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Die Hauptkirche Beatae Mariae Virginis in Wolfenbüttel — Forschungen der Denkmalpflege in Niedersachsen, Band 4: Hameln: Verlag C.W. Niemeyer, 1987

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KLAUS RENNER


224 Gewölbeschlußstein nach der Restaurierung 1983.

rierungsbedürftigen Zustandes vorher ausgebaut
worden. Fußboden und Unterdecke erhielten neue
Verbretterungen, wobei die aufgemalte Gliederung
der Emporenuntersichten durch profilierte Leisten
in Anlehnung an die Ausführung unter der West-
empore ersetzt wurde. Die Zugangstreppe zur
Südempore mußte wegen Baufälligkeit erneuert
werden, während der Aufgang zur Nordempore
aufgearbeitet werden konnte.
Bei der Programmstellung für die Restaurierung
des Querschiffes und des Chorraumes standen Fra-
gen der zukünftigen Nutzung verstärkt im Vorder-
grund. „Draußen erwartete man, auch drinnen das
Querschiff maßgebend an der Raumwirkung betei-
ligt zu finden. Aber es ist durch den Einbau niedri-
ger gewölbter Räume (Sakristei und Begräbnis-
kapelle) ausgeschaltet. Die Vierung wird dadurch
zu einem Chorquadrat verengt und mit dem Chor-
schluß zusammen zu einem schmalen Anhängsel
des Langhauses. Der Hauptraum mit seinem nach
drei Seiten gerichteten Emporen hat nicht mehr die
alte Funktion, den Andächtigen auf den Hochaltar
als den Mittelpunkt des Gottesdienstes zu leiten.
Der Raum ist vielmehr auf die Gemeinde einge-
stellt, die sich um die Kanzel im Langhaus
schart.“9^
„Zwei Bereiche unterschiedlicher Qualität
zeichnen sich ab, das Schiff der Gemeinde und der
Vordergrund des gottesdienstlichen Handelns.
Derart wird, im Widerspruch zum reformatori-
schen Verständnis, der Ort des gottesdienstlichen
Vollzuges vom Ort der Versammlung abge-
rückt.“14) Die von der Architektur und vom Raum
aufgegebenen Probleme der zukünftigen Vierungs-
und Chorraumgestaltung wurden daher zu einem
Hauptanliegen der Renovierungsplanung. Mit dem
Bewußtsein, daß „Kulturdenkmäler wie das Straß-
burger Münster sich im Laufe der Jahrhunderte im-
mer gewandelt haben“3) war jedoch große Behut-
samkeit oberstes Gebot. Die Engigkeit und das
„Abgehängtsein“ des Chorraumes wurden ver-

stärkt durch die Priecheneinbauten über den erdge-
schossigen Vierungsräumen Sakristei und Gruftka-
pelle. Gleichzeitig nahmen diese den größten Teil
des Lichteinfalls der Ost-, Nord- und Südfenster
des oberen Querhauses weg. Paul Francke oder
seine Nachfolger mögen bei der Planung der „Al-
ten Prieche“ über der Gruftkapelle und der „Kava-
liersprieche“ über der Sakristei gewissen Zwängen
unterlegen sein. „Bei der nunmehr soziologisch be-
stimmten Nutzung war der Chor den Honoratio-
ren resp. den Behördenmitgliedern, sei es kirchli-
cher oder obrigkeitlicher Art, reserviert.“14) Da
diese Nutzung nicht mehr gegeben war und die
räumlichen Beeinträchtigungen erkannt wurden,
fiel die Entscheidung, die Priecheneinbauten abzu-
bauen, zumal auch die hölzernen Kranzgesimse die
Kapitelle der Vierungspfeiler überschnitten. Le-
diglich die niedrige Prieche im südlichen Querhaus
und der Bibliotheksraum mit schöner Stuckdecke
im hinteren, von unten unsichtbaren Bereich, blie-
ben bestehen. Nach dem Ausbau der Seitenprie-
chen öffnete sich der Chorraum in erstaunlicher
Weise. Das Querhaus wird als wichtiges Glied für
die gesamte Raumwirkung erst jetzt spürbar. Ge-
wölbe und Fenster addieren sich zum Raum hinzu
und geben dem Chorraum mehr Licht und Weite
als bisher.
Fußböden und Brüstungen der Choremporen
wurden gesichert und überholt, so daß auch diese
Raumteile bei großen Gottesdiensten genutzt wer-
den können. Sie eignen sich besonders gut für die
Aufführung mehrchöriger Musikwerke.
Als Ersatz für den Gemeinderaum, der bis zum
Abbau der Chorpriechen über der Sakristei vor-
handen war, entstand im ersten Obergeschoß des
Turmes hinter dem Orgelgehäuse ein abgeschlos-
sener und getrennt beheizbarer Raum, der seine
Verwendung als Chorübungsraum finden wird.
Geschichte und Restaurierung des Hochaltars
sind an anderer Stelle beschrieben.151 Der Vierungs-
altar aus dem Jahre 1830 wurde im Stil des Hoch-
altares überfaßt. Die Aufarbeitung und Wiederauf-
stellung bedeutender Ausstattungsstücke im Chor-
raum stehen noch bevor. Für die in der Sakristei la-
gernde Kanzel liegt bisher lediglich eine Untersu-
chung der früheren Farbfassungen vor.15)
Vom Taufbecken, das Herzogin Anna Sophie
1622 gestiftet hatte und das für das Begräbnis von
August dem Jüngeren 1666 entfernt wurde, konn-
ten nur die Alabaster-Stufen gerettet werden. Sie
erhielten den bisherigen Platz zurück als Sockel für
das Taufbecken aus Messingguß, das Cordt Mente
laut Inschrift 1571 im Auftrag von Herzog Julius
(wahrscheinlich für die Wolfenbütteler Schloßka-
pelle) geschaffen hatte.9) Das Gitter um das Tauf-
becken befindet sich nach Durchführung der Er-
gänzungsarbeiten an den Metallteilen zur Erneue-
rung der Farbfassung in der Restaurierungswerk-

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