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JAN PROVOST

staltet erscheinen, und die weiche Hübschheit der Frauenköpfe ihre
Wirkung nicht versagt.
Einige kleine Beobachtungen, Äußerliches betreffend, möchte ich
nicht verschweigen, da sie, wenn nicht zur Bestimmung, so doch zur
Kontrolle von Bestimmungen willkommen sein werden. Provost liebt
ßdJ gartenmäßig geordnete Landschaft (Blumentöpfe, Spaliere, Beete), er
meidet Fernsicht und weites Land. Er gibt der Gottesmutter off einen
Fingerring — ein Motiv, das, soweit ich sehe, sonst bei keinem Nieder-
länder dieser Zeit vorkommt.
Aufmerksamkeit ist der Handform zu widmen, die wenigstens in
den späteren Arbeiten ein Merkmal ist. Die Finger lang und beweg-
lich in den Gelenken, nicht bogig, sondern eckig, mit Gliedern, die
im Winkel zueinander stehen. An der Innenseite der Hand sind die
Finger von der Handßäche durch eine durchlaufende Gerade scharf
getrennt. Offenbar tut sich der Meister auf eine elegante, vielglied-
rige Hand etwas zugute.
Der üppige Mund mit etwas vorgeschobener Unterlippe, tief lie-
gende Augen sind die sichersten Merkmale des ziemlich konstant
bleibenden Frauentyps.
Es ist nicht leicht, die mehr phantasiereiche als charaktervolle
Persönlichkeit Provosts im Kerne zu erfassen, da die wechselnden, in
Antwerpen auffauchenden Moden seine gefallsüchtige Arbeit be-
rühren. Zumal von Quentin Massys wird Provost angeregt, dessen
ßießende Kantilenen im Faltenwurf er nachzubilden sucht. An Bega-
bung und Geschmack steht er dem Joos van Cleve mindestens gleich,
doch hat er sein Können nicht so tüchtig ausgenutzt wie der Antwer-
pener.
 
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