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Der Rathskeller

stand in einem bösen, verächtlichen Renommee. Seitdem sie
nun dem Jean Baptiste begegnet war, schien es, als habe
der Leibhaftige sein Hirn verrückt. Aus seiner einfachen Giebel-
wohnung zog er aus in prächtige Zimmer mit prächtigen
Meublen, hielt sich Pferde und Vögel, kleidete sich in Sammt
und Seide, ließ sich frisiren und sein Gesicht mit kleinen
Flecklcin bekleben, so man Schönpflästerchcn nannte. Zu
Elsbeth sagte er, eine reiche Erbschaft wäre ihm zugefallen,
und er wolle nun den Leuten zeigen, daß der Sohn des
! Rathshcrrn Puppcnbcrg sich nicht zu gcniren brauche vor
> ihnen, und ebenso estimiret wollte sein, wie sie selbsten.
j Nächstes Jahr aber sei Hochzeit.

An dem verhängnißvollen Sonntag hatte er einen schweren
! Kampf mit sich vorgehabt. In seiner Stube hatte er ge-
| llgen auf dem harten Kanapee und geschluchzt und geweint,
wie ein Kind. Seine ganze Vergangenheit war vor ihm
aufgctaucht, unsägliches Elend, unsägliches Glück, Sirenen-
sang umgaukeltc ihn, Teufel lockten und kleine, blaße Eng-
Icin flatterten seufzend von dannen. Hundertmal war es fest
in seinem Herzen geworden, ich gehe nicht hin. Aber als
nun der Abend aufdämmerte, die Uhren schlugen sieben —
acht — da langte er nach seinem Mantel, nach seinem Hut,
und wie von St. Nicolayen die neunte Stunde über die
Stadt hin tönte, da stand er dicht cingchüllt am steinernen
Roland. Der Brunnen plätscherte unheimlich geschwätzig alte
Geschichten von Liebe, wie sie aufsprießt und verrinnt, und
verstrickend ist und herrlich voll Seligkeit und Lust und Jean
Baptiste ließ sich beschwätzen. Eine kleine Gestalt huschte
um den Brunnen.

Scnnor Baptista del Ronda —•

Er trat unwillkürlich vor. Eine weiche Fraucnhand
faßte die seine — er fühlte sich fortgczogcn, blindlings fort-
gezogen über den Markt nach dem Hause der Ebertin. Hallend
schlug die Hausthüre hinter ihm zu, seine Führerin zog ihn
durch einen mattcrleuchteten Gang eine breite steinerne Treppe
empor. Ucberall lagen Teppiche — weiche Teppiche — die
die Schritte auffingen, daß sie kein Geräusch machten; Thürcn
gingen auf und zu; Portieren rauschten einmal, zweimal,
dreimal. Die Hand, die ihn geleitet, ließ ihn los. Er sah
sich allein, und nicht allein, denn dort auf den schwellenden,
blumigen Polstcrkissen saß ja die schöne Jsabclla und um ihr
herum war Alles spanisch, spanisch — spanisch —.

Die Klatschmäuler hatten wieder reichlich zu thun —
Puppmbcrg und Madame Jsabcau. Die Namen klangen
überall wieder, wo man beim Kaffee oder beim Weine zu-
sammcnsaß und der Amtmann Wild vcrkaute wüthend seine
Federn, (denn er war ein kavorit Uaäames) daß fein Pedell
oftmals zu den Schreibern sagte: Seine Edcln habcn's heute
einmal wieder sehr toll getrieben, fünf Federn und eine halbe,
i Auch bis zu Elsbeth drang die Kunde, daß der glänzende,
seidene Maler die Ebertin besuche, zu jeder Zeit, wie cs
ihm gerade beliebe. Eines Abends sagte sie es ihm; er
lachte gezwungen. Wo denkst Du hin, mein trautes Lieb,
sagte er, Dich aufopfern, daß Du mir dem Amtmann in

von Marien heim.

die Fänge gcräthst! Nimmermehr. Und er küßte ihre frischen j
Lippen und ihre weichen, schwellenden Arme. Er hatte nicht
den Muth, es dem ihm so fest vertrauenden Mädchen zu ge-
stehen, daß die Leute die Wahrheit redeten. Von einem Tag j
zum andern schob er'ö auf. Er lebte eben nur dem Augen-
blick — die Zukunft — ? I'avonir — ? Pah, waö ist die
Zukunft — der Moment, der ist's, der den Menschen glück- ;
lich macht.

Draußen stöberte der Schnee und kleidete die Erde in's !
Lcichenhemd, es war so recht winterkalt. Drinnen aber in j
dem düstern, braungetäfelten Gemach mit den Sammtmeubles
und den dicken Vorhängen und Teppichen war's um so be-
haglicher und wärmer. Lustig prasselte das Feuer im Kamin.
Am Fenster saßen Jean Baptiste und Isabelle. Sic hielt
ihn mit beiden Armen umschlungen, ihr lockigtes, schneeiges
Haupt lag an seiner Brust.

Blick' nicht so finster d'rein, theurer Baptiste, sagte sic,
mit ihren großen, lachenden Augen zu ihm aufschauend. Sei ;
fröhlich und heiter wie ich, oder liebst Du mich etwa nicht?

Du bist ein Kind, Jesebel, sagte er und tändelte ge-
dankenlos an ihren Bändern, Du bist ein Kind. Was frägst
Du mich, da Du doch in meiner Seele lesen kannst, daß ich
ganz Dein bin, Dein Knecht, Dein Sklave.

Und die blonde Elsbeth?

Hab' keine Angst, sie ist vergessen bei Deinem ersten ;
Anblick. Wir sind nun wett.

Ja, sagte sic, wir sind wett, Baptiste. Untreue gegen
Untreue. Du hattest Dir ein ander Lieb erkoren und ich
mich verkauft an ein gelbes Lcdergespcnst. Nun er mußte
mir's entgelten, wie er mich quälte. Aber das ist längst ab-
gethan, ich Hab' nur Dich in Herz und Sinn, und Du sollst
es ebenso mit mir halten. Sonst wehe Dir! — und ihre Augen i
blitzten unheimlich. Wehe Dir, wenn Du mich betrügst.

Er schauderte.

Wehe mir, wenn ich Dich betrüge, sagte er tonlos.

Weißt Du noch, fuhr sie fort, wie ich Dich fand?
Blutend — dem Tode nahe — in der Felsenschlucht — hoch flogen
der Mond und die Wolken über die Pyrenäen — der Nacht-
wind pfiff und heulte — häßliche Dunstgebilde jagten auS
den Felsen empor — da nahm ich Dich — und führte Dich ■
in Diegos Hütte. Ich heilte Dich — mit meinem Herzblut
— und dann — dann —. Denkst Du noch daran. —
Nein — das kann kein Mensch vergessen! Sie fuhr auf
und bedeckte sein Antlitz mit glühenden, versengenden Küssen, j

Das alte, nie verklingende Lied der Liebe!

DaS kann kein Mensch vergessen!

Damals wurden wir nur zu bald getrennt. Eö war
ein kurzer, aber um so schönerer Traum. Der böse Diego!
Doch jetzt wollen wir den Traum in's Leben rufen —
Baptista!

Wenn's Trauerjahr herum ist — denn sonst würden mir
die Marienhcimer Stadteulen die Augen aushackcn — dann
halten wir Hochzeit!

Und wie er zu Elsbeth gesagt hatte, sagte er auch hier.

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