Universitätsbibliothek HeidelbergUniversitätsbibliothek Heidelberg
Überblick
loading ...
Faksimile
0.5
1 cm
facsimile
Vollansicht
OCR-Volltext
114

Die famose Felddienstübnng.

Schelm, wie mir noch keiner vorgekommen ist. Ich bin noch
heute der festen Ueberzeugung, daß der Kerl mit Absicht gegen
meine Intentionen handelte, obgleich er stets ein so dummes
Gesicht machte, daß ich oft in Ztvcifel gerieth, wie ich mit ihm
daran war. Es wäre indessen noch Alles gut gewesen, wenn
der Wichshnber nur nicht eine so verzwickt lächerliche Nase ge-
habt hätte. Sie war mindestens ihre 9 Centimeter lang und
glühte ivie ein brennender Kienspahn. Da er nun auch die
üble Angewohnheit hatte, den Kops so weit als möglich vor-
zustrecken, war an einen einigermaßen leidlichen Parademarsch
des fünften Zuges nie zu denken. Die entsetzliche Nase sprang
tvic ein riesiger feuriger Nagel an der glatten Soldatenmauer
vor. Bei einer Parade, die wir einmal vor einem fremden
Souvcrain hatten, sagte der Corpskommandeur zu mir: „Es
war Alles ganz gut, Major Kreuzschnabel, bis auf die verflixte
Pcchfackcl im fünften Zuge. Geht's denn absolut nicht ohne
sie? Richtige Soldaten, sollt' ich meinen, möchten ihren Weg
auch im Dunkeln finden!"

Was hatte ich schon für Sottisen ans die „Pcchfackel" los-
gelassen. Es war Alles vergeblich gewesen. Der Wichshnber
änderte sich ebensowenig, wie seine Riesengurkc, die mir den
besten Parademarsch verhunzte. —

Wenn ich nun so eine halbe Stunde lang ans die mangel-
hafte Richtung meines Bataillons raisonnirt hatte, dann stand
dieses freilich so einigermaßen, und auch der Wichshnber hatte
so ziemlich Vordermann gefaßt.

Zwei Brigaden sollten gegen einander manöveriren. Artillerie,
Kavallerie und Pioniere waren jeder Abtheilung in entsprechender
Stärke beigegeben. Wir waren zur bestimmten Zeit aufgebrochen.
Kurz vor dem Beginn des Manövers berief unser General die
Herren Stabsoffiziere, um ihnen die General-Idee vorzulesen.

Die Herren flogen von allen Seiten auf den gefürchteten
Kommandeur zu. Ich natürlich mit. Aber ich hatte eine ver-
flixte Kracke von Pferd. Ungefähr zwanzig Schritte von dem
General entfernt, bockte cs und war nicht van der Stelle zu
bringen. Verzwciflnngsvoll stieß ich ihm die Sporen in die
Seiten. Da jagte cs wie toll mitten in den Schwarm der

Offiziere hinein. Der Schwarm stob entsetzt auseinander. Mein
Gaul flog in tollen Sprüngen durch Dick und Dünn. Ich
natürlich mit. Schließlich stürzte dieser Teufel von einem Rappen
in einen breiten Graben hinein. Ich natürlich mit, und als
wir uns aus dem Sumpf herausgearbeitet hatten, war ich über
und über mit Entengrütze bedeckt. Aus dem Jnfanteriemajor
war ein Jägermajor geworden. — „Das fängt gut an", dachte
ich, als ich endlich zu dem versammelten Offiziercorps zurückritt,
„die Nase, die ich heute davontragen tverde, wird die Concnrrenz
mit Wichshübcr's Elephantenrüssel aufnehmen können."

Der General hatte mich unausgesetzt beobachtet, und er
hatte ein Gesicht dabei gemacht, wie Jemand, der in die Bc-
trachtung eines unerklärlichen Phänomens vertieft ist. Hinterher
erfuhr ich, daß er halblaut zu seiner nächsten Umgebung gesagt
hatte: „Merkwürdiger Kerl, dieser Kreuzschnabel, ein merk-
würdiger Kerl!"

Nach einem kurzen, aber vielsagenden Stillschweigen, ver-
lasen der Herr General nunmehr die sogenannte General-Idee.
Es war die alte bekannte Geschichte von dem Ostkorps und
dem Westkorps, und der Teufel soll mich holen, wenn ich eine
Silbe davon verstand. Ein Westkorps näherte sich in der
Richtung vyn Dingsda und ein Ostkorps hatte die Bestimmung,
ein Südkorps zu entsetzen, das in der Gegend von Dingsda
stand. Das Ostkorps sollte, in Verbindung mit dem Südkorps,
eine Umzingelung des Westkorps versuchen, und das Wcstkorps
sollte durch Zwischenschiebnng diese Verbindung zu verhindern
suchen u. s. w.

Unser General kommandirte das Ostkorps, und als er
mit dem Verlesen zu Ende war, pflog er mit seinen Manne»
Kriegsrath, und cs begann eine respektable Debatte, in welches
ich manches gcschcidtc Wort zu hören bekam. Nur schade, daß
ich nichts davon verstand. Ich schwieg denn auch mäuschenstill.
Ans meinem sündigen Klepper zusammcngeduckt, hörte ich an-
dächtig zu, wie die Andern diskutierten. Was hätte ich den»
auch Anderes thun können? Ich bin fest überzeugt, sowie ich
nur den Mund aufgethan hätte, tvürde mich Jedermann ganz
verblüfft angeglotzt haben, und der Herr General zumeist, und
Bildbeschreibung

Werk/Gegenstand/Objekt

Titel

Titel/Objekt
"Die famose Felddienstübung"
Weitere Titel/Paralleltitel
Serientitel
Fliegende Blätter
Sachbegriff/Objekttyp
Grafik

Inschrift/Wasserzeichen

Aufbewahrung/Standort

Aufbewahrungsort/Standort (GND)
Universitätsbibliothek Heidelberg
Inv. Nr./Signatur
G 5442-2 Folio RES

Objektbeschreibung

Maß-/Formatangaben

Auflage/Druckzustand

Werktitel/Werkverzeichnis

Herstellung/Entstehung

Künstler/Urheber/Hersteller (GND)
Nagel, Ludwig von
Entstehungsdatum
um 1882
Entstehungsdatum (normiert)
1877 - 1887
Entstehungsort (GND)
München

Auftrag

Publikation

Fund/Ausgrabung

Provenienz

Restaurierung

Sammlung Eingang

Ausstellung

Bearbeitung/Umgestaltung

Thema/Bildinhalt

Thema/Bildinhalt (GND)
Karikatur
Satirische Zeitschrift

Literaturangabe

Rechte am Objekt

Aufnahmen/Reproduktionen

Künstler/Urheber (GND)
Universitätsbibliothek Heidelberg
Reproduktionstyp
Digitales Bild
Rechtsstatus
Alle Rechte vorbehalten - Freier Zugang
Creditline
Fliegende Blätter, 76.1882, Nr. 1915, S. 114
 
Annotationen