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Das Gelübd e.

dessen alle Anderen sich hinten anstemmen, und unter Fluchen
und Heulen den Wagen anschieben, dann kommt das schwere
Fuhrwerk endlich doch über den Berg, und kann dann auf der
ebenen Straße flott weiter humpeln. — Ungefähr so machten
es auch die Angehörigen des Trinkers im Verein mit allen
übrigen Vettern, Freunden und Nachbarn desselben. In ihrer
großen Angst um ihn erhoben sic allesammt eine Art von Tcm-
peranz-Geschrci, noch che dieses drüben in Amerika erfunden

worden war. Sie umringten ihn fortwährend in großen Haufen,
und schrien so laut und so lange, er solle «blassen vom Trinken,
daß ihm der Kopf zerspringen wollte; und um sich endlich Ruhe
zu verschaffen, legte er vor aller Freundschaft feierlich das Gelübde
ab, keinen Branntwein mehr zu trinken.

Den besorgten Leuten fiel ein Stein vom Herzen, und nur
noch eine kurze Weile hatte er ihr betäubendes Frcndengejauchzc

zu ertragen, dann aber verließen sie ihn, und jeder ging seinen
Geschäften nach, überzeugt, daß Reb Jaikef Drehkopp von nun
an keinen Branntwein mehr trinken werde. Denn ein Gelübde
ist ein starkes, sicheres Vorlegeschloß, zu dem Gott allein den
Schlüssel in der Hand hat.

Und wirklich kam van der Stunde au kein Tropfen Brannt-
wein mehr über die Lippen des Reb Jaikef Drehkopp. Freilich
brannte ihn der Schnaps, den er nicht trank, mehr, als wenn
er wahrhaftiges Scheidcwasser getrunken hätte; aber er hielt fest
aus, denn er hatte ja Gott sein Wort verpfändet, und das
mußte gehalten werden, wenn er auch darüber zu Grunde gehen
müßte. Davon fehlte aber auch wirklich nicht gar viel; es
ging stark bergab mit ihm, denn gar nicht trinken, das schadete
ihm noch mehr, als zu viel trinken. Er magerte ab, seine
Ringellocken verloren ihren Schwung und hingen schlaff der
Länge nach herab, seine Augen zogen sich immer tiefer in ihre
Höhlen zurück, und seine Geschäfte gingen matt, wie sein Puls.

Neuer Schrecken und Jammer von allen Seiten über die
Krankheit des armen Mannes. Die Mittel eines „Wunderrabbi",
der für gutes Geld heilsame Talismane austheilte, nützten nichts,
und endlich holte man den Doktor. — Dieser befragt den
Patienten nach seinen Gewohnheiten und seiner Lebensweise, und
kommt so darauf, daß diesem Menschen durch einen mäßigen
Alkohol-Genuß tviedcr auf die Beine geholfen werden könne;
er empfahl ihm daher, täglich ein, zwei Gläschen gesunden
Branntwein zu sich zu nehmen.

„Nein, nein, nein, das geht nicht!" schreit der Patient
erschrocken auf, und erzählt dem Doktor von seinem Gelübde.

„Es ist Euch aber nun einmal nicht anders zu helfen",
sagt der Doktor, „und cs kann keine Sünde sein, von einem
Gelübde abzuweichen, wenn es sich um Gesundheit und Leben
handelt."

Der Patient schüttelt den Kopf und macht eine Miene,
wie Einer, der sich nicht zu helfen weiß. Auf der einen
Seite die schöne Mcdicin und die in Aussicht gestellte Gesund-
heit, auf der andern die Furcht vor der Strafe, die ihn sicher
trifft, wenn er sein heiliges Gelübde bricht.

Der Doktor hält den schönen Knopf seines Stockes an
die Nase, und sagt nach einigem Uebcrlegen:

„Seid ohne Sorge, wenn Euch zwei Männer halten,
so daß Ihr Euch nicht wehren könnt, und man Euch mit
Gewalt, ein einziges Gläschen Branntwein in den Mund
schüttet, dann habt Ihr die Medici» im Magen und doch nicht
selbst Euer Gelübde gebrochen."

„Nein, nein, nein," schreit der Patient „nicht so, so nicht!"

„Nun, wie soll Euch aber denn geholfen werden?" fragt
der Doktor.

„Einer soll mich nur halten, und zwei Gläser Brannt-
wein soll man mir eingießen."
Bildbeschreibung

Werk/Gegenstand/Objekt

Titel

Titel/Objekt
"Das Gelübde"
Weitere Titel/Paralleltitel
Serientitel
Fliegende Blätter
Sachbegriff/Objekttyp
Grafik

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Aufbewahrungsort/Standort (GND)
Universitätsbibliothek Heidelberg
Inv. Nr./Signatur
G 5442-2 Folio RES

Objektbeschreibung

Maß-/Formatangaben

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Werktitel/Werkverzeichnis

Herstellung/Entstehung

Entstehungsort (GND)
München

Auftrag

Publikation

Fund/Ausgrabung

Provenienz

Restaurierung

Sammlung Eingang

Ausstellung

Bearbeitung/Umgestaltung

Thema/Bildinhalt

Thema/Bildinhalt (GND)
Fremdbild
Flasche
Verwandtschaft <Motiv>
Bitte <Motiv>
Nachbar <Motiv>
Israel
Juden
Abstinenz <Motiv>
Alkoholkonsum <Motiv>
Tragetuch
Gelübde
Karikatur
Kind <Motiv>
Handgeste
Alkoholmissbrauch <Motiv>
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Künstler/Urheber (GND)
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Fliegende Blätter, 63.1875, Nr. 1578, S. 122
 
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