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Brausepulver
Der Expeditor lachte, Thilde zog die Börse und Gisa
stellte im Geheimen Vergleiche zwischen Apotheker- und Schreiber-
| Blond an, als eine den Mädchen nur zu bekannte Stimme
j hinter ihnen frag: „Briese da?"
»Ja, Herr Gras!" antwortete der Expeditor und langte
ein Paket aus einem Schubfach seines Schreibpultes, cs denr
Manne überreichend, dessen Cachenez diesmal ganz lose um
einen sammtnen Rockkragen gelegt, das hübscheste Kinn scheu
ließ, welches je ein schwarzes Bärtchen geziert.
Gisa hatte einen leisen Schrei der Ucberraschung ausge-
stoßeu, Thilde aber blos einen Athcmzug gethau, diesen aber
aus tiefster Brust; fürchtete sie doch 511 ersticken unter dem Blut-
strom, der aus dem Herzen nach der Stirne quoll. Sie war
ja schon verliebt, die Heldin von ci-devant, diesem wunder-
vollen Errötheu gegenüber galt kein Leugnen mehr.
Und es verbeugte sich ehrfurchtsvoll das Cachenez, die
schwarzen Gluthangcu bohrten sich tief in Thildchens Seele und
ein: „Guten Tag, meine Damen!" erklang, dessen Echo tau-
sendfach widcrhallte in der keuschesten Müdchenbrust.
Verwirrt und verlegen eilte Thilde ans dem Lokale, als
liabc sic irgend eine Sünde dort begangen imd Gisa, diesmal
die Klügere, trabte kopfschüttelnd hinter ihr drein.
Erst als sic außer Sichtivcite sich befanden, hielt Thild-
chen still im Laufe, indem sie mit fliegendem Athcm frag: „Hast
Du ihn gesehen? Ach, wie wunderhübsch er am Tage ist!"
„Es ist anszuhalteu mit der Schönheit," murmelte, das
Mäulchen verziehend, die Cousine. „Er hat zu roihc Backen,
i Cavaliere müssen elender aussehen, um distinguirt zu erscheinen."
„Ach, warum ist er doch Graf!" murmelte in sich ver-
sunken Thilde, ohne die boshafte Bemerkung der Freundin ge-
hört zu haben.
Und >vic im Traume glitt sic die Treppe hinauf, die zu
ihrer Stube führte, sich dort in den alten Lehnstuhl ivcrfend,
der die Urgroßmutter »och gekannt, und die Hände faltend über
dem kleinen Herzchen, das jetzt so gewaltsam pochte.
Gisa, ivclchc die Cousine von Ferne neckisch beobachtet
hatte, glitt jetzt leise zu der Freundin, neigte das schelmische
j Köpfchen au deren Wange und indem sie eine von Thildens
laugcn schwarzen Locken sich quer unter das Naschen zog, so
daß diese einen Schnurrbart bildete, flüsterte sie schwärmerisch:
„Küsse mich, Geliebte! ich bin jetzt der schwarze Gras!"
„Den Erstbesten nehme ich, der sich mir offcrirt, das
schwöre ich Dir!" schrie der alte Fröbel seiner Ehehälfte zu,
als diese ihn darauf varbcrcitcn ivollte, daß sich wohl mehr
Concurrcutcn für die bewußte Apothckerstclle melden würden,
als ihm erwünscht wäre.
„Hast Du s dem Mädel gesagt, daß es gleich herunter
kömmt, wenn ich Auskunft brauche?" setzte der Alte hinzu.
„Nein, Vater, erwiderte entschuldigend die Gattin, „aber
ich werde sie rufen, sobald Tu ihrer bedarfst."
Dieses kurze Gespräch wurde au jenem Morgen zwischen
dem Fröbcl'schcn Ehepaar geführt, an welchem das gewisse In-
serat zum ersten Male im Blatte erschien. Der Rcchnungsrath
u n d Cognac.
machte eine essigsaure Miene, so widerwärtig dünkten ihm d>"
in Aussicht steheudcu Debatten.
Es war in den Nachmittagsstunden. Thilde und Gst»
hatten eben einen rührenden Brief an die Mutter der Letzteren j
vollendet, worin flehentlich um Aufschub der Abreise gebeten i
wurde, als Frau Fröbel in das Zimmer der Mädchen trat und
Gisa auffordcrte, zum Onkel zu kommen, um ihm über ciuig"-
die Verhältnisse ihrer Geburtsstadt betreffende Angelegenheiten
Auskunft zu ertheileu.
Bereitwillig folgte die Kleine, Thildchcn noch eine Kuß*
Hand zuwerfend und lachte herzlich, als die gute Tante ihr die
wilden Locken aus der Stirne streichend, bemerkte: „Wie Tn
wieder aussiehst!"
„Schadet nichts, Tantchen," lachte Gisa, „Onkels Er*
obcruug machte ich ja doch nicht und wenn ich frisirt kväre;
wie eine Zuckcrpuppc!" Dabei stürmte sie nach des Rechnung-*
raths Zimmer, um nur ja recht rasch befreit zu sein von de-
Altcn Unterhaltung.
Wie schnell aber wäre sie gerne wieder hinansgefahre»
zu derselben Thürc, deren Klinke sic noch in dem Händche»
hielt und wie viel hätte sie jetzt darum gegeben, wenn da-
schändliche Roth von ihren Wangen gewichen wäre, das j»
noch um vieles höher war als jenes, um desscutwillen sie Thu*
dcns Ideal geschmäht.
Wen aber hatten ihre Vergißmeinnichtaugcn mit wonnige»'
Entsetzen erschaut — wer war es, der dort in ebenbürtige'» ;
Farbenwechsel dem alten Onkel gegenüber saß und der de»
zwischen den Beinen gehaltenen Cylindcr beim Eintritt de-
Mädchens zur Erde fallen ließ, daß er zeitlebens eine Beim
behalten sollte?"
Der Apotheker war cs.
Wie kam der hierher, was ivollte er beim Onkel und wo*
zu ward sic geholt? Sollte er um ihr geheimes Interesse s»'
ihn wissen und dasselbe erwidernd, vielleicht etiva gar bei»'
Onkel um ihre Hand anhaltcu wollen!
Diese Gedanken fuhren >vic Blitze durch ihr jugendlich""
Gehirn und machten das Jncarnat auf ihren Wangen um ci»'Öc
Schattirnngen schärfer.
„Komm' her, Gisa," herrschte ihr jetzt der Onkel zu, „u»b
gib Auskunft! Meine »lichte — Herr Wcigclsberg, Apotheker,
fügte er kurz hinzu.
„Mein Fräulein," stotterte der Gekräuselte und wollte cbe»
Gisa's Hand an seine Lippen ziehen, als ein: „Nicht »oth"
wendig, thut's umsonst!" des Alten, in seiner bärbeißig"''
Manier gesprochen, ihn rasch das Hündchen fallen ließ, welch""
sich schon zu einem leisen Gegendruck vorbereitet hatte.
„Der Herr will Euere Apotheke übernehme», wünscht ab"'
wie natürlich erst Näheres über das Au- und Uuang^rch»»
Eueres Nestes zu wissen. Mach's schnell und sei offen, daß
er keine zu blauen Berge von dort träumt."
So faßte sich kurz der Rechnungsrath und hatte dal"'
kein Auge gehabt für die cigcnthümliche Verklärung, welä»
über das liebliche Gesichtchen der Augesprvchenen sich verbreit
hatte und ivclches dem Apotheker, wenn auch keine blauen Bcrö"'
Brausepulver
Der Expeditor lachte, Thilde zog die Börse und Gisa
stellte im Geheimen Vergleiche zwischen Apotheker- und Schreiber-
| Blond an, als eine den Mädchen nur zu bekannte Stimme
j hinter ihnen frag: „Briese da?"
»Ja, Herr Gras!" antwortete der Expeditor und langte
ein Paket aus einem Schubfach seines Schreibpultes, cs denr
Manne überreichend, dessen Cachenez diesmal ganz lose um
einen sammtnen Rockkragen gelegt, das hübscheste Kinn scheu
ließ, welches je ein schwarzes Bärtchen geziert.
Gisa hatte einen leisen Schrei der Ucberraschung ausge-
stoßeu, Thilde aber blos einen Athcmzug gethau, diesen aber
aus tiefster Brust; fürchtete sie doch 511 ersticken unter dem Blut-
strom, der aus dem Herzen nach der Stirne quoll. Sie war
ja schon verliebt, die Heldin von ci-devant, diesem wunder-
vollen Errötheu gegenüber galt kein Leugnen mehr.
Und es verbeugte sich ehrfurchtsvoll das Cachenez, die
schwarzen Gluthangcu bohrten sich tief in Thildchens Seele und
ein: „Guten Tag, meine Damen!" erklang, dessen Echo tau-
sendfach widcrhallte in der keuschesten Müdchenbrust.
Verwirrt und verlegen eilte Thilde ans dem Lokale, als
liabc sic irgend eine Sünde dort begangen imd Gisa, diesmal
die Klügere, trabte kopfschüttelnd hinter ihr drein.
Erst als sic außer Sichtivcite sich befanden, hielt Thild-
chen still im Laufe, indem sie mit fliegendem Athcm frag: „Hast
Du ihn gesehen? Ach, wie wunderhübsch er am Tage ist!"
„Es ist anszuhalteu mit der Schönheit," murmelte, das
Mäulchen verziehend, die Cousine. „Er hat zu roihc Backen,
i Cavaliere müssen elender aussehen, um distinguirt zu erscheinen."
„Ach, warum ist er doch Graf!" murmelte in sich ver-
sunken Thilde, ohne die boshafte Bemerkung der Freundin ge-
hört zu haben.
Und >vic im Traume glitt sic die Treppe hinauf, die zu
ihrer Stube führte, sich dort in den alten Lehnstuhl ivcrfend,
der die Urgroßmutter »och gekannt, und die Hände faltend über
dem kleinen Herzchen, das jetzt so gewaltsam pochte.
Gisa, ivclchc die Cousine von Ferne neckisch beobachtet
hatte, glitt jetzt leise zu der Freundin, neigte das schelmische
j Köpfchen au deren Wange und indem sie eine von Thildens
laugcn schwarzen Locken sich quer unter das Naschen zog, so
daß diese einen Schnurrbart bildete, flüsterte sie schwärmerisch:
„Küsse mich, Geliebte! ich bin jetzt der schwarze Gras!"
„Den Erstbesten nehme ich, der sich mir offcrirt, das
schwöre ich Dir!" schrie der alte Fröbel seiner Ehehälfte zu,
als diese ihn darauf varbcrcitcn ivollte, daß sich wohl mehr
Concurrcutcn für die bewußte Apothckerstclle melden würden,
als ihm erwünscht wäre.
„Hast Du s dem Mädel gesagt, daß es gleich herunter
kömmt, wenn ich Auskunft brauche?" setzte der Alte hinzu.
„Nein, Vater, erwiderte entschuldigend die Gattin, „aber
ich werde sie rufen, sobald Tu ihrer bedarfst."
Dieses kurze Gespräch wurde au jenem Morgen zwischen
dem Fröbcl'schcn Ehepaar geführt, an welchem das gewisse In-
serat zum ersten Male im Blatte erschien. Der Rcchnungsrath
u n d Cognac.
machte eine essigsaure Miene, so widerwärtig dünkten ihm d>"
in Aussicht steheudcu Debatten.
Es war in den Nachmittagsstunden. Thilde und Gst»
hatten eben einen rührenden Brief an die Mutter der Letzteren j
vollendet, worin flehentlich um Aufschub der Abreise gebeten i
wurde, als Frau Fröbel in das Zimmer der Mädchen trat und
Gisa auffordcrte, zum Onkel zu kommen, um ihm über ciuig"-
die Verhältnisse ihrer Geburtsstadt betreffende Angelegenheiten
Auskunft zu ertheileu.
Bereitwillig folgte die Kleine, Thildchcn noch eine Kuß*
Hand zuwerfend und lachte herzlich, als die gute Tante ihr die
wilden Locken aus der Stirne streichend, bemerkte: „Wie Tn
wieder aussiehst!"
„Schadet nichts, Tantchen," lachte Gisa, „Onkels Er*
obcruug machte ich ja doch nicht und wenn ich frisirt kväre;
wie eine Zuckcrpuppc!" Dabei stürmte sie nach des Rechnung-*
raths Zimmer, um nur ja recht rasch befreit zu sein von de-
Altcn Unterhaltung.
Wie schnell aber wäre sie gerne wieder hinansgefahre»
zu derselben Thürc, deren Klinke sic noch in dem Händche»
hielt und wie viel hätte sie jetzt darum gegeben, wenn da-
schändliche Roth von ihren Wangen gewichen wäre, das j»
noch um vieles höher war als jenes, um desscutwillen sie Thu*
dcns Ideal geschmäht.
Wen aber hatten ihre Vergißmeinnichtaugcn mit wonnige»'
Entsetzen erschaut — wer war es, der dort in ebenbürtige'» ;
Farbenwechsel dem alten Onkel gegenüber saß und der de»
zwischen den Beinen gehaltenen Cylindcr beim Eintritt de-
Mädchens zur Erde fallen ließ, daß er zeitlebens eine Beim
behalten sollte?"
Der Apotheker war cs.
Wie kam der hierher, was ivollte er beim Onkel und wo*
zu ward sic geholt? Sollte er um ihr geheimes Interesse s»'
ihn wissen und dasselbe erwidernd, vielleicht etiva gar bei»'
Onkel um ihre Hand anhaltcu wollen!
Diese Gedanken fuhren >vic Blitze durch ihr jugendlich""
Gehirn und machten das Jncarnat auf ihren Wangen um ci»'Öc
Schattirnngen schärfer.
„Komm' her, Gisa," herrschte ihr jetzt der Onkel zu, „u»b
gib Auskunft! Meine »lichte — Herr Wcigclsberg, Apotheker,
fügte er kurz hinzu.
„Mein Fräulein," stotterte der Gekräuselte und wollte cbe»
Gisa's Hand an seine Lippen ziehen, als ein: „Nicht »oth"
wendig, thut's umsonst!" des Alten, in seiner bärbeißig"''
Manier gesprochen, ihn rasch das Hündchen fallen ließ, welch""
sich schon zu einem leisen Gegendruck vorbereitet hatte.
„Der Herr will Euere Apotheke übernehme», wünscht ab"'
wie natürlich erst Näheres über das Au- und Uuang^rch»»
Eueres Nestes zu wissen. Mach's schnell und sei offen, daß
er keine zu blauen Berge von dort träumt."
So faßte sich kurz der Rechnungsrath und hatte dal"'
kein Auge gehabt für die cigcnthümliche Verklärung, welä»
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