Universitätsbibliothek HeidelbergUniversitätsbibliothek Heidelberg
Overview
Facsimile
0.5
1 cm
facsimile
Scroll
OCR fulltext
74

Aus dem vorigen Jahrhundert.

komnlt Er damit nicht durch. Meinen Vogt kenne ich. Es
wäre sehr zu wünschen, daß Er sich bezüglich Seiner Dienst-
pflichten etwas nach diesem wackern Mann richte."

Der Schreiber seufzte leise, entgegnete aber nichts, indem
er sich selbst gestehen mußte, daß es ihm unmöglich, sich nach
dem Vogte, dem „wackern Manne", einem rohen, ungeschlif-
fenen Gesellen, der gegen die Amtscingesessenen noch gröber
und herrischer auftrat, als der Amtmann selbst, zu richten,
und still nahm er seine Arbeit, worin er durch das eben
stattgefundene Gespräch unterbrochen, wieder auf, während
auch der Amtmann begann, nunmehr die Siegel der empfan-
genen Briefe zu öffnen, und diese selbst einer Durchsicht zu
unterziehen, bei welcher Arbeit er nicht unterließ, dann und
wann einen brummenden oder einen knurrenden Ton auszu-
stoßen, je nachdem der Inhalt der betreffenden Schreiben
seinen Beifall oder sein Mißfallen hervorrief. Dazwischen
richtete er auch wohl eine, dienstliche oder sonstige Angelegen-
heiten angehende Frage an den Schreiber, die dieser allemal
sehr rasch beantworten mußte, wollte er sich nicht auf eine
Grobheit, womit sein hoher Vorgesetzter nicht geizte, gefaßt
mache».

„Nichts Besonderes vorgefallen gestern Nachmittag wäh-
rend meiner Abwesenheit?" fragte der Amtmann, indem er
wiederum einen Blick über seine Brille schießen ließ.

„Nein, Herr Amtmann," lautete die in unterwürfigem
Tone gesprochene Antwort.

„Niemand hier gewesen?"

„Außer dem Kleinköthner Gebers, der heute Morgen
wiederkommen will, Niemand!"

„Der Kerl wird nicht angenommen, hört Er!" ent-
gegnete der Amtmann in gereiztem Tone. „Weiß schon, was
der will! Kommt wieder mit seinen gewöhnlichen Bettel-
gesuchen! Nichts da! Trete Er nachher bei dem Vogte vor
und beauftrage ihn in meinem Namen, heute die Kuh des
Burschen zu pfänden. Was ist denn das?" unterbrach sich
hier der Amtmann in seiner Rede, indem er einen neuen
Brief ergriff und denselben von allen Seiten betrachtete, „was
ist denn das? Ein Brief mit dem herzoglichen Siegel? Am
Ende vom Herzoge selbst? Wie komme ich zu der Ehre?
Waö könnten Seine Hoheit wohl von mir wünschen? Nun,
ich soll wohl über irgend einen Gegenstand gutachtlich be-
richten! Aber dann würde der Brief nicht mit dem Siegel
des Herzogs, sondern mit dem des Ministeriums geschloffen
sein. Hm, hm, hm, da wird man ja förmlich neugierig.
Was mag der Brief enthalten? Vielleicht — hm — hm —
Berufung ins — Ministerium?" — Eine heftige Nöthe stieg
bei diesem Gedanken in das lederartige Antlitz des Amt-
manns, und mit fast zitternden Händen öffnete er das Schrei-
ben , um Kenntniß von dem Inhalte desselben zu nehmen.
Also lautete daffelbe:

„Wir Carl Wilhelm Ferdinand von Gottes Gnaden
Herzog zu Braunschweig-Wolfenbüttel rc. Unser» Gruß zu-
vor, lieber Getreuer! Darauf sei Euch kund und zu wissen,
wie Wir leider vernommen, daß Ihr Euch gegen einen Ein-

gesessenen Unsers Amts Vechelde, so zu verwalten Ihr von
Uns cingesetzet, über die Maßen hart gezeigt habt; indem
Ihr demselben, Christian Gebers mit Namen, welcher durch
Kriegs- und sonstige Noth in groß Ungemach versetzt wor-
den, jedweden Erlaß an seinen restirenden Mciergefällen ver-
sagt, ihm auch gedroht habt, derowegen seine letzte Kuh pfän-
den zu wollen, wodurch besagter Unser Unterthan in große
Angst gcrathen, weshalb Wir Euch hierüber Unser ernstes
Mißfallen zu erkennen, Uns auch zugleich der bestimmten Er-
wartung hingcben, daß Ihr Euch für die Folge milder gegen
die Amtöeingesessenen, insonderheit aber gegen solche zeigt, so
ohne eigenes Verschulden in Armuth gerathen sind, wie dies
bei den letzten bösen Kriegsläuften gewißlich häufig genug
vorgekommen. — Was die Schuld des oberwähnten Gebers
angeht, so weisen Wir Euch damit an, demselben und zwar
sofort nach Empfang dieses Schreibens zu eröffnen, daß Wir
Uns bewogen gefunden haben, demselben nicht allein die rück-
ständigen Meiergefälle, sondern auch sämmtliche Abgaben für
die Dauer der nächsten zehn Jahre ex gratia zu erlassen.
Hierüber wird Euch von Unserer Kammer noch besondere
Verfügung zugehen.

Im Ucbrigen hoffen Wir, daß Uns über ungerechte
Härte Eurerseits von Unseren Untcrthanen nicht noch einmal
Klagen zu Ohren kommen, in welchem Falle Ihr die strengste
Untersuchung und Strafe zu gewärtigen haben würdet.

Wir bleiben Euch in Gnaden gewogen.

Braunschweig, am 20. Juli 1781.

Carl Wilhelm Ferdinand,
manu propria."

Starr saß der Amtmann da. Das hatte er nicht er-
wartet. Das Blatt entglitt seiner Hand und die freudige
Image description

Werk/Gegenstand/Objekt

Titel

Titel/Objekt
"Aus dem vorigen Jahrhundert"
Weitere Titel/Paralleltitel
Serientitel
Fliegende Blätter
Sachbegriff/Objekttyp
Grafik

Inschrift/Wasserzeichen

Aufbewahrung/Standort

Aufbewahrungsort/Standort (GND)
Universitätsbibliothek Heidelberg
Inv. Nr./Signatur
G 5442-2 Folio RES

Objektbeschreibung

Maß-/Formatangaben

Auflage/Druckzustand

Werktitel/Werkverzeichnis

Herstellung/Entstehung

Entstehungsort (GND)
München

Auftrag

Publikation

Fund/Ausgrabung

Provenienz

Restaurierung

Sammlung Eingang

Ausstellung

Bearbeitung/Umgestaltung

Thema/Bildinhalt

Thema/Bildinhalt (GND)
Schreiber
Amtmann
Schere
Staunen
Tintenfass
Brief <Motiv>
Schuldenerlass
Schreibfeder
Bücherregal
Karikatur
Buch <Motiv>
Satirische Zeitschrift
Thema/Bildinhalt (normiert)
Faust <Motiv>

Literaturangabe

Rechte am Objekt

Aufnahmen/Reproduktionen

Künstler/Urheber (GND)
Universitätsbibliothek Heidelberg
Reproduktionstyp
Digitales Bild
Rechtsstatus
Public Domain Mark 1.0
Creditline
Fliegende Blätter, 47.1867, Nr. 1156, S. 74

Beziehungen

Erschließung

Lizenz
CC0 1.0 Public Domain Dedication
Rechteinhaber
Universitätsbibliothek Heidelberg
 
Annotationen