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Fimmen, Diedrich
Die Kretisch-mykenische Kultur — Leipzig, 1921

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https://doi.org/10.11588/diglit.9190#0062

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stelle, der nicht selten zweitürigen Front und der Innen-
pfeiler in einigen Räumen den kretischen Häusern, wie
wir sie z. B. von Gurnia kennen, nahe. In der III. Stadt da-
gegen hat das Hauptgebäude, der sogenannte Palast, außer
daß ihm eine Vorhalle fehlt, ausgesprochenen Megaron-
typus (Abb. 44); es liegt mit der Schmalseite an einem
Plag, auf den es sich mit einem Mitteleingang öffnet; die
Mitte des großen Hinterraums nimmt der Herd ein. Ein
ähnliches Gebäude, das leider nicht ganz ausgegraben
worden ist, hat Oelmann in Gurnia nachgewiesen1); es
stammt aus spätmykenischer Zeit, als der größte Teil der
Stadt mit dem Palast zerstört war. Damals scheinen auch
hier wie in Hagia Triada neue Bauformen eingedrungen
zu sein.

Bei naturgemäßer Entwicklung, sollte man annehmen,
hätte das kretische Raumsystem mit seiner bequemen Kom-
munikation sich überall durchsehen müssen. Statt dessen
sehen wir megaronartige Gebäude auf die Inseln und nach
Kreta vordringen. Auf historische Folgerungen kann ich hier noch nicht eingehen. Es ge-
nügt mir vorläufig, die beiden ganz getrennten Entwicklungsreihen der Wohnbautypen
aufgezeigt zu haben, von denen der festländische im Ausgang der mykenischen Zeit vor-
herrschend wird.

3. DIE GRAB- UND KULTSTÄTTEN
Die Grabstätten sind gerade in einer primitiveren Kultur oft aufs engste mit den Sied-
lungen und den Wohnbauten verbunden; man trennte sich nicht gern weit von seinen Toten.
So finden sich auch in den älteren Kulturschichten von Thessalien bis nach Kreta Gräber
in und zwischen den Häusern der Lebenden.2) In Sesklo wurden 138 Gräber in der eng-
gebauten Siedlung gefunden3); sie gehören allermeist der ältermykenischen Zeit an. In Rach-
mani lagen zwei Kinderskelette in Tongefäßen zwischen den Hausmauern in der zweiten
und der vierten Schicht.4) In Thorikos5), in Ägina0) und sehr wahrscheinlich auch in Orcho-
menos7) sind zahlreiche Gräber im Innern der Häuser selbst angelegt worden. In Phylakopi
auf Melos wurden viele Pithoi mit Kindergebeinen innerhalb der Häuser hauptsächlich der
I. Stadt gefunden.8) Auch unter dem Fußboden eines Hauses in Knossos wurde ein Kinder-
grab bloßgelegt.0) In allen genannten Fällen ist an der Gleichzeitigkeit von Wohnung und
Bestattung kaum ein Zweifel; wo nachträglich in ältere Häuser Gräber hineingelegt wurden,
z. B. in Gurnia, H. Triada und in Lianokladi, hat sich dieser Tatbestand immer leicht er-
kennen lassen.

1) Arch. Jahrb. 1912, 38ff.

2) Wilkes Zusammenstellung, Spiralmäanderkeramik S. 66f., die Zusammenhang mit der
mitteleuropäischen Kultur beweisen soll, ist eine Entlehnung aus Bulles Orchomenos S. 67f. mit
den gleichen Druckfehlern in den Zitaten. 3) Tsuntas, Dimini und Sesklo, 126ff.

4) W.-T. 41. 5) Stais, Eph. 1895, 232ff. 6) ebd. 248ff. 7) Bulle, Orchomenos 68.
8) B. S. A. XVII 6ff. |in Paros, A. M. 1917, 12]. 9) B. S. A. VI 77.
 
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