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US der Jahrhundertwende macht die kunstgeschichtliche Dar-
/—4L Stellung eine Epoche und setzt zu einem neuen Kapitel an,
auch bei Schilderung der nordischen Malerei. Der geläufige
Gegensatz von Quattrocento und Cinquecento im Süden verführt, den
Einschnitt auch im Norden zu markieren. Das Ordnungsbedürfnis des
Historikers und geheimer Zahlenaberglaube tragen dazu bei, den all-
mählichen Wandel als einen plötzlichen Umschlag erscheinen zu las-
sen, wobei die Beobachtungen gefärbt werden.
Immerhin geht es an, einige Züge als dem 16. Jahrhundert charak-
teristisch im Gegensätze zum 15. hervorzuheben, mit der Einschrän-
kung, daß diese Merkmale nach und nach, hier und dort, innerhalb
einer Zeitspanne hervortreten, die über die Zeitgrenze 1500 vorwärts
und rückwärts erheblich hinausreicht.
Es gibt keinen Maler im 16. Jahrhundert, der in seiner Kunst alle
Eigenschaften der neuen Zeit vereinigte. Man kann die Symptome
aufzählen, muß aber zugestehen, daß von den Meistern, die uns das
16. Jahrhundert repräsentieren, der eine nur in diesem, der andere
nur in jenem Punkt ein Kind seiner Zeit ist. Fast alle Maler, deren
Tätigkeit zwischen 1490 und 1510 einsetzt, hängen irgendwie fest mit
der Tradition zusammen, was die Geschichtsdarstellung übersieht, die
eine vereinfachte Entwicklung, sei es der Übersichtlichkeit wegen, sei
es aus Unkenntnis, lehrt. Quentin Massys ist in wesentlichen Punkten
altertümlicher als Hugo van der Goes. Und die Schilderung, die den
Löwener Meister an den Anfang der neuen Periode stellt, den Genter
Meister aber in die alte Periode einzuordnen gezwungen ist, fälscht die
Beobachtungen.
Die Zeugungskraft der niederländischen Kunst läßt schon in der
2. Hälfte des 15. Jahrhunderts erheblich nach, wie namentlich in
Brügge zu beobachten ist. Sieht man von Hugo van der Goes und
Geertgen ab, ist nirgends Mut und Aktionskraft zu entdecken. Weder
Memlings gefälliges Ausmünzen ererbten Reichtums, noch die müde
Spätblüte der Davidschen Kunst bergen Keime oder Ansätze.
Die Zeit um 1500 bietet ein wirres Bild, in dem gleichzeitige Be-
mühungen, die verschieden voneinander sind, in großer Zahl beob-
achtet werden. Zu bestimmen ist der Charakter und allgemeine Zu-
stand am ehesten im Negativen.
Die Kunst zu Anfang des 16. Jahrhunderts ist ohne Vertrauen und
 
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