Redaction: Kaspar Braun und Eduard Zlle. — München, Verlag von Braun & Schneider.
Druck von C. R. Schurich in München.
Hiezu eine Beilage.
j 24 Der Selbstmörder.
Umarmt die nasse Todesbraut,
Löscht seiner Liebe Gluthen.
Und wieder liegt so blank der See,
Wie eine große Perle,
Der Mond durchwebt aus blauer Höh'
Die Krön' der schlanken Erle,
Und küßt mit ihrem bleichen Schein
Den schnell kurirten Thoren
Herr Abel in London.
Herr Abel beschließt zur Vollendung seiner kaufmännischen
Studien nach England zu gehen. In London angelangt, schickt
er zu einer ihm besonders empfohlenen Familie seine Karte, ans
welcher sein Name „Abel" deutlich zu lesen war; einige Tage
später macht er seinen ersten Besuch bei dieser Familie und wird
freundlich ausgenommen, auch eingeladen, seinen Besuch recht
bald zu wiederholen. Sonderbar erschien es ihm nur, daß
man ihn nie bei seinem wirklichen Namen „Abel", sondern
stets „Ebel" nannte. — „Du mußt dich in die Sitten des
Landes fügen," dachte er, „dich aber auch „Ebel" schreiben,
wenn man dich so nennt." — Er läßt daher Karten mit
„Ebel" anfertigen und eine solche bei einer anderen ihm em-
pfohlenen Familie abgeben, bei der er sich — wie cs schicklich
nach kurzer Zeit zum Besuche einfindet und ebenfalls herzlich
empfangen, eigenthümlicher Weise aber immer „Jbel" genannt
ivird. - „Curioscs Volk, diese Engländer," denkt er sich,
„jetzt nennt man mich gar „Jbel." — Doch was hilft's. Er
läßt wiederum andere Karten, diesmal natürlich mit „Jbel"
drucken. Nicht wenig erstaunte er jedoch, als er nach voran-
gcgangener tlebersendung seiner Visitenkarte bei einer dritten
Familie seine Aufwartung macht und hier nun nicht anders
als „Eibrl" genannt wird. — „Das ist doch zu stark, daß ]
die Leute hier," so raisonnirte er innerlich, „nicht einmal meinen
Namen so aussprechen, wie er geschrieben wird." Noch einmal
wollte er es versuchen und die Familie, der sein letzter Besuch
galt, liest auf seiner Karte „Eibcl", nannte ihn aber trotz-
dem „Jbel". Das war ihm zu viel. „Donnerwetter," sagte
er, „ein solch' Volk ist mir noch nicht vorgekommcn. Schreibe ich >
mich „Abel", nennt man mich „Ebel", schreibe ich „Ebel",
bin ich „Jbel", lesen sic „Jbel", höre ich „Eibcl" und
„Eibel" selbst ist wieder „Jbel". — Herrn Abel wird jetzt
übel und er verläßt das Land, wo man nicht einmal die
Namen so aussprechen kann, wie sie — im Deutschen — ge-
schrieben werden.
Mit eingestoßenem Nasenbein!
Der See war zugefroren.
Tilruy.
Z
Druck von C. R. Schurich in München.
Hiezu eine Beilage.
j 24 Der Selbstmörder.
Umarmt die nasse Todesbraut,
Löscht seiner Liebe Gluthen.
Und wieder liegt so blank der See,
Wie eine große Perle,
Der Mond durchwebt aus blauer Höh'
Die Krön' der schlanken Erle,
Und küßt mit ihrem bleichen Schein
Den schnell kurirten Thoren
Herr Abel in London.
Herr Abel beschließt zur Vollendung seiner kaufmännischen
Studien nach England zu gehen. In London angelangt, schickt
er zu einer ihm besonders empfohlenen Familie seine Karte, ans
welcher sein Name „Abel" deutlich zu lesen war; einige Tage
später macht er seinen ersten Besuch bei dieser Familie und wird
freundlich ausgenommen, auch eingeladen, seinen Besuch recht
bald zu wiederholen. Sonderbar erschien es ihm nur, daß
man ihn nie bei seinem wirklichen Namen „Abel", sondern
stets „Ebel" nannte. — „Du mußt dich in die Sitten des
Landes fügen," dachte er, „dich aber auch „Ebel" schreiben,
wenn man dich so nennt." — Er läßt daher Karten mit
„Ebel" anfertigen und eine solche bei einer anderen ihm em-
pfohlenen Familie abgeben, bei der er sich — wie cs schicklich
nach kurzer Zeit zum Besuche einfindet und ebenfalls herzlich
empfangen, eigenthümlicher Weise aber immer „Jbel" genannt
ivird. - „Curioscs Volk, diese Engländer," denkt er sich,
„jetzt nennt man mich gar „Jbel." — Doch was hilft's. Er
läßt wiederum andere Karten, diesmal natürlich mit „Jbel"
drucken. Nicht wenig erstaunte er jedoch, als er nach voran-
gcgangener tlebersendung seiner Visitenkarte bei einer dritten
Familie seine Aufwartung macht und hier nun nicht anders
als „Eibrl" genannt wird. — „Das ist doch zu stark, daß ]
die Leute hier," so raisonnirte er innerlich, „nicht einmal meinen
Namen so aussprechen, wie er geschrieben wird." Noch einmal
wollte er es versuchen und die Familie, der sein letzter Besuch
galt, liest auf seiner Karte „Eibcl", nannte ihn aber trotz-
dem „Jbel". Das war ihm zu viel. „Donnerwetter," sagte
er, „ein solch' Volk ist mir noch nicht vorgekommcn. Schreibe ich >
mich „Abel", nennt man mich „Ebel", schreibe ich „Ebel",
bin ich „Jbel", lesen sic „Jbel", höre ich „Eibcl" und
„Eibel" selbst ist wieder „Jbel". — Herrn Abel wird jetzt
übel und er verläßt das Land, wo man nicht einmal die
Namen so aussprechen kann, wie sie — im Deutschen — ge-
schrieben werden.
Mit eingestoßenem Nasenbein!
Der See war zugefroren.
Tilruy.
Z
Werk/Gegenstand/Objekt
Pool: UB Fliegende Blätter
Titel
Titel/Objekt
"Der Selbstmörder" "Herr Abel in London"
Weitere Titel/Paralleltitel
Serientitel
Fliegende Blätter
Sachbegriff/Objekttyp
Inschrift/Wasserzeichen
Aufbewahrung/Standort
Aufbewahrungsort/Standort (GND)
Inv. Nr./Signatur
G 5442-2 Folio RES
Objektbeschreibung
Maß-/Formatangaben
Auflage/Druckzustand
Werktitel/Werkverzeichnis
Herstellung/Entstehung
Entstehungsort (GND)
Auftrag
Publikation
Fund/Ausgrabung
Provenienz
Restaurierung
Sammlung Eingang
Ausstellung
Bearbeitung/Umgestaltung
Thema/Bildinhalt
Thema/Bildinhalt (GND)
Literaturangabe
Rechte am Objekt
Aufnahmen/Reproduktionen
Künstler/Urheber (GND)
Reproduktionstyp
Digitales Bild
Rechtsstatus
In Copyright (InC) / Urheberrechtsschutz
Creditline
Fliegende Blätter, 56.1872, Nr. 1383, S. 24
Beziehungen
Erschließung
Lizenz
CC0 1.0 Public Domain Dedication
Rechteinhaber
Universitätsbibliothek Heidelberg