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Der Rathskeller

! meinen zu legen und allhiero im bleichen Mondesschimmer
! in süßem Liebesgerede auf und nieder zu wallfahrten auf
! dieser stillen Promenade. Elsbeth erwiderte keine Silbe,

' sondern ging ruhig weiter. Amtmann Wild aber spazierte
dicht hinter ihr d'rein mit seiner „holdseligen Benderin" und
schnöden verführerischen Worten, mit denen er das Mädchen zu
verstricken gedachte. Wie sie nun aber that, als wenn gar
Niemand da wäre, und sich nur beeilte, aus seiner Gegen-
wart von dannen zu kommen, da schwoll dem stolzen, liebe-
sehnenden Mann das Herz, er sah ihr schönes, erregtes Ge-
! sicht — und rings Niemand anders, als die Abenddämmer-
nng und fern im Osten der herbstliche Mond. Da fuhr
es glühend und wild durch sein Gebein, halb sinnlos wollte
er sie umfangen. Elsbeth stieß keinen Schrei, keinen Hilfe-
ruf aus, aber sie richtete sich hoch empor und stieß den
i Amtmann von sich, daß er in das Geröll und Gestrüpp
niederstürzte; hinter der nächsten Mauerecke aber trat der
! Jean Baptiste vor, bot der Elsbeth seinen Arm und einen
! höhnischen, verächtlichen Blick auf den Amtmann werfend,
führte er seine Liebste, die sich nun fest an ihn klammerte,
davon.

Seit dieser Stunde trug der Amtmann einen unversöhn-
lichen, wildflackernden Haß gegen Jean Baptiste im Herzen;
nicht allein, daß er der bevorzugtere Liebhaber Elsbeths war,
nein, daß er ihn gesehen hatte, der lumpige Maler den mäch-
tigen, gewaltigen Amtmann, wie er von ein Paar weichen
Weiberarmen in den Sand gestreckt lag. Das war es. Ge-
kränkte Eitelkeit ist ein schrecklich Ding. Er beschloß dem
Jean Baptiste Etwas am Zeuge zu flicken, wann es nur
irgend anginge und die Gelegenheit hierzu sollte sich nur zu
bald bieten.

Der Winter kam heran, die Sonne schien immer blaß-
rother und die Luft war rein und kalt.

Es war Sonntag, die Kirchenglocken läuteten feierlich
und luden die Gläubigen ein, in die Gotteshäuser zu treten.

Jean Baptiste war allein nach St. Nieolayen gegangen,
zum ersten Male, seitdem er wieder in Marienheim war,
denn der alte Wendelin war unpaß, und Elsbeth war daheim
geblieben, um ihn zu pflegen. Es war ihm gar nicht un-
lieb, daß er allein hatte gehen müssen, denn gar seltsam
bewegte es ihn, als er in den hohen, bogigen, säulengetra-
genen Gottespalast trat, den er seit zehn Jahren nicht be-
treten hatte, wo die Orgel in Donnertönen fluthete und das
prophetische Wort des Priesters klang: Kommet her zu mir
Alle, die ihr mühselig und beladen seid, ich will euch trösten.
Heiße Thränen quollen aus seinen Augen. Er sah und hörte
nichts mehr — Alles floß in ein Chaos zusammen. Er
war mit seinem Gott allein. — —

Die Predigt war zu Ende, die Fuge auf der Orgel
hallend verklungen, die befriedigten, versöhnten Christen
strömten aus dem Portale — Jean Baptiste, der fröhlich
und heiter geworden war, mitten unter ihnen. Auf dem ge-
räumigen Kirchplatz vertheilten sich die schwirrenden bunten
Menschen, die Strömung lichtete sich. Da trat eine Dame,

von Marienheim.

die ihn schon lange mit blitzenden Angen ans der Ferne be-
obachtet hatte, an Jean Baptiste heran.

Baptiste, sagte sie lerse. Baptiste!

Jesebel! Er stieß einen unterdrückten Schrei aus.

Wie kommst Du hierher?

Dieselbe Frage könnt' ich an Dich stellen, Sennor bei Ronda.

Jesebel!

Red' leiser, man nennt mich hier Madame Jsabeau.
Mein Mann ist todt.

Dein Mann?!

Du wunderst Dich darüber? Bist Du mir vielleicht
treuer gewesen?

Sie traten aus dem St. Nieolayen-Platz in die Hauptgasse.

Laß mich jetzt gehen, sagte sie. Heut' Abend erwart'
ich Dich.

Jnstinktmäßig fragte er: Wo?

In meinem Hause am Markt — am Roland soll Dich
meine Zofe erwarten. Schlag neun Uhr.

Schlag nenn am Roland, und er ging wie ein Schlaf-
wandler von dannen.

Die Dame, die sich selbst Madame Jsabeau nannte,
war in strahlendem, glänzendem Winterpntze mit nickenden
Federn und kostbarem Pelzwerk. Pracht und Neichthnm spra-
chen aus ihren Kleidern und Pracht unv Reichthum besaß
sie auch in Hülle und Fülle. Es war die Frau des Kauf-
herrn Traugvtt Eberts, so vor einem Vierteljahre hinüber-
gegangen war in's Jenseits — und trotz diesem sehr betrüb-
lichen Sterbefalle stolzirete sein Ehegemal schon in so kurzer
Zeit wieder in bunten, schillernden Colores, das bei den In-
wohnern Marienheims gerechten Anstoß erregte. Man erzählte
sich seltsame Geschichten von ihr. Traugott Ebert, der noch
einer der wenigen Repräsentanten des verjährten Marienheimer
Handels war, hatte vor einem Jahre ungefähr eine Geschäfts-
reise nach Frankreich und dem Westen gemacht, und von
dorten zurückgekehret, sich eine Braut mitgebracht. Isabelle,
oder wie sie nach ihrer Trauung, die mit ungeheurem Auf-
wand vor sich ging, genennet wurde, Madame Jsabeau,
sprach so hübsch französisch und sah so französisch reizend
und verführerisch aus, daß man sie allgemein für eine Tochter
dieses Volkes ansah, und weder sie, noch ihr Mann wider-
sprachen dem. Reizend und verführerisch sah sie auö, und
war es auch. Ein Mond war kaum vergangen und die
jungen Herren Marienheims lagen ihr zu Füßen — zu ihren
kleinen, französischen Füßen, schmachteten nach ihren Küsten,
nach ihrer Liebe, und sie war nicht spröde. Mancher konnte
sich ihrer Gunst rühmen. Manchem hatte sie seine Sehnsucht
gestillet. Herr Traugott Ebert sah ein, daß er einen dummen
Streich gemacht hatte, aber es sollte ihm nicht mehr viel
Zeit zu dieser Einsicht gelassen werden, denn im sechsten
Monat nach seiner Verheirathung starb er, und man trug
sich dermalen mit gefährlichem, bösem Gerede, daß er eben
keines natürlichen Todes verblichen sei, da er ganz zerfresten
und schwarz ausgesehen habe, doch ein Herzschlag konnte ja
dergleichen auch bereitet haben. Aber wenn auch, die Ebertin
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