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186

Eine Ehrensache.

forderung durch meinen Freund, Herrn Lieutenant Sturm,
welcher ermächtigt ist, die Angelegenheit zu arrangircn.

Hochachtungsvoll Peter Schmid."

Nachdem ich dieses Aktenstück mit dem innersten Wider-
streben unterzeichnet hatte, fragte ich meinen „Freund," ob
er den Kapitän kenne.

„Nicht näher!" erwiderte der Lieutenant. „Er ist sremd
hier und ich weiß nur, daß er sich Capitän nennt, in Griechen-
land gefochten haben will und ein Eisenfresser zu sein scheint."

Diese Auskunft war eben nicht tröstlich.

„Ich dächte", sagte ich mit zitternder Stimme, „daß
man das Wort „triftigsten" vor Entschuldigung weglaffcn
könnte. Irgend eine Entschuldigung würde mir genügen..."

„Aber mir nicht!" war die emphatische Antwort des
entschlossenen Vetters.

Ich wußte nichts weiter zu sagen. Mein Peiniger ent-
fernte sich mit der Forderung in der Tasche und ich blieb vom
Fieberfrost geschüttelt, zurück.

Zwei Stunden später trat mein „Freund" wieder bei
mir ein, wie es schien, in der besten Laune.

„Hat er sich entschuldigt?" fragte ich schnell.

„Daran war nicht zu denken!" entgegnete er. „Der
Kapitän erklärte, daß er eher den letzten Blutstropfen vcr- j
spritzen, als sich zu einer Entschuldigung verstehen will."

„Welch blutdürstiges Ungeheuer!" dachte ich mit innerem
Schauder.

„Das Zusammentreffen ist für morgen früh, eine Stunde
vor Sonnenaufgang bestimmt," berichtete der Lieutenant. „Sie
werden sich auf fünfzehn Schritte Distancc schießen. Die Piftolc»
bringe ich mit."

„Fünfzehn Schritt — ist das nicht zu nahe?" wagte
ich schüchtern zu fragen.

„Zu nahe? durchaus nicht. Sie haben nur um so mehr
Aussicht, Ihren Gegner zu treffen!"

„Und er hat um so weniger zu fürchten, daß er mich
fehlt!" stammelte ich.

„Allerdings!" war die herzlose Antwort. „Sie müssen
Ihre Maaßrcgeln für alle Fälle nehmen."

Ich konnte nicht umhin, zu bezweifeln, daß mein „Freund"
die Sache so kühl nehmen würde, wenn er die Hauptperson
und ich der Sekundant gewesen wäre. Ich habe immer gefunden,
daß die Sekundanten scrupulöscr für die Ehre der Duellanten
besorgt sind, als sie cs im gleichen Falle für ihre eigene sein
könnten. Ich glaube, es liegt so in der menschlichen Natur,
ja ich bezweifle selbst nicht, daß ich als Sekundant sehr viel
Muth zeigen würde.

„Ich setze voraus, daß Sie im Pistolenschießen geübt
sind," bemerkte mein Freund.

Im Pistolenschießen geübt! Ich erinnerte mich, einst als
Knabe ein Pistol abgeschossen und dabei die Katze meiner
Schwester in Lebensgefahr gebracht zu haben — seitdem hatte
i<f) keine Feuerwaffe wieder in die Hand genommen.

Ich befand mich in der unglücklichsten Stimmung, in der
rathloscstcn Lage und beschloß endlich, nachdem mein liebens- i

würdiger neuer Bekannter mich verlassen hatte, ein wenig aus-
zugehen, um mich zu zerstreuen. Ohne recht zu wissen wie,
gcrieth ich in ein Kaffeehaus und nahm mechanisch eine Zeitung
zur Hand. Das erste worauf mein Blick fiel, war die Anzeige,
daß heute Nachmittag vier Uhr ein Dampfschiff nach Kopen-
hagen abgehen würde.

Ein plötzlicher Gedanke durchzuckte mich. Wär' cs nicht
besser auf einige Zeit nach Kopenhagen zu gehen, als mein
Leben im Duell zu lassen —. ein Resultat, auf das ich bei
dem Zustande meiner Nerven und dem Mangel aller Geschick-
lichkeit in der Führung der Waffen die gegründetste Aussicht
hatte.

Jetzt hatte ich auf einmal alle meine Energie wieder
gefunden, stülpte den Hut auf den Kopf und eilte nach dem
Bureau des Dampfbootes. Man versicherte mich, daß das
Schiff jedenfalls um vier Uhr abgehen werde, ich meldete mich
als Passagier und man legte mir die Liste meiner Rciscge-
i führten vor, um meinen Namen cinzutragen. Aber kaum
wagte ich, meinen Augen zu trauen, als mein Blick auf den
letzten Namen fiel. War cs Wahrheit oder Täuschung — da
stand mir deutlichen Buchstaben: Kapitän von Degengriff.

„Wann hat sich dieser letzte Passagier eingeschrieben?"
fragte ich fast athemlos.

„Vor einer halben Stunde."

„Wußte er, daß das Boot heute noch abgcht?"

„Er erkundigte sich darnach ganz besonders."

„Wollen Sic mir den Herrn ein wenig beschreiben.
Ist er groß?"

„Sehr groß!"

„Und trägt einen schwarzen Schnurbart?"

„Ganz recht."

„Er sicht sehr finster aus und trägt einen sehr weiten
Rock?"

„Ganz wie Sie sagen. Sic kennen den Herrn also?"

„Sehr oberflächlich," entgegnete ich so gleichgiltig als
möglich. „Leben Sic wohl, mein Herr! Es thut mir leid,
Sic vergeblich bemüht zu haben — ich besinne mich, daß ich
die Reise noch um einige Tage verschieben muß."

Unbekümmert um das, was der Beamte von mir denken
mochte, rannte ich davon. Mein Herz schlug fast hörbar, als
ich nach einigem Nachdenken auf die Vcrmuthung kam, daß
mein Gegner, den ich so sehr gefürchtet hatte, aus Furcht vor
einem Zusammentreffen mit mir, das Weite suchte.

Jetzt wuchs mein Muth zusehends. — Ich gab mir
Mühe ein ernsthaftes Gesicht zu machen, was mir ziemlich
schlecht gelang, kaufte in aller Eile ein paar Pistolen und
trug Sorge, daß sic gesehen wurden, als ich in meine Woh-
nung zurückkchrtc.

„Sie wollen Ihr Leben für mich auf'S Spiel setzen!"
lispelte Sophronia.

„Es soll Niemand sagen, daß man eine Dame, die sich
unter meinen Schutz stellt, ungestraft beleidigen darf!" er-
widerte ich stolz.

Den Nachmittag brachte ich damit zu, mit meinen Pi-
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