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Das Vorhandensein zahlreicher bemalter Scherben von altertümlichem Charakter auf der Ruinen-
stätte von Mykenae war von den wissenschaftlichen Reisenden schon lange bemerkt worden.1) Doch
erscheinen jene Bruchstücke jetzt verschwindend geringfügig neben der ungeheueren Menge von Gefäfsen
und Scherben, die im Jahre 1876 durch die Ausgrabungen von II. Schliemanu und die darauf fol-
genden der Griechen mit einem Male au's Licht kamen, lieber diese Grabungen in Mykenae liegt das
bekannte Buch von Schliemann vor, das auch deu Topfscherben Berücksichtigung schenkt, wenn
auch, wie es im Rahmen des Werkes natürlich ist, eine nur untergeordnete. Für die Fundgeschichte
konnten wir aufser dem Schliemann'schen Buche auch in Athen und an Ort und Stelle gemachte
eigene Erkundungen und Beobachtungen verw erten. Die örtlichen Verhältnisse sind in dem vorzüglichen
Werke von Steffen, Karten von Mykenae, nebst Text, Berlin 1884, sorgfältig dargelegt.

Die wichtigsten Momente der Fundumstände sind in Kürze folgende.

Auf der niederen westlichen Terrasse der Burg von Mykenae sind bekanntlich rechts vom Wege
der vom Löwenthore zur Höhe hinaufführte, ziemlich nahe der äufseren Ringmauer sechs Grabschachte
in den Felsen gehauen. Es geschah dies allem Anscheine nach als die Ringmauer bereits stand,
wenigstens in ihrer älteren Gestalt von rein kyklopischer Bauart. Die Schachte dienten als Familien-
gräber und wurde nach jeder Bestattung der Schacht zugeschüttet, doch kein Tumulus darüber
errichtet. Vergl. Koehler, Kuppelgrab von Menidi S. ölff. Auf dem vierten Grabe fand Schlie-
mann indefs in der Höhe des umgebenden Felsbodens einen runden, aus Steinen aufgeschichteten
Altar, der offenbar dem Todtenculte diente; leider ward er zerstört.2) — Die Umgebung der Gräber war,
wie dies bei der wichtigen Lage der Terrasse neben dem Hauptthore und bei der Enge der ganzen Burg
natürlich ist und wie die vorhandenen Reste beweisen, dicht mit Häusern besetzt, die den Spuren zufolge
nahe an die Gräber herangingen. Wahrscheinlich um die drohende Profanation der letzteren zu vermeiden
und den Cult der Vorfahren glänzender wiederherzustellen, ward später ein Kreis gezogen, der alle sechs
Gräber umschlofs; nur die Ecken zweier fielen aufserhalb desselben, da man ihn so eng wie möglich
zog. Zwei Reihen aufrecht gestellter Platten, die von horizontalen Platten bedeckt waren, bildeten den
Kreis, der nunmehr das geweihte Temenos umgab; nach der Seite des Löwenthores zu war der Eingang.
Im Westen wurde eine Stützmauer errichtet, um das Abrutschen der Aufschüttung zu verhindern
und den Plattenring zu tragen. Die Gräber wurden durch Stelen bezeichnet, die noch zum Teil
erhalten sind. Dieselben waren iii horizontale Platten eingezapft, von denen an Ort und Stelle
noch Reste liegen3) und bestehen aus demselben Materiale wie die Platten des Ringes, nämlich
teils aus feinem, hartem Muschelkalk, teils aus weichem, grauem Kalksteine. Am Fufs der meisten
glaubte Schliemann (a. a. 0. S. 104) Reste von Todtenopfern zu bemerken. Der Altar auf dem
genannten vierten Grabe wurde damals verschüttet und eine gleichmäfsige höhere Erdschicht
innerhalb des Kreises hergestellt. Auf dem 3. und 4. Grabe fanden sich drei unsculpirte Stelen;
die eine kleinere davon ist nach oben giebelförmig abgeschrägt und ganz glatt, vielleicht war sie
einst bemalt; die beiden gröfsereu dagegen sind oben gebrochen und können also noch ein Relief an

1) Vgl. Gell, Argolis p. 42. Dodwell, ;i class. tour II, 237. Burgon in den Transact. of the roy. soc. of lit.
1847, II, p. 263 mit Tafel, auf der drei Fragmente der gewöhnlichen Art der Firnifsmalerei 3. Stils abgebildet sind. Mem.
de linst, franc., Acad. des inscr. et bellesdettres 1847, vol. XVII, pl. 9, lff. (R. Rochette).

2) Schliemanu, Mykenae S. 24G; Plan F.

3) Diese, wie die folgenden Angaben sind nach eigenen Beobachtungen gemacht (F.); die Angaben von Schliemann
lassen sich nicht immer damit vereinigen.
 
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