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Fimmen, Diedrich
Die Kretisch-mykenische Kultur — Leipzig, 1921

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https://doi.org/10.11588/diglit.9190#0102

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Keramik der mykenischen Koine

Inseln von einer mykenischen Kultur und nicht bloß von stärkerem oder schwächerem Im-
port mykenischer Keramik sprechen darf, dafür sind die im vorigen Kapitel besprochenen
Grabformen ein wichtiger Beweis.

Leider wissen wir über die Fabriken der mykenischen Keramik noch so gut wie nichts,
und bis man mehr Töpferöfen von der Art der in Tiryns1) und in Theben2) entdeckten ge-
funden hat, wird man über Vermutungen hier nicht hinauskommen. Soviel nur ist jetzt
sicher, daß trotz der Gleichartigkeit der Keramik nicht ein Ort die überall zu Tage gekom-
menen Massen von Vasen hervorgebracht haben kann, sondern Fabriken verschiedener
Orte in verschiedenen Gegenden anzunehmen sind, die aber alle in derselben Technik und
in demselben Stil arbeiteten und daher vielleicht alle Filialen desselben Mutterhauses waren.
Der früher gebrauchte Vergleich mit den nach Etrurien exportierten attischen Vasen ist
schon deshalb unzutreffend, weil es sich innerhalb des umschriebenen Kulturgebiets in den
seltensten Fällen um schöne Exportvasen, sondern fast immer um Massen oft nur mit Streifen
.verzierter Gebrauchsvasen handelt.

Und aus demselben Grunde ist die Anschauung irrig, die in der mykenischen Kera-
mik nur das herrschaftliche Service, den 'HerrensüT sieht, neben dem ständig ein lokaler
'Bauernstil' als Unterströmung hergelaufen sei.3) Aus Publikationen, die in der Regel eine
beschränkte Auswahl der besten Fundstücke enthalten, kann man über diese Frage nicht
urteilen; wenn man aber einmal gesehen hat, um ein Beispiel zu wählen, wie viele Kisten
mykenischer Keramik von einer kleinen Ausgrabung einer unbedeutenden Ansiedlung in
Drachmani in kurzer Zeit ins Museum kamen, kann man an das Herrenservice unmög-
lich glauben. Nicht nur in Mykenä tritt die Keramik in Massen auf, sondern in jeder gleich-
zeitigen Ansiedlung innerhalb des Kulturgebiets. Darin liegt eben erst die Berechtigung,
von einer gemeinsamen mykenischen Kultur, einer mykenischen Koine, zu sprechen.

Wenn man zum Schluß die geschichtlichen Möglichkeiten ins Auge faßt, wie die my-
kenische Koine entstehen konnte, so ist sicher eine wichtige Ursache der starke Handels-
verkehr gewesen, der seit ältester Zeit gerade Kreta mit den Inseln und Küsten des ägäi-
schen Meeres verband (vgl. Abschnitt B Kap. 2). Durch Handel auf das Festland gebrachte
Vasen der der Koine unmittelbar vorhergehenden Periode habe ich erst auf S. 91 zusammen-
gestellt. Daneben ist sehr wohl denkbar, daß kretische Kolonisten oder Kleruchen ausge-
gesandt wurden, zumal da man sehr starke Bevölkerung Kretas aus den Gebirgssiedlungen
und aus der Bebauung öder Inseln erschließen muß (vgl. S. 38). Gerade die außerhalb
der älteren Kulturprovinzen gelegenen Gebiete wie Rhodos und Milet würde man am
liebsten als neue Besiedlungen ansehen.

Unwahrscheinlich ist mir eine politische Hegemonie Kretas während der Koine, der
Schwerpunkt der Kultur scheint vielmehr seit dieser Zeit auf dem Festland zu liegen; Athens
Herrschaft ist auch zu Ende, wenn man einen Vergleich aus der Sprachgeschichte anwen-
den darf, als die hellenistische Koine aus attischer Wurzel zur Blüte gelangte. Weder aus
den älteren Kulturprovinzen noch aus der mykenischen Koine möchte ich jedoch irgend-
welche politische oder ethnologische Zusammenhänge und Grenzen konstruieren. Dafür

1) Dragendorff, A. M. 1913, 338 ff.

2) Keramopullos, Prakt. 1911, 148 f. Karo, Arch. Anz. 1912, 242 f.

3) Wide, A. M. 1896, 408 f. Poulsen, Dipylongräber 1905, 67f. Dörpfeld, A. M. 1906, 207.
 
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