HÄRMEN THIES
Lücke“ postierten Rahmen-Säulen finden sich
auch hier. Nur: das Zueinander dieser Elemente
hat sich geändert, verschoben und damit — bei ge-
gebenem Anlageschema — auch die resultierende
Gestalt entschieden verwandelt.
Im Vergleich mit den Seitenportalen, dem nörd-
lichen zumal, scheinen alle Verschiebungen und
Umformungen nur einen „Beweg“-Grund zu ha-
ben: Während dort der Portalbogen unter dem Ge-
bälk-, Giebel- und Attikablock des Rahmengestells
zu bleiben hat — seine Scheitelhöhe korrespondiert
in etwa mit dem Kopfprofil der Sockelbank — sind
die Bogen weite und -höhe hier derart angewach-
sen, daß weder seitlich noch oben die durch das
Anlageschema gegebenen Grenzen zu halten wa-
ren: sie werden durch den mächtig sich weitenden
Portalbogen gesprengt. Die Flankennischen sind
zur Seite geschoben, können sich weiten, Standbil-
der aufnehmen und sich prächtig von Säulenpaaren
rahmen lassen, die außen wenig zu tragen, aber viel
zum Aufbau der jetzt ins Breite und Hohe gewach-
senen Gesamtkontur zu leisten haben. Dennoch
bleiben die Kanten des Kernblocks selbst am ange-
stammten Ort und in den Innensäulen der Ni-
schenrahmungen, vor allem aber den zugehörigen
Gebälk- und Attikakanten greif- und sichtbar. Die
Nischen gehören damit zu Seitenflügeln, die dieser
19 Portalarchitektur einen ähnlich breiten „Fuß“ ver-
leihen wie die flankierenden Seitenschiffsstirnen
der West- und Turmfront im Ganzen.
32 Der an den Seitenportalen lastend gebildete und
34 von der Scheitelkonsole des Portalbogens zusätz-
35 lieh gestützte Gebälkaufbau läßt sich hier — leicht
und widerstandslos — in die Höhe drängen. Und
selbst die dort winklig-sperrig geführte Giebellinie
muß sich hier dem Weiten des Portalrundes fügen.
Nur außen, neben der weit geöffneten Portalhöhle,
bleibt die „normale“, von enggestellten Postament-
säulen unterstützte Gebälkhorizontale stehen.
Statt einer Säule dort stehen hier je zwei, die zwi-
schen sich ein nischenähnliches Interkolumnium
bilden und so ähnliches leisten wie die flankieren-
den Nischen des Nordportales. Denn auch hier ist
vor diese „Nischen“ je eine, sie sogleich wieder
verstellende Postamentsäule gesetzt, die allerdings
eher im Sinne eines „Bildwerkes“ angeordnet ist,
da sie — anders als jene schwer belasteten Säulen —
außer sich selbst kaum mehr als eine Herzogsstatue
zu tragen hat. So kann sie höher wachsen als das ihr
hinterlegte Säulenpaar und hat — ebenso überra-
schend wie regelwidrig — statt des ganzen Gebäl-
kes nur noch die Ausladung seines Kranzgesimses
abzustützen.
Mit den Portalbogen stuft sich eine Folge von
Schlußsteinvoluten hoch und hinaus, die gemein-
sam mit großformigen Blütenköpfen die Unter-
sicht des weit ausladenden Kranzgesimses füllen
und so das Portal schirmen und bekränzen. Dieser
Bogenschirm ist so weit in die Höhe getrieben, daß
der Attika-Block, der auf den Seitenportalen noch
entschieden lastete, hier wie aufgezehrt und seines
Gewichtes beraubt erscheint. Wohl auch „deswe-
gen“ war ein zweites Geschoß aufzusetzen, das die
Portalarchitektur zu „schließen“ und ebenso als Rah-
men für das ursprünglich hier vorgesehene Stand-
bild des Herzogs Heinrich Julius wie als Bekrö-
nung des Ganzen zu dienen hatte. Der Turmmauer
mit dem hier ansetzenden Lanzett-Rahmen-Fenster
ist eine flache, seitwärts — wandparallel — durch
Flankenvoluten gefaßte Rahmentafel auf- und ein-
gesetzt, die einen abermals vorgeschichteten Säu-
len-Gebälk-Rahmen hinterfängt und gemeinsam
mit ihm zur Basis für eine Pfeilerstele mit Christus-
Salvator-Statue und einen fragmentierten, durch
weich-schlingende Volutenformen angedeuteten
Giebel wird. In der Christus-Figur gipfelt diese viel-
gliedrig und „pyramidal“ organisierte Portalarchi-
tektur; mit ihr hat sie die Maßwerkfüllung des über-
schichteten und dem eigenen Aufbau integrierend
hinterlegten Lanzett-Rahmen-Fensters des Turm-
untergeschosses erreicht. Lappig-weiche Einzel-
formen lassen die Detailbildung dieser aufwendi-
gen Portalanlage entwickelter, gleichzeitig aber un-
gepflegter als die des Nordportales erscheinen.
Es war bereits darauf hingewiesen, daß die front- 17
bildenden Langseitengiebel als eine Gruppe von 18
Architekturelementen zu sehen sind, die gemein- 19
sam wirken und durch gemeinsame Merkmale ver- 21
bunden sind: Alle Giebel fußen in und auf einer
dem Hauptgebälk der Kirche aufgesetzten Attika-
bzw. Brüstungsmauer, die ebenso den individuel-
len Aufbau der einzelnen Giebel einleitet wie sie
eine, allen Giebeln gemeinsame Gesimshorizontale
ausbildet. Dieser Giebel für Giebel differierenden
Brüstungsbahn erscheinen die Stützglieder der je-
weiligen Giebelarchitektur wie eingeknotet: In der
Regel sind ihr kräftige, maskierte Konsolen vorge-
baut, die eine Säulenordnung so zu tragen haben,
als sei eine baulich „direkte“, vertikale Zuordnung
der Giebel zu ihrem Unterbau zu vermeiden gewe-
sen; sie wirken aufgeschient und damit horizontal
„verschieblich“.171 Die Säulen und Gebälke der
jeweiligen Ordnungen sind dem Mauerwerk der
Giebelscheiben als ihrem Reliefgrund mehr oder
weniger frei aufgeschichtet und eingebunden. Ge-
meinsam mit den Fenstern, Nischen und Rahmen-
feldern des Mauergrundes bestimmen sie den indi-
vidiuellen Aufbau der einzelnen Giebel. Dabei
werden die Gebälke meist nicht von Säule zu Säule
gespannt — anders ist es auf den Giebeln des Quer-
hauses und den ersten drei der Nordflanke — son-
dern nur über den Säulen vorgekröpft, so daß die
vertikalen Strukturlinien der zwei- bzw. dreige-
schossigen Giebelaufbauten deutlich herausgestellt
erscheinen und — nach der alles unterbrechenden,
mächtigen Horizontalzäsur des Hauptgebälkes —
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Lücke“ postierten Rahmen-Säulen finden sich
auch hier. Nur: das Zueinander dieser Elemente
hat sich geändert, verschoben und damit — bei ge-
gebenem Anlageschema — auch die resultierende
Gestalt entschieden verwandelt.
Im Vergleich mit den Seitenportalen, dem nörd-
lichen zumal, scheinen alle Verschiebungen und
Umformungen nur einen „Beweg“-Grund zu ha-
ben: Während dort der Portalbogen unter dem Ge-
bälk-, Giebel- und Attikablock des Rahmengestells
zu bleiben hat — seine Scheitelhöhe korrespondiert
in etwa mit dem Kopfprofil der Sockelbank — sind
die Bogen weite und -höhe hier derart angewach-
sen, daß weder seitlich noch oben die durch das
Anlageschema gegebenen Grenzen zu halten wa-
ren: sie werden durch den mächtig sich weitenden
Portalbogen gesprengt. Die Flankennischen sind
zur Seite geschoben, können sich weiten, Standbil-
der aufnehmen und sich prächtig von Säulenpaaren
rahmen lassen, die außen wenig zu tragen, aber viel
zum Aufbau der jetzt ins Breite und Hohe gewach-
senen Gesamtkontur zu leisten haben. Dennoch
bleiben die Kanten des Kernblocks selbst am ange-
stammten Ort und in den Innensäulen der Ni-
schenrahmungen, vor allem aber den zugehörigen
Gebälk- und Attikakanten greif- und sichtbar. Die
Nischen gehören damit zu Seitenflügeln, die dieser
19 Portalarchitektur einen ähnlich breiten „Fuß“ ver-
leihen wie die flankierenden Seitenschiffsstirnen
der West- und Turmfront im Ganzen.
32 Der an den Seitenportalen lastend gebildete und
34 von der Scheitelkonsole des Portalbogens zusätz-
35 lieh gestützte Gebälkaufbau läßt sich hier — leicht
und widerstandslos — in die Höhe drängen. Und
selbst die dort winklig-sperrig geführte Giebellinie
muß sich hier dem Weiten des Portalrundes fügen.
Nur außen, neben der weit geöffneten Portalhöhle,
bleibt die „normale“, von enggestellten Postament-
säulen unterstützte Gebälkhorizontale stehen.
Statt einer Säule dort stehen hier je zwei, die zwi-
schen sich ein nischenähnliches Interkolumnium
bilden und so ähnliches leisten wie die flankieren-
den Nischen des Nordportales. Denn auch hier ist
vor diese „Nischen“ je eine, sie sogleich wieder
verstellende Postamentsäule gesetzt, die allerdings
eher im Sinne eines „Bildwerkes“ angeordnet ist,
da sie — anders als jene schwer belasteten Säulen —
außer sich selbst kaum mehr als eine Herzogsstatue
zu tragen hat. So kann sie höher wachsen als das ihr
hinterlegte Säulenpaar und hat — ebenso überra-
schend wie regelwidrig — statt des ganzen Gebäl-
kes nur noch die Ausladung seines Kranzgesimses
abzustützen.
Mit den Portalbogen stuft sich eine Folge von
Schlußsteinvoluten hoch und hinaus, die gemein-
sam mit großformigen Blütenköpfen die Unter-
sicht des weit ausladenden Kranzgesimses füllen
und so das Portal schirmen und bekränzen. Dieser
Bogenschirm ist so weit in die Höhe getrieben, daß
der Attika-Block, der auf den Seitenportalen noch
entschieden lastete, hier wie aufgezehrt und seines
Gewichtes beraubt erscheint. Wohl auch „deswe-
gen“ war ein zweites Geschoß aufzusetzen, das die
Portalarchitektur zu „schließen“ und ebenso als Rah-
men für das ursprünglich hier vorgesehene Stand-
bild des Herzogs Heinrich Julius wie als Bekrö-
nung des Ganzen zu dienen hatte. Der Turmmauer
mit dem hier ansetzenden Lanzett-Rahmen-Fenster
ist eine flache, seitwärts — wandparallel — durch
Flankenvoluten gefaßte Rahmentafel auf- und ein-
gesetzt, die einen abermals vorgeschichteten Säu-
len-Gebälk-Rahmen hinterfängt und gemeinsam
mit ihm zur Basis für eine Pfeilerstele mit Christus-
Salvator-Statue und einen fragmentierten, durch
weich-schlingende Volutenformen angedeuteten
Giebel wird. In der Christus-Figur gipfelt diese viel-
gliedrig und „pyramidal“ organisierte Portalarchi-
tektur; mit ihr hat sie die Maßwerkfüllung des über-
schichteten und dem eigenen Aufbau integrierend
hinterlegten Lanzett-Rahmen-Fensters des Turm-
untergeschosses erreicht. Lappig-weiche Einzel-
formen lassen die Detailbildung dieser aufwendi-
gen Portalanlage entwickelter, gleichzeitig aber un-
gepflegter als die des Nordportales erscheinen.
Es war bereits darauf hingewiesen, daß die front- 17
bildenden Langseitengiebel als eine Gruppe von 18
Architekturelementen zu sehen sind, die gemein- 19
sam wirken und durch gemeinsame Merkmale ver- 21
bunden sind: Alle Giebel fußen in und auf einer
dem Hauptgebälk der Kirche aufgesetzten Attika-
bzw. Brüstungsmauer, die ebenso den individuel-
len Aufbau der einzelnen Giebel einleitet wie sie
eine, allen Giebeln gemeinsame Gesimshorizontale
ausbildet. Dieser Giebel für Giebel differierenden
Brüstungsbahn erscheinen die Stützglieder der je-
weiligen Giebelarchitektur wie eingeknotet: In der
Regel sind ihr kräftige, maskierte Konsolen vorge-
baut, die eine Säulenordnung so zu tragen haben,
als sei eine baulich „direkte“, vertikale Zuordnung
der Giebel zu ihrem Unterbau zu vermeiden gewe-
sen; sie wirken aufgeschient und damit horizontal
„verschieblich“.171 Die Säulen und Gebälke der
jeweiligen Ordnungen sind dem Mauerwerk der
Giebelscheiben als ihrem Reliefgrund mehr oder
weniger frei aufgeschichtet und eingebunden. Ge-
meinsam mit den Fenstern, Nischen und Rahmen-
feldern des Mauergrundes bestimmen sie den indi-
vidiuellen Aufbau der einzelnen Giebel. Dabei
werden die Gebälke meist nicht von Säule zu Säule
gespannt — anders ist es auf den Giebeln des Quer-
hauses und den ersten drei der Nordflanke — son-
dern nur über den Säulen vorgekröpft, so daß die
vertikalen Strukturlinien der zwei- bzw. dreige-
schossigen Giebelaufbauten deutlich herausgestellt
erscheinen und — nach der alles unterbrechenden,
mächtigen Horizontalzäsur des Hauptgebälkes —
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