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Die Hauptkirche Beatae Mariae Virginis in Wolfenbüttel — Forschungen der Denkmalpflege in Niedersachsen, Band 4: Hameln: Verlag C.W. Niemeyer, 1987

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HÄRMEN THIES


28 Chorkapelle und Querriegel.

alles einenden Bildfront zurücktreten. Jetzt wird
auch die Wirkung des Haupt- und Längsdaches
wichtig, das trotz unterschiedlicher Breite der von
ihm gedeckten Baukörper die Einheiten Turm,
Halle, Dachreiter und Chorpolygon in einem Zug,
einer Firstlinie zu versammeln hat. Und es wird
auffallen, daß der Turm dem Ganzen ebenso einen
„Kopf“ verleiht, der nach Westen schaut, ja
„zieht“, wie die größeren Giebel des Querriegels
die „Züge“ der Giebelserien auf den Langseiten ge-
gen Osten tendieren lassen: Einander entgegenge-
setzte, ja kontrastierende Momente, die den Bau zu
strecken scheinen und abermals die daraus resultie-
rende doppelte Frontbildung der Kirche nach Nor-
den und Süden unterstreichen.
23 Um den ganzen Bau herum sind Strebepfeiler
29 angeordnet, die seine Ecken fassen und das Konti-
nuum der Wände im Wechsel mit den hohen Lan-
zettfenstern jochweise rahmen. Auch sie sorgen im
Gleichtakt des Gleichen — vergleichbar den Gie-
beln — für Einheit und Sammlung. Grundsätzlich
folgen sie ein und demselben Aufbauschema: Auf
einem breit fußenden, weit über mannshohen
Postament mit ausladendem Kranzgesims bauen
sich rechtwinklig-glattwandige Pfeiler mit dem
attischen Basisprofil eines „Säulenfußes“ und
einem kräftigen Gebälkkopf auf, die rückwärtig

dem Mauerverband der konstitutiven Baukörper
entweder „normal“ oder aber — an Ecken — diago-
nal eingebunden sind. Gleichwohl behaupten sie
relative Eigenständigkeit, da jeder Stützpfeiler um
eine Vertikal- und Standachse organisiert ist, deren
zentrierende Wirkung in je einer krönenden Stand-
figur auf eigenem, quadratischem Postament an-
schaulich wird. So erscheinen die Pfeiler nicht nur
dem Kontinuum des Mauergrundes verbunden,
sondern gleichzeitig als vor den Wänden und
Ecken aufgestellt. Sie umstellen das Kerngehäuse,
indem sie eine eigene Front vor der „eigentlichen“
Front der Wandkörper aufbauen.
Die Schäfte dieser Pfeiler steigen oberhalb der
mächtigen Postamente bis knapp über ein Viertel
ihrer Höhe senkrecht an, um dann in einer stark
reliefierten, Achsen und Ecken betonenden „Man-
schette“ so etwas wie eine zweite Postamenthöhe
zu markieren und ab nun in knapper, steter Verjün-
gung — säulenähnlich — zum Pfeilerkopf aufzu-
steigen. Ihre Höhe ist so bemessen, daß Architrav-
leiste, Fries und Kranzgesims des weit ausladenden
Hauptgebälks frei und ungestört die Mauerkronen
der Hauptbaukörper (Halle, Querriegel, Chor-
polygon) in einem Zug zusammenfassen und —
gleich einem Kopf- oder Stirnband — zum Ab-
schluß bringen können. Nur die pfeilerkrönenden

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