Universitätsbibliothek HeidelbergUniversitätsbibliothek Heidelberg
Überblick
loading ...
Faksimile
0.5
1 cm
facsimile
Vollansicht
OCR-Volltext
42

Die Martinsgans.

von Ferne das Geschnatter der gefiederten Tageshelden, der
Retter des Kapitols, eutgegenschalltc. Dort näherte er sich ver-
traulich einer Händlerin und sragte sic nach dem Preise ihrer
fettesten Gans. „Drei Gulden!" war die Antwort, und das
dabei vorgezeigte Kaufobject, ein Prachtexemplar seiner Gatt-
ung, schien dem Lüsternen hinreichend preiswürdig.

braten lassen, um dann mit deren plötzlicher Servirung einen
um so größeren Effect hervorzurufen.

Der Mittag kam, aber cs erschien keine Gans aus der
Tafel des sehnsüchtig harrenden Professors. Statt ihrer figurirte
ein aus den Fleischresten der vorhcrgcgangcnen Woche künstlich
hcrgerichtetes Carbonadengericht.

Als der Professor sich also getäuscht sah, verfinsterte sich
sein Gesicht im höchsten Aerger, und mit schneidender Stimme
srug er seine das Compositum ihm servirende Ehehälfte: „Ei,
Ursula, ich hatte mir mit der Hoffnung geschmeichelt, Du wür-
dest heute Deinen Gatten mit einem hübschen Gänsebraten er-
quicken, wie cs ja au diesem Tage allgemein Sitte ist."

„Ach," cntgegucte die zärtliche Gattin, „ich hatte bereits
auch einen solchen gekauft, allein die Sorge für unser Haus-
wesen, mein lieber Mann, ging mir über den kurzen Geiniß,
den ich Dir zu bereiten gedachte. Ich bin überzeugt, Du lobst
mich, wenn Du erfährst, wie es sich mit dem sehlcudcn Gäuse-
! braten verhält, denn ich habe ein glänzendes Geschäft damit
geniacht!"

„Nun — ?" srug langgedchnt der nichts Gutes ahnende
Ehegatte.

„Hör' und küsse mich dann!" fuhr triumphireud die Gattin
fort. „Vorgestern kaufe ich eine prächtige Gans, die mir eine
Händlerin iu's Haus brachte, für nur einen ©alben und
habe dieselbe heute Morgen der Nachbarin für baarc zivei
Gulden wieder verkauft!" Die Schilderung der häuslichen Scene,

Alsbald zog er den Geldbeutel und sprach zur Händlerin:
„Liebe Frau! Ihr sollt vier Gulden für die Gaus haben, wenn
Ihr sie meiner Frau', der Professorin Zipfelmütz, Nothstraße
Nr. 5, so billig offcrirt, daß sic sich entschließt, einen Gans-
braten herzurichteu. Hier sind drei Gulden und für einen
Gulden ivird sie meine Frau schon anuehmcu. Doch bedinge
I ich mir Verschwiegenheit aus."

Die Verkäuferin, über diesen vortheilhaftcn Handel hoch-
erfreut, strich die ihr gebotenen drei Gulden ein, versprach beste
Besorgung und empfing für ihre Gans noch einen Gulden von
Frau Zipfelmütz, welche, durch die außerordentliche Billigkeit der
Gans bewogen, sich entschloß, ihrem geliebten Ehegatten auch ein
J Vergnügen zu bereiten.

Der Martinstag kam, und sehnsüchtig hoffte der Pro-
fessor schon am frühen Morgen, nun bald dcn lieblichen Ge-
ruch einer gebratenen Gans einznschlürfcn. Aber die Mittags-
! stunde nahte, und noch wollte das ersehnte Aroma sich nicht
! gewahren lassen.

,,Ah!" dachte er, „Deine Frau ist klug; sie will Dir
eine Uebcrrnschung bereiten und hat die Gans gewiß ausivürts

welche sich aus der hierauf folgenden Enthüllung des ergrimmten
Professors über die eigentliche Natur dieses „glänzenden" Ge-
schäfts und aus der Verzweiflung der „sparsamen" Gattin über
dcn erlittenen Verlust entwickelte, dürfen wir der Phantasie des
! geneigten Lesers überlasten.
Bildbeschreibung

Werk/Gegenstand/Objekt

Titel

Titel/Objekt
"Die Martinsgans"
Weitere Titel/Paralleltitel
Serientitel
Fliegende Blätter
Sachbegriff/Objekttyp
Grafik

Inschrift/Wasserzeichen

Aufbewahrung/Standort

Aufbewahrungsort/Standort (GND)
Universitätsbibliothek Heidelberg
Inv. Nr./Signatur
G 5442-2 Folio RES

Objektbeschreibung

Maß-/Formatangaben

Auflage/Druckzustand

Werktitel/Werkverzeichnis

Herstellung/Entstehung

Künstler/Urheber/Hersteller (GND)
Bechstein, Ludwig
Entstehungsort (GND)
München

Auftrag

Publikation

Fund/Ausgrabung

Provenienz

Restaurierung

Sammlung Eingang

Ausstellung

Bearbeitung/Umgestaltung

Thema/Bildinhalt

Thema/Bildinhalt (GND)
Sparsamkeit
Mittagessen
Händler <Motiv>
Missverständnis <Motiv>
Hochschullehrer <Motiv>
Ehefrau <Motiv>
Weinen <Motiv>
Karikatur
Ehekonflikt
Wochenmarkt <Motiv>
Gans <Motiv>
Satirische Zeitschrift

Literaturangabe

Rechte am Objekt

Aufnahmen/Reproduktionen

Künstler/Urheber (GND)
Universitätsbibliothek Heidelberg
Reproduktionstyp
Digitales Bild
Rechtsstatus
Alle Rechte vorbehalten - Freier Zugang
Creditline
Fliegende Blätter, 56.1872, Nr. 1386, S. 42
 
Annotationen