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Fimmen, Diedrich
Die Kretisch-mykenische Kultur — Leipzig, 1921

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https://doi.org/10.11588/diglit.9190#0075

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Kultstätten 67

man unter freiem Himmel opfern; sowohl in Tiryns wie in Knossos. gibt es Altäre auf den
offenen Höfen.

Auch die Höhlen der Berge waren als Kultstätten beliebt, die sich durch Kultobjekte
und Depots von Keramik zu erkennen gaben. Auf Kreta ist wohl die älteste Kulthöhle die
von Kamares hoch am Ida mit prachtvollem Rundblick über den mittleren Teil der Insel;
die Funde stammen alle aus mittelminoischer Zeit. An der Nordseite des Idastocks liegt
die Grotte von Patsos mit Votivterrakotten spätminoischer Zeit. An dem andern großen
Gebirge Mittelkretas, den Lasithibergen, finden sich die Höhlen von Skotino und Psychro;
in der letzteren, einer zweigeteilten Grotte, sind besonders viele Kultgegenstände, Libations-
tafeln und Votive vom Ende der mittelminoischen Periode bis in griechische Zeit gefunden
worden; in der Nordwestecke der Höhle stand ein mit Stuck überzogener Altar. Vpn spät-
mykenischer Zeit an diente die Eileithyiahöhle bei Karteros nahe am Meer dem Kult. Auf
Amorgos deponierte man Keramik und anscheinend Opfergaben in Felsspalten vielleicht
zu kultischen Zwecken. Daß auch die Kynthoshöhle auf Delos schon in mykenischer Zeit
dem Kult diente1), ist nicht beweisbar. Auf dem Festland ist endlich die Höhle bei Chasia
im Parnes zu nennen; sie enthielt aus mykenischer Zeit zwar nur Scherben, wäre aber ihrer
schwer zugänglichen Lage am Steilrande eines Bachbetts wegen für Wohnzwecke durchaus
ungeeignet.

Von Hausheiligtümern und Kapellen, die öfters auch auf Wandgemälden und Goldreliefs
(Abb. 57) dargestellt sind2), haben wir wirkliche Beispiele nur auf Kreta, denn die Bothroi
mit aufbewahrter Asche in den Hütten von Orchomenos, Sesklo und Eleusis kann man, auch
wenn an der Heiligkeit der Asche kein Zweifel wäre, kaum zu den Hausheiligtümern zählen.
Das älteste dieser kretischen Heiligtümer ist wohl eine kleine vierräumige Anlage in dem
Winkel der großen Treppen des älteren Palastes von Phästos; in einem dieser kleinen
Räume fand man die schöne große Libationstafel (Mon. Ant. XIV, Taf. 36) in situ. Unsicher
ist, ob der Raum 13 in Hagia Triatia mit der eigenartigen Vertiefung ein Kultraum ist (Mem.
Ist. Lomb. XXI 238), zumal da bei neuen Grabungen ein eigener westöstlich orientierter
Kapellenbau mit einer Bank für Votive gefunden wurde (Arch. Anz. 1913, 119 f.). Auch in
Gurnia hat man inmitten des Stadtgebiets ein ganz
ähnliches Kulthaus entdeckt, zu dem eine eigene
Straße von Westen heraufführt. In Knossos kennt
man sogar mehrere Kulträume, die zumeist isolierte
Raumgruppen im Palastganzen einnehmen; am wich-
tigsten sind das kleine Heiligtum im Südosten des
großen Palastes und das sogenannte Fetischhaus im
kleinen Palast; ein kleineres 'Heiligtum der Schlan-
gengöttin' nahm einen sich auf den großen Mittelhof
öffnenden Raum ein. Ein anderes Heiligtum dieser
'Schlangengöttin' lag mitten im Stadtgebiet von Pa-
läkastro (B. S. A. X 216ff.), wo an einer anderen Stelle

1) Dussaud, Civilisations prehelleniques 74 ff.

2) J. H. S. 21, 99, Taf. 5. Eph. 1906, Taf. 14 unten.
Dussaud, Civ. preh. 203, Abb. 146. Abb. 57. Goldblech aus Mykenä.

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