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haus, das nach seiner Freilegung ein großes Gewirr von Mauern und Mäuerchen aufwies, wurde
grundsätzlich jede Mauerflucht, d. h. jedes Stück Mauer zwischen zwei Abzweigungen, geschnitten,
und zwar mehrere Male (vgl. Textabb. 2, 1), um so die Möglichkeit zum genauen Vergleichen auch
innerhalb derselben Mauer zu gewinnen. Jede Mauerecke wurde mit einem Schnitt belegt (Text-
abb. 2, 2), um festzustellen, ob die beiden an der betreffenden Stelle zusammenstoßenden Teile
wirklich gleichzeitig seien. Ganz besondere Sorgfalt ward den Stellen gewidmet, an denen drei oder


Abb. 2. Die verschiedenen Arten der angewandten Schnitte.

vier Mauerstücke zusammenstießen, weil hier Entstehung zu verschiedener Zeit am ehesten möglich
war. Wie Textabbildung 2, 3 und 2,4 zeigt, wurden die Eckschnitte stets so angelegt, daß sie je zwei
Mauerteile freilegen mußten, so daß die hier zusammentreffenden Teile bequem miteinander zu ver-
gleichen waren und einwandfrei beurteilt werden konnten. Wir haben damals keine Mühe gescheut,
das ganze Herrenhaus durch diese Schnitte buchstäblich zu zersägen. In ihm allein wurden nicht
weniger als 261 Schnitte angelegt (vgl. Taf.4 oben). In einzelnen Fällen, die von besonderer Wichtig-
keit schienen, gingen wir sogar darüber noch hinaus, schnitten das Mauerwerk nicht quer zur Flucht,
sondern schlitzten es meterlang parallel auf, d. h. wir schlugen die eine Hälfte der Mauerbreite auf
große Strecken heraus (Textabb. 2, 5), um so noch eindeutiger die Beschaffenheit des Mauerinnern ver-
folgen zu können x). Außerdem wurde die Unterkante des Mauerwerkes in jedem Schnitt nivelliert,
und alle sonstigen Höhen, die irgendwie in Frage kamen, sowie an verschiedenen Stellen in der Um-
gebung der Gebäude auch die Geländehöhen festgelegt. Über den Befund jedes Schnittes ward
an Ort und Stelle ein genaues Protokoll aufgenommen.
Die große Arbeit lohnte durchaus die hierfür aufgewandte Mühe. Das ganze Gerippe des
Herrenhauses ward auf diese Weise einer so gründlichen Untersuchung unterworfen, wie sie über-
haupt nicht mehr weitergetrieben werden konnte. Das Ergebnis war, daß das rätselhafte Mauer-
gewirr sich in sechs verschiedene Bauperioden (ohne die kleineren Veränderungen) auflöste und die
zeitliche Entstehung sowie das allmähliche Werden der ganzen Anlage nun klar und verständlich
wurde. Ohne die Anwendung des geschilderten Schnittverfahrens wäre das unmöglich gewesen.
Eingehender wird darüber im Kapitel IV A gesprochen werden.

x) Das gilt z. B. von Schnitt 172 (Tafel 19, 5), durch den eindeutig erwiesen wurde, daß der nordwestliche
Risalit noch zur ersten Periode des Herrenhauses gehörte.
 
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