete ich erstaunte Mienen zu sehen — die ver- j
mcintlichc kleine Rache war mißglückt, das sah ich, ehe noch
Nannchen mir erwicdcrtc, daß dies in dcrThat recht ärger-
lich, da sie sich sehr gefreut haben würde, die persönliche Be-
kanntschaft der Frau von Busch zu machen, von welcher
sic in früherer Zeit durch eine entfernt wohnende Freun-
din, mit welcher sie corrcspondire, viel Liebes und
Gutes gehört habe. j

„Ja, ja," fiel der Papa ein, „sie correspondiren, I
und wie! Sic glauben nicht, Herr Oberauditor, wie
die roscnfarbncn Blättchen nur so hin und her stiegen!
Das zuletzt angcstogen gekommene hat sogar ein Wund-
pflastcr abgebcn müssen, und das närrische Mädchen
hat in vollem Ernste behauptet, das glatte Papier
lindere den Schmerz."

Damit war mir nun das letzte Räthsel gelöst, ich
hätte mögen in den Boden sinken, aus Aergcr auf mich
selbst und aus Scham über meinen Jrrthum ; und doch
hatte sich auch wieder eine Art von Beruhigung in
meinem Busen cingcschlichcn mit der Gewißheit, daß
ich den Frieden des lieblichen Mädchens nicht getrübt,
waö mir mein Gewissen in nmnchcn Augenblicken schon
vorzuwerfcn Lust gehabt. Somit schüttelte ich die An- ,
Wandlung von Verdruß muthig ab, und thcilte die
Fröhlichkeit meiner Umgebung. Wir frühstückten zusam-
men, und der alte Herr, dessen offene Herzlichkeit jeden
Verdacht von mir ferne hielt, ich könnte von ihm und
der Tochter absichtlich zum Besten gehalten worden sein,
ging in seiner Lustigkeit so weit, daß er Champagner
kommen ließ, und mich, meine Frau, das Brautpaar
und die'ganze Welt hoch leben ließ. Aufrichtigsten Herzens stieß
ich mit Allen an, versäumte aber nicht, einen Kelch crtra auf
meine alleinige Rechnung zu leeren, indem ich, wenn auch nur
im Stillen, hoch leben ließ: die so glücklich gelösten —

Mißverständnisse.

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Bildbeschreibung

Werk/Gegenstand/Objekt

Titel

Titel/Objekt
"Mißverständnisse"
Weitere Titel/Paralleltitel
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Fliegende Blätter
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Grafik

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Aufbewahrungsort/Standort (GND)
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Inv. Nr./Signatur
G 5442-2 Folio RES

Objektbeschreibung

Maß-/Formatangaben

Auflage/Druckzustand

Werktitel/Werkverzeichnis

Herstellung/Entstehung

Entstehungsort (GND)
München

Auftrag

Publikation

Fund/Ausgrabung

Provenienz

Restaurierung

Sammlung Eingang

Ausstellung

Bearbeitung/Umgestaltung

Thema/Bildinhalt

Thema/Bildinhalt (GND)
Liebespaar <Motiv>
Verwechslung <Motiv>
Geliebter <Motiv>
Begegnung <Motiv>
Missverständnis <Motiv>
Ähnlichkeit <Motiv>
Karikatur
Garten <Motiv>
Vater <Motiv>
Junge Frau <Motiv>
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Künstler/Urheber (GND)
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Digitales Bild
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Public Domain Mark 1.0
Creditline
Fliegende Blätter, 32.1860, Nr. 764, S. 59

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