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Flechsig, Eduard
Albrecht Dürer: sein Leben und seine künstlerische Entwickelung (2. Band) — Berlin: G. Grote'sche Verlagsbuchhandlung, 1931

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https://doi.org/10.11588/diglit.30442#0019

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5. DIE ZEICHNUNGEN

Wer nur das kennt, was Dürer für die Öffentlichkeit geschaffen
hat, also nur seine Kupferstiche, Holzschnitte und Gemälde, nicht
aber seine Zeichnungen, der kennt ihn eigentlich nur halb. Dürer
hat nicht immer gemalt, nicht immer in Kupfer gestochen, es gibt
viele Jahre, wo er keine Holzschnitte geschaffen hat. Aber Hand-
zeichnungen begleiten seinen ganzen Lebensweg. Sie haben hei ihm
eine viel größere Bedeutung, als bei jedem anderen Künstler seiner
Zeit, ja nicht nur seiner Zeit, und er seihst ist sich dessen offenbar be-
wußt gewesen, sonst hätte er nicht einen großen Teil von ihnen mit
dem Entstehungsjahr und seinem Zeichen versehen. Das Bild, das
wir uns von Dürer auf Grund seiner Kupferstiche, Holzschnitte und
Gemälde gemacht haben, wird durch seine Handzeichnungen in glück-
licher Weise ergänzt und bereichert. Denn erst hier lernen wir seine
erstaunliche Vielseitigkeit, den Reichtum und die Mannigfaltigkeit
seiner künstlerischen Gedanken richtig kennen. Nirgends zeigt er
sich so als scharfen und liebevollen Beobachter der Natur, nirgends
läßt er uns so tiefe Blicke in sein Inneres tun, ist er so ganz Gefühl
wie in seinen Zeichnungen.
Es ist noch nie der Versuch gemacht worden, wie es doch mit den
Kupferstichen und Holzschnitten geschehen ist, die sämtlichen erhal-
tenen Zeichnungen Dürers einer kritischen Prüfung zu unterziehen
und sie nach ihrer Entstehungszeit zu ordnen. Das wäre auch aus-
sichtslos gewesen, solange es die im Groteschen Verlage von Friedrich
Lippmann unternommene Veröffentlichung der Zeichnungen Dürers
noch nicht gab. Nun liegen von ihr sechs Bände vor und der siebente,
letzte, geht seiner Vollendung entgegen. Aber da die Blätter der Alber-
tina, die den Inhalt des fünften Bandes bilden, und ein großer Teil
der Blätter des sechsten und siebenten Bandes schon längst in treff-
lichen Photographien bekannt waren, wäre ein solcher Versuch schon
nach dem Erscheinen des vierten Bandes möglich gewesen. Aber er
ist nicht gemacht worden, obgleich gar manche Fragen von grundsätz-
licher Bedeutung Vorlagen, ohne deren Lösung die Dürerforschung
eigentlich nicht vorwärts schreiten konnte. Es scheint, als seien diese
Fragen gar nicht recht erkannt worden. Wie wenig ist man sich z. B.
des Unterschieds zwischen einem echten und einem unechten Zeichen
Dürers bewußt geworden und wie wenig hat man über die Herkunft
und die Bedeutung der vielen falschen Jahreszahlen nachgedacht. Das

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