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Die Hauptkirche Beatae Mariae Virginis in Wolfenbüttel — Forschungen der Denkmalpflege in Niedersachsen, Band 4: Hameln: Verlag C.W. Niemeyer, 1987

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FREIBERGER BILDHAUERFAMILIE DITTERICH

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des Peniger und Dresdner Altars, die Bemühung
deutlich war, eine spezifisch lutherische Altarkunst
zu schaffen.3^
Der Peniger Altar ist in seinem dreiteiligen Auf-
bau wie in den Bilderzählungen der vielfigurigen
Reliefs und nicht zuletzt durch die „malerisch“ ein-
gesetzte Polychromie spätgotischen Traditionen
verpflichtet. An den Architekturgliedern herrscht
eine helle, leuchtende Farbigkeit vor, bestimmend
für die Polychromie ist ein helles Grün an den ko-
rinthischen Säulen?' Die inhaltliche Aussage ist auf
die Mittelachse konzentriert, wo hier — wie später
meist bei den lutherischen Altären — Abendmahl,
Kreuzigung und Auferstehung oder Himmelfahrt,
manchmal auch die Grablegung Christi übereinan-
der dargestellt sind. Häufig erscheint im abschlie-
ßenden Giebel die Gestalt Gottvaters; an der Spitze
fast regelmäßig Christus als Salvator mundi oder
als Weltenrichter. Nebenszenen des Neuen oder
typologische Szenen des Alten Testaments finden
fast stets seitlich ihren Platz, wo auch alttestament-
liche Gestalten, Apostel und Evangelisten, nicht
selten auch die Kardinaltugenden dargestellt sind.
Um die Szenen von Passion und Ostern sind oft En-
gel mit den Marterwerkzeugen Christi gruppiert.
Der Dresdner Kreuzkirchenaltar von 1572 zeigt
sich am deutlichsten der antikisierenden Dresdner
Richtung verpflichtet. Hans Walther ist es hier
darum gegangen, seine Reliefs und Figuren im
Rahmen der Hochrenaissance-Architektur in dem
großen Kirchenraum besser wirksam zu machen.
Seiner Plastik fehlt allerdings die Monumentalität
der Architektur. Zum ersten Male waren hier auch
die seitlichen Abendmahlsumgänge entsprechend
zum Altaraufbau architektonisch durchgestaltet.
Eindeutigkeit in der künstlerischen Erscheinung
und Bildaussage ist auch im Altar der Schloßka-
pelle der Augustusburg von 1573 angestrebt. Lucas
Cranach d.J. malte die Familie des Kurfürsten
August in weiter Landschaft im Gebet vor dem Ge-
kreuzigten. Den in Holz geschnitzten und farbig
reich gefaßten Rahmen schuf Wolfgang Schrecken-
fuchs aus Salzburg. Die Grundfarbe dieser Archi-
tektur ist weiß, wirkungsvoll gehöht mit goldenem
Ornament, teilweise vor blauen Gründen.
Auch dieser Altartypus findet seine Parallelen in
der Epitaphkunst und tritt als Altar hin und wieder
in Patronatskirchen auf, vor allem aber in Schloß-
kapellen?)
Bei Altären, die für Stadt- und Dorfkirchen zwi-
schen 1580 und 1630 in Obersachsen zu Hunderten
neu hergestellt wurden, hält man aber meist an viel-
figurigen biblischen Szenen fest. Die Dresdner,
Freiberger, Pirnaer, Meißner und Torgauer Bild-
hauerschulen gestalten sie zumeist als steinerne Re-
liefs?) Nur im Leipziger Raum dominiert unter
niederländischem Einfluß das gemalte Altarwerk
mit geschnitztem und farbig gefaßtem Rahmen-

werk. Kein Wunder, daß hier die Traditionen des
Flügelaltars um 1600 besonders deutlich aufleben,
wobei die Architektur meist weiß gestaltet ist,
während die Säulen marmoriert sind und das
Schmuckwerk in reicher Farbigkeit, in Gold und
Lüsterungen prangt. Der Altar von Prießnitz/ Krs.
Geithain von 1616 ist einer der schönsten Zeugen
dieser Altarkunst.7)
Die genannten provinziellen Bildhauerschulen
hingegen versuchen zunächst, in Sandstein mit den
Werken in der Residenz zu konkurrieren. Bei den
Pirnaer Meistern Schwenke und Hornung, der
Meißner Bildhauerfamilie Kuntze sowie den Bild-
hauern Schröter und Schultze in Torgau bleibt es
auch im 17. Jahrhundert beim Stein, wenn es Altäre
zu schaffen gilt. In der Residenz trifft das auch zu;
wenngleich im Lande auch das von Hofmalern ge-
malte und im Schnitzwerk gefaßte Altarwerk be-
gehrt bleibt?) Zu heftigen Auseinandersetzungen
in dieser Frage kommt es seit 1586 in Freiberg, wo
die alten Steinmetz- und Bildhauerfamilien Lo-
rentz, Eckhardt und Grünberger fast ausschließ-
lich in Stein arbeiten. Als Beispiel sei auf den Altar
von Andreas Lorentz in der Schloßkapelle von
Rochsburg aus dem Jahre 1576 hingewiesen. Unter 143
diesen braven, schwunglosen Meistern, deren Ka-
pazität allerdings durch den Bau von Nossenis Für-
stengruft am Freiberger Dom 1589—1593 in An-
spruch genommen und gesteigert wurde, tauchte in 151
den achtziger Jahren ein Naturtalent auf: Franz
Ditterich der Ältere. Franz Ditterich (1557—1607)
war eigentlich Maler, wendete sich in den achtziger
Jahren aber ganz der Bildhauerei zu, „weil die Na-
tuhr ihme solches zu treiben vor andern gegeben,


143 Rochsburg, Krs. Rochlitz, Schloßkapelle, Altar von An-
dreas Lorentz, 1576.

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