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] N meinen Aufsätzen stößt der Leser auf die Bemühung, das Eigen-
tümliche dieses oder jenes Malers in Worte zu fassen. Zugleich
werden fragmentarische Ergebnisse einer Sammeltätigkeit geboten,
nämlich jener oft lächerlich gemachten Attributionsarbeit, die mir
zwar nicht als der Zweck, wohl aber als die Grundlage jeder ernst-
lichen Kunstfbrschung erscheint und an der sich die Herren, welche
hochmütig darauf herabsehen, nichtsdestoweniger, wenn auch gewöhn-
lich ohne Talent, beteiligen.
Ich muß vor dem Mißverständnisse warnen, als ob es möglich sei,
nach gläubiger Kenntnisnahme der charakterisierenden Sätze Arbei-
ten dieses oder jenes Malers zu erkennen. Wenn dies mißlingt, so ist
damit die Charakteristik noch nicht herabgesetzt oder widerlegt. Ich
selbst benutze gedankliche Fixierung von Eindrücken niemals als
Instrument zur 'Bestimmung' und hege Mißtrauen gegen Leute, die
mit Zitaten 'Bestimmungen' begründen, verteidigen oder bekämpfen.
Die richtigen Bestimmungen pßegen sich spontan und prima vista
einzustellen. Man erkennt einen Freund, ohne je festgestellt zu haben,
worin das Besondere seiner Gestalt bestünde, mit einer Sicherheit, die
Lektüre und Auswendiglernen des genauesten Steckbriefes nicht zu
geben vermag.
Man mag so gedankenloses Wiedererkennen unwissenschaftlich fin-
den, die 'Methode' dagegen, die Giovanni Morelli zu besitzen glaubte
oder zu besitzen behauptete, als die wissenschaftliche preisen. Ich bin
überzeugt, daß Morelli mit all seiner Methode nichts erreicht hätte,
wenn er nicht ein talentvoller Kunstkenner gewesen wäre, überzeugt
sogar, daß er sich seiner Methode nicht bedient, vielmehr die Resultate
intuitiver Kennerschaft mit dem Mantel falscher Gelehrsamkeit um-
kleidet hat, um ihnen für naive Leute den Anschein unwiderleglicher
Sicherheit zu geben.
Beweisen und widerlegen kann man Bestimmungen nicht. Und die
Irrtümer werden erst als Irrtümer erkannt, wann sie absterben und
abfallen. Die Wahrheit hat hier kein anderes Kriterium, als daß sie
fruchtbar ist. Die richtige Bestimmung bringt Bestimmungen hervor,
die falsche, und wenn sie mit beweiskräftigen Argumenten über und
über gepanzert ist, hält nicht stand, erweist sich mit der Zeit als taub
und tot.
Wissenschaftlich mag man jede stilkritische Feststellung als Hypo-
 
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