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Der tobte Konsul.
'D°vbcn. Die Herren befanden sich ja nun auch einmal aus
“em Lande — mochte das Wetter da draußen toben wie es
wollte — unjj ej„c ausgelassenere Gesellschaft hatte das alte
Rittergut, seit es stand, nicht gesehen. Zwei Tage später aber
|uf>c die Familie Blickersdorf mit ihren Gästen nach Hamburg
^'ück, aber Blickersdorf hieß von da an, als die Sache ruch-
n,: geworden, in ganz Hamburg nur mehr „der tobte Konsul.
Rüths el.
In stolzem Gluck besteh' ich jederzeit
lind weil' doch gerne bei der ärmsten Leiche.
Ich bin nicht Gott! Und doch gab' cs für dich
Nichts Göttliches, war' ich nicht stets zur Stelle,
Ja selbst der Teufel war' nicht ohne mich
Und ohne mich gäb's Himmel nicht und Hölle.
Riithscl.
i.
Blick' mit Mißachtung nicht herab zu mir,
Steh' ich vor dir auch in der Dornenkrone,
'Denn Könige »nd Kaiser schuf ich dir,
U»b ohne mich süß Keiner auf dem Throne.
Du hast mich oft im Ehrenkleid geschaut
Und hast's auch du in deinem Stolz vergessen,
'-Hoch zeugen tausend Kirchen von mir laut,
Im Kreuze kannst du meine Macht ermessen.
Mein wirklich' Wesen, wie cs ist und war,
Kann in der ganzen Welt dir Keiner zeigen,
Doch in der Zukunft werd' ich dir noch klar.
Die Ewigkeit lvird nimmer mich verschweigen.
Du siehst mich nirgend in der Schöpfung Ball
Und doch bin ich im weiten Welteuraume,
Bergeblich sucht dein Aug' mich jetzt im All,
Das oft mich schaute in der Kindheit Traume.
Im hellsten Schimmer jeder Blick mich trifft,
Und doch bin ich im Dunkel stets geblieben.
Und meinen Namen sagt dir keine Schrift,
Und doch ward ich schon tausendmal geschrieben.
In Stolz und Prahlsucht sprach ich niemals noch,
-U- saht ihr mich in Hochmuth je entbrenne»,
Ich brachte euch der Ehe süßes Joch,
x'u solchen Werken sollt ihr mich erkennen.
Ich bin in dir! ungläubig stolzer Thor!
Ich wohne doch in deinem tiefsten Herze»,
b auch dein Mund so manches Wort verlor.
Du hast's »och nicht vermocht, mich wegzuschcrzcn.
Ich bin den treuen Christen allen kund,
Bon tausend Zungen hörst du laut mich klingen,
Iu frommer Ehrfurcht nennt mich mancher Mund,
Iu Dankbarkeit hörst du mich stets besingen.
^ nim nenn' mich gläubig! denke - - seit ich bin,
Hat nie in Ohnmacht Jemand mich gesehen,
Mill mich in Demuth nennen nicht dein Sinn,
«o wirst du bald im Zorne mich verstehen.
Ich bin des Lebens einziger Beginn,
K»d schaffe Leben überall und Welten;
Kein Lufthauch ist, desj' Schöpfer ich nicht bin,
Ihr könnt mir meine Güte nie vergelten.
Ich prange längst in Glanz und Herrlichkeit.
Kud doch ist stets mein Sein dasselbe Gleiche,
Und riechst du nun die Zeichen alle vier.
Wie sie — je Eins aus jedem Lied erstehen.
So gönn' ich gerne das Vergnügen dir,
Vereint zu einem Ganzen sie zu sehen.
Das wird dann noch das Wunderbarste sein.
Denn es ist dick und dünn und schniuck und dreckig
lind klug und dumm und gut und doch gemein
Und alt und jung und fein geleckt und eckig.
Auch groß und klein; geliebt bald, bald gehaßt
Und auch beweint von mancher Thrünenperl'
Und dach — hat richtig es dein Sinn erfaßt.
Sagst du gewiß — es ist ein ganzer Kerl!
(Auflösung iu nächster Nummer.) ä. ». Reichert.
Ein Tiroler Salomo.
In dem Kirchlein eines kleinen südtirolischen Dorfes, wel-
ches sich keines eigenen Geistlichen erfreut, wird an hohen Fest-
tagen seit uralter Zeit durch de» Kaplan des nahe gelegenen
! Pfarrdorfes eine Nachmittagspredigt abgehalte» und hiefür von
j der Gemeinde an den Geistlichen eine „Ergczlichkeit" — wie
! sich die alten Gemeinderechnungen ausdriicken — von 2 fl. be-
I zahlt. Als nun kürzlich ein Wechsel in der Person des Kaplans
eintrat, glaubte der neue Kaplan eine Erhöhung dieser „Er-
gezlichkeit" verlangen zu sollen, von der Meinung ausgehend,
daß wenn Alles auf der Welt theurer geworden sei, billiger-
weise auch eine Predigt mehr gelten müsse als früher und ver-
langte fürderhin 3 fl. In der ob dieses Ansinnens zusammen
getretenen Gemeindeversammlung sprachen sich nun zwar die
meisten der Anwesenden dahin aus, daß sie die Predigt, die
nun einmal seit länger als Menschengedenken gehalten werde,
nicht gerne missen möchten, zumal mau auch nicht sicher sei, ob
derlei Aenderungen im Gottesdienste nicht üble Folgen, als da
sind: Mäusefraß, Engerlinge u. s. w. nach sich ziehen könnten.
Dagegen zeigte sich eine ebenso große Abneigung gegen eine
Erhöhung der „Ergezlichkcit", deren bisherige Größe die Bauern
schon durch die Länge der Zeit für gefeit erachteten. Als nun
nach langem Hin- und Herreden immer noch kein Beschluß ge-
faßt war, was denn dem Kaplan zu antworten sei, erhob sich
der Hieraukel-Sepp, ein alter Holzknecht, welcher zwar in den
Künsten des Lesens und Schreibens wenig erfahren war, da-
gegen bei Ausübung seines im Gebirge mit vielen Fährlich-
! leiten verknüpften Berufes schon zahlreiche Beweise von seinem
Praktischen Blick, seinem gesunden Menschenverstand gegeben hatte.
„Ös Mander," sagt der Hieraukel-Sepp, »'»ei G sinnung dia
waar a so: i moanet, der Vorsteher sollt eam schreib'», daß d'
Gmoau dia Predigt nit auslaßt, und daß der Kaplan am
Himmelfahrlstag, >vo 's nächste Mal trifft, fei» g'wiß kommen
und predigen soll; wann er aber nachher moanet, es waar gnua
i
Der tobte Konsul.
'D°vbcn. Die Herren befanden sich ja nun auch einmal aus
“em Lande — mochte das Wetter da draußen toben wie es
wollte — unjj ej„c ausgelassenere Gesellschaft hatte das alte
Rittergut, seit es stand, nicht gesehen. Zwei Tage später aber
|uf>c die Familie Blickersdorf mit ihren Gästen nach Hamburg
^'ück, aber Blickersdorf hieß von da an, als die Sache ruch-
n,: geworden, in ganz Hamburg nur mehr „der tobte Konsul.
Rüths el.
In stolzem Gluck besteh' ich jederzeit
lind weil' doch gerne bei der ärmsten Leiche.
Ich bin nicht Gott! Und doch gab' cs für dich
Nichts Göttliches, war' ich nicht stets zur Stelle,
Ja selbst der Teufel war' nicht ohne mich
Und ohne mich gäb's Himmel nicht und Hölle.
Riithscl.
i.
Blick' mit Mißachtung nicht herab zu mir,
Steh' ich vor dir auch in der Dornenkrone,
'Denn Könige »nd Kaiser schuf ich dir,
U»b ohne mich süß Keiner auf dem Throne.
Du hast mich oft im Ehrenkleid geschaut
Und hast's auch du in deinem Stolz vergessen,
'-Hoch zeugen tausend Kirchen von mir laut,
Im Kreuze kannst du meine Macht ermessen.
Mein wirklich' Wesen, wie cs ist und war,
Kann in der ganzen Welt dir Keiner zeigen,
Doch in der Zukunft werd' ich dir noch klar.
Die Ewigkeit lvird nimmer mich verschweigen.
Du siehst mich nirgend in der Schöpfung Ball
Und doch bin ich im weiten Welteuraume,
Bergeblich sucht dein Aug' mich jetzt im All,
Das oft mich schaute in der Kindheit Traume.
Im hellsten Schimmer jeder Blick mich trifft,
Und doch bin ich im Dunkel stets geblieben.
Und meinen Namen sagt dir keine Schrift,
Und doch ward ich schon tausendmal geschrieben.
In Stolz und Prahlsucht sprach ich niemals noch,
-U- saht ihr mich in Hochmuth je entbrenne»,
Ich brachte euch der Ehe süßes Joch,
x'u solchen Werken sollt ihr mich erkennen.
Ich bin in dir! ungläubig stolzer Thor!
Ich wohne doch in deinem tiefsten Herze»,
b auch dein Mund so manches Wort verlor.
Du hast's »och nicht vermocht, mich wegzuschcrzcn.
Ich bin den treuen Christen allen kund,
Bon tausend Zungen hörst du laut mich klingen,
Iu frommer Ehrfurcht nennt mich mancher Mund,
Iu Dankbarkeit hörst du mich stets besingen.
^ nim nenn' mich gläubig! denke - - seit ich bin,
Hat nie in Ohnmacht Jemand mich gesehen,
Mill mich in Demuth nennen nicht dein Sinn,
«o wirst du bald im Zorne mich verstehen.
Ich bin des Lebens einziger Beginn,
K»d schaffe Leben überall und Welten;
Kein Lufthauch ist, desj' Schöpfer ich nicht bin,
Ihr könnt mir meine Güte nie vergelten.
Ich prange längst in Glanz und Herrlichkeit.
Kud doch ist stets mein Sein dasselbe Gleiche,
Und riechst du nun die Zeichen alle vier.
Wie sie — je Eins aus jedem Lied erstehen.
So gönn' ich gerne das Vergnügen dir,
Vereint zu einem Ganzen sie zu sehen.
Das wird dann noch das Wunderbarste sein.
Denn es ist dick und dünn und schniuck und dreckig
lind klug und dumm und gut und doch gemein
Und alt und jung und fein geleckt und eckig.
Auch groß und klein; geliebt bald, bald gehaßt
Und auch beweint von mancher Thrünenperl'
Und dach — hat richtig es dein Sinn erfaßt.
Sagst du gewiß — es ist ein ganzer Kerl!
(Auflösung iu nächster Nummer.) ä. ». Reichert.
Ein Tiroler Salomo.
In dem Kirchlein eines kleinen südtirolischen Dorfes, wel-
ches sich keines eigenen Geistlichen erfreut, wird an hohen Fest-
tagen seit uralter Zeit durch de» Kaplan des nahe gelegenen
! Pfarrdorfes eine Nachmittagspredigt abgehalte» und hiefür von
j der Gemeinde an den Geistlichen eine „Ergczlichkeit" — wie
! sich die alten Gemeinderechnungen ausdriicken — von 2 fl. be-
I zahlt. Als nun kürzlich ein Wechsel in der Person des Kaplans
eintrat, glaubte der neue Kaplan eine Erhöhung dieser „Er-
gezlichkeit" verlangen zu sollen, von der Meinung ausgehend,
daß wenn Alles auf der Welt theurer geworden sei, billiger-
weise auch eine Predigt mehr gelten müsse als früher und ver-
langte fürderhin 3 fl. In der ob dieses Ansinnens zusammen
getretenen Gemeindeversammlung sprachen sich nun zwar die
meisten der Anwesenden dahin aus, daß sie die Predigt, die
nun einmal seit länger als Menschengedenken gehalten werde,
nicht gerne missen möchten, zumal mau auch nicht sicher sei, ob
derlei Aenderungen im Gottesdienste nicht üble Folgen, als da
sind: Mäusefraß, Engerlinge u. s. w. nach sich ziehen könnten.
Dagegen zeigte sich eine ebenso große Abneigung gegen eine
Erhöhung der „Ergezlichkcit", deren bisherige Größe die Bauern
schon durch die Länge der Zeit für gefeit erachteten. Als nun
nach langem Hin- und Herreden immer noch kein Beschluß ge-
faßt war, was denn dem Kaplan zu antworten sei, erhob sich
der Hieraukel-Sepp, ein alter Holzknecht, welcher zwar in den
Künsten des Lesens und Schreibens wenig erfahren war, da-
gegen bei Ausübung seines im Gebirge mit vielen Fährlich-
! leiten verknüpften Berufes schon zahlreiche Beweise von seinem
Praktischen Blick, seinem gesunden Menschenverstand gegeben hatte.
„Ös Mander," sagt der Hieraukel-Sepp, »'»ei G sinnung dia
waar a so: i moanet, der Vorsteher sollt eam schreib'», daß d'
Gmoau dia Predigt nit auslaßt, und daß der Kaplan am
Himmelfahrlstag, >vo 's nächste Mal trifft, fei» g'wiß kommen
und predigen soll; wann er aber nachher moanet, es waar gnua
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