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Gailhabaud, Jules; Kugler, Franz [Hrsg.]
Jules Gailhabaud's Denkmäler der Baukunst (Band 4): Denkmäler der neueren Zeit — 1852

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https://doi.org/10.11588/diglit.3504#0087
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Das Grabmal der Cardioäle Amboise zu Rouen.

m

von

die Klugheit mit Fackel und Compas; viertens die Mässigung mit Uhr und Zügel; fünftens die Stärke
Gestalt eines mit Helm und Harnisch bewehrten Kriegers, der einen Drachen am Halse ergreift; endlich
sechstens die Gerechtigkeit mit Wage und Schwert. Diese Figuren sind mit vieler Feinheit, Sorgfalt und
Kunst ausgeführt.

Die beiden Statuen Georgs von Amboise und Georgs von Amboise-Bussy, seines Neffen und Nachfolgers,
stellen diese Personen knieend und in Cardinalstracht dar. Die linke dieser beiden Statuen ist die Georgs I;
sie war von Anfang an vorhanden und hatte ihren Standort in der Mitte des Denkmals mit zwei weinenden
Engeln zu beiden Seiten. Aber später wollte Georg II, der das Mausoleum errichten liess, dass es auch
ihm als Begräbnissmal diene; er liess daher seine Statue neben der seines Oheims errichten, und letztere
von ihrer alten Stelle an die jetzige rücken. Diese eben erwähnte Statue Georgs II ist nicht auf uns ge-
kommen, weil sie denjenigen, der sie hatte anfertigen lassen, in dem Costume eines Erzbischofs darstellte,
und sie später durch eine andere in Cardinalstracht ersetzt wurde, wie es Georg II, der 1555 zum Cardinal
ernannt worden war, in seinem Testamente gewünscht hatte. Dieser Umstand hat den Verlust eines Werkes
Jean Gougons herbeigeführt, denn die erste Statue Georgs II war von diesem berühmten Bildhauer, wie es
eine Buchführung aus den Jahren 1541 und 1542 bezeugt, in der es also heisst: „A Jean Goujon, tailleur
de pierre et masson, pour faire la teste du prians et sepulture de monseigr. et pour parfaire et asseoir icelle
en sa place oü eile doibt demeurer par le marche du VI april et par ses quittances XXXL*."

Der Theil des Grabmals, der sich hinter den Statuen der beiden Cardinäle befindet, ist ganz mit Sculpturen
bedeckt. Unterwärts befindet sich da ein kleines Stylobat mit cannelirten sehr kurzen Pilastern, zwischen
denen sich Füllungen zeigen, die vor der Revolution die Wappen der Amboise enthielten. Darüber zeigt
sich in einem quadraten Felde ein Basrelief, das den heiligen Georg, den Schutzpatron der beiden Erz-
bischöfe darstellt, wie er den Drachen tödtet. (M. s. Fig. 2 auf der Tafel I.) Im Hintergrunde dieser Dar-
stellung sieht man eine betende Jungfrau, und einen Schäfer der auf das, was vorgeht, wenig zu achten
scheint. Zu beiden Seiten dieses Reliefs sind Nischen angebracht, die von einander durch kleine Pilaster
getrennt werden; diese Nischen enthalten folgende kleine Statuen: 1) einen Bischof oder Erzbischof; 2) die
Jungfrau Maria mit dem Christkind auf dem Arme, das Haar der Jungfrau ist nach mittelalterlichem Brauche
vergoldet; 3) Johannes den Täufer; 4) den h. Romanus, der den Drachen der Legende am Seile führt;
5) einen Heiligen im härenen Gewände; 6) einen anderen Erzbischof mit erhobener segnender Hand. End-
lich sieht man noch in derselben Höhe und nahe den Eckpilastern die Statuen zweier Erzbischöfe unter
sehr zierlich durchbrochenen Baldachinen, und unter diesen Statuen und von der schwarzen Marmortafel,
die die Bildsäulen der beiden Cardinäle trägt, durchschnitten die Figuren der Hoffnung und der Jungfräu-
lichkeit, von denen sich letztere nur erhalten hat. (M. s. Fig. 1. der Tafel 2.)

Die untere Fläche des Gebälks ist in Cassetten getheilt; an ihrem äusseren Rande hängen drei Cul-
de-Lampe's herab; sie ist mit Vergoldungen verziert, die sich von einem blauen Grunde abheben, der mit
der Zeit grünlich geworden ist. Der Fries hat eine Arabeskenverzierung.

In der Attike sind sechs grosse Nischen, jede mit zwei Figuren, und sieben kleinere Nischen, jede
mit einer Figur, angeordnet. In den grossen Nischen sind die Gestalten der Apostel an ihren Attributen
kenntlich. *) Ueber dieser Attike endigt das Monument in Thürmchen mit verschiedenen kleinen Figuren,
und in Pyramiden, die aus ä jour gearbeiteten Arabesken gebildet sind. (M. s. Tafel 2. Fig. 2.) Das gothische
Motiv dieser Krönung ist leicht erkennbar.

Das Grabmonument ist ungefähr 20 Fuss breit und 25 Fuss hoch. Es war von Anfang an nicht dazu
bestimmt das Grab der beiden Cardinäle selber zu sein; die sterblichen Reste derselben ruhen in einer
kleinen Grabkammer am Fusse des Denkmals, die durch eine schwarze Marmorplatte mit Inkrustationen
von weissem Marmor bedeckt ist.

Das Mausoleum der Cardinäle Amboise ist unstreitig eines der merkwürdigsten Werke der Sculptur-
architectur, das nur die Renaissance hervorgebracht hat; es ist wahrscheinlich das glänzendste Werk dieses
Styles, und wir haben uns daher für verpflichtet gehalten es in unsere Sammlung aufzunehmen. Das reiche
Material dieses Grabmals, die Vollendung und zarte Ausführung seiner Verzierungen, ihre Eleganz und
Mannichfaltigkeit, endlich die Fülle von Figuren, die das Ganze beleben, überraschen den Beschauer und
lassen ihn ein Erstaunen empfinden, das gewiss seinen Reiz hat. Indessen wird ein strengerer Geschmack

Die

•) Die beiden Apostel, die man auf unserem Kupfer sieht, sind Jacobus der Jüngere und Philippus; der erste, der durch den
Schlag einer Keule zu Jerusalem getödtet wurde, hält deshalb eine solche in der Hand; der andere hat als Attribut ein
Kreuz, das an seine Todesart erinnert.
 
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