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Die Hauptkirche Beatae Mariae Virginis in Wolfenbüttel — Forschungen der Denkmalpflege in Niedersachsen, Band 4: Hameln: Verlag C.W. Niemeyer, 1987

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KLAUS RENNER


219 Gestühlsanordnung im Mittelschiff ab 1889.

August Fink leitete 1949 seinen Führer über die
Marienkirche mit den Sätzen ein: „Der Baumeister
der Marienkirche verband mit dem Sinn für die
Baugedanken der Gotik die Fähigkeit, sie mit den


220 Gestühlsanordnung im Mittelschiff ab 1936.

Formen seiner eigenen Zeit zu verschmelzen. Die
barocke Weiterentwicklung der deutschen Renais-
sance kommt im Schmuck des Bauwerkes zur Gel-
tung. An den jüngsten Teilen des Baukörpers und
den Ornamenten einiger Ausstattungsstücke der
Kirche bricht die spannungsgeladene Dynamik des
Barocks hervor, Symptom der inneren Zerrissen-
heit jener beiden Jahrzehnte am Anfang des 17.
Jahrhunderts, in denen der Bau entstand. Trotz-
dem bestimmt eine erhabene Ruhe den Eindruck
des feierlichen Raumes. Daß es gelang, den Wider-
streit dreier Stile zu solcher Harmonie zu binden,
ist wohl das, was wir an der Marienkirche am mei-
sten bewundern.“9'
Die Programmstellung für die Innenrestaurie-
rung begann in der Turmhalle. Der im äußeren als
fünfjochig vermutete Innenraum zeigt diese Fünf-
jochigkeit nur in den Seitenschiffen. Das Mittel-
schiff verliert das fünfte Joch durch den einge-
schlossenen Westturm. Der kreuzrippengewölbte 218
Turmraum führt durch tonnengewölbte Durch-
gänge zum Mittelschiff und zu den Seitenschiffen.
Maßstäblich und architektonisch stellt sich das
Turmerdgechoß als eigener Raum dar. Diese Er-
kenntnis, verbunden mit praktischen Überlegun-
gen der Nutzung des Turmraumes als Vorhalle, als
Sammlungsraum vor und nach den Gottesdiensten
sowie als heiztechnische Wärmeschleuse ließen den
Gedanken entstehen, Ganzglasabschlüsse zu pla-
nen, die einerseits die Eigenständigkeit des Turm-
raumes unterstreichen, andererseits die Verbin-
dung zum Gesamtraum möglichst wenig beein-
trächtigen.
Die Restaurierungsaufgaben, die das Mittelschiff
und die Seitenschiffe umfaßten, stellten sich in der
Erneuerung des Fußbodens, der Verbesserung der
Heizungsanlage, der Restaurierung der raumab-
schließenden Gewölbe und Wände, der Reparatur
der Emporenanlagen und der Windfänge, der Er-
neuerung der gesamten Elektroinstallation, der Re-
staurierung des historischen Kronleuchters und
der Erneuerung der künstlichen Beleuchtung, der
Überholung des Gestühls und der Sicherung und
Restaurierung der großen Ausstattungsstücke Al-
tar, Kanzel, Taufe, Orgel und der Epitaphien.
Konzeptionelle Fragen ergaben sich bei der zu-
künftigen Anordnung des Gestühls. Einmütigkeit
bestand in der Auffassung, die kastenartigen Ge-
stühlseinbauten vor der Ostwand zum Chor hin 104
nicht wieder einzubauen und die Gestühlsblöcke
unter den Seitenemporen um eine Bankreihe zu-
rückzunehmen. Kontrovers entwickelten sich die
Meinungen über das Mittelschiffgestühl. Von Paul
Francke sind Angaben über die Gestühlsanord-
nung im Mittelschiff nicht überliefert. Dennoch
wird die Aufstellung des Gestühls wie zu allen Zei-
ten so auch für den Schöpfer dieses Raumes von
Bedeutung gewesen sein.

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