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Flechsig, Eduard
Albrecht Dürer: sein Leben und seine künstlerische Entwickelung (2. Band) — Berlin: G. Grote'sche Verlagsbuchhandlung, 1931

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https://doi.org/10.11588/diglit.30442#0253

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226

Die Zeichnungen

fast einjährigen Aufenthaltes in den Niederlanden. Es ist nicht eben
viel, was erhalten ist im Verhältnis zu dem, was er allein in seinem
Tagebuch vermerkt hat, und das ist längst nicht alles gewesen. Es ist
vor allem weniger, als man bis jetzt immer angenommen hat. Denn
es ist ein Irrtum, zu glauben, jede Zeichnung mit der Jahreszahl 1520
und 1521 sei in den Niederlanden entstanden. Dürer hat selbstver-
ständlich in Nürnberg im Jahre 1520 bis zu seiner am 12. Juli erfolg-
ten Abreise und im Jahre 1521 nach seiner wahrscheinlich Ende Juli
erfolgten Rückkunft gar manches gezeichnet, was sich technisch gar
nicht von den in den Niederlanden gemachten Zeichnungen unter-
scheidet (nur die schwarze Kreide hat er als Zeichenmittel wie es
scheint 1520 in Nürnberg noch nicht gekannt).
Man darf also nur das unter die niederländischen Zeichnungen
aufnehmen, was sich mit Sicherheit oder großer Wahrscheinlichkeit
als in den Niederlanden entstanden erweist. Das sind erstens die Zeich-
nungen, die sich ohne Zwang mit den im Tagebuch genannten in Ver-
bindung bringen lassen. Zweitens die, die des Gegenstandes wegen
nicht in Nürnberg entstanden sein können. Drittens alle Bildnisse,
auf denen die Dargestellten in einer Tracht erscheinen, die nicht in
Nürnberg, sondern nur in den Niederlanden getragen wurde. Das ist
vor allem bei Frauen die Haube, die eine tiefe Falte in der Mitte von
der Stirn nach dem Scheitel zu hat, wie z. B. bei den beiden Frauen
aus Bergen im zweiten Skizzenbuch L. 341 oder der Frau aus Brüssel
im ersten Skizzenhuch L. 564, bei Männern der große Hut, dessen
Krempe durch straff gezogene Bänder in die Höhe gehalten wird, wie
z. B. beim Bildnis Lazarus Rafenspurgers L. 55. Kompositionen Dü-
rers mit der Jahreszahl 1521, auf denen Menschen in niederländischer
Tracht erscheinen, können in den Niederlanden entstanden sein,
müssen es aber nicht. Denn Dürer hat das, was er in den Niederlanden
gesehen hat, nach seiner Rückkehr nicht einfach der Vergessenheit
anheimgegeben, sondern weiter verarbeitet.
Von den Zeichnungen, die Veth und Müller als Arbeiten Dürers in
den Niederlanden aufführen, sind ohne weiteres zu streichen die von
1521, die sich als Studien erweisen zu dem großen nicht zur Ausfüh-
rung gelangten Marienbild mit Heiligen, das Dürer erst nach seiner
Rückkehr in Nürnberg entworfen hat. Wie hätte er schon an große
Einzelstudien gehen können zu einer Zeit, wo der Plan zu dem Ganzen
noch gar nicht feststand? Und wie hätte er vor allem in der Unruhe
der niederländischen Tage an derartige große Arbeiten denken kön-
 
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