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Die Gartenkunst — 14.1912

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Heicke, C.: Winke für den Blumenschmuck unserer Gärten, [1]
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XIV, 2

DIE GARTENKUNST.

29

mit Unrecht. Denn zweifellos liegen in ihm beachtens-
werte künstlerische Möglichkeiten, und da es ausge-
schlossen erscheint, daß wir auf die Dauer mit den
einfachen Rechtecken und ihrer einfarbigen Bepflanzung,
zu denen als Gegenstück inzwischen ja schon die Bunt-
heit der Staudenrabatten und Staudenmauern aufge-
kommen ist, die Verwendungsmöglichkeiten unserer
Pflanzenschätze im Blumengarten erschöpfen werden,
so darf angenommen werden, daß Teppichbeet und
Teppichgärtnerei demnächst ihre künstlerische Wieder-
geburt erleben werden.

Aber noch ein anderer Umstand hatte die restlose
Erledigung der Teppichbeete gefördert. Mit der An-
knüpfung an den Hausgarten der Biedermeierzeit war
auch die Blumenliebhaberei wieder erwacht. Im Rahmen
des Teppichbeetes konnte die im Gemüt wurzelnde
Blumenliebe nicht befriedigt werden, seine formale
Schönheit und kalte Pracht genügte nur dem Auge.
Das Teppichbeet läßt keine fortschreitende Entwicke-
lung der Pflanzen zum Knospen und Blühen zu; es
muß mit Fertigstellung der Bepflanzung an sich eigent-
lich vollendet sein und die Pflege hat sich darauf zu
beschränken, das Wachstum der Pflanzen durch Be-
schneiden in solchen Grenzen zu halten, daß Zeichnung
und Form des Beetes nicht verwischt werden.
Deshalb wurden in der Teppichgärtnerei auch nur
solche Pflanzen bevorzugt, welche einen zwergförmigen
oder rasenartigen Wuchs haben, und daher die geringe
Anzahl der zur Verwendung gelangenden Arten.

Für die Fülle unserer schönen Blütenpflanzen ist also
in der Teppichgärtnerei kein Raum, namentlich nicht
für die reichen Schätze unserer Sommerblumen, Stauden
und Zwiebelgewächse, deren Schönheit man sich heut-
zutage in keinem Garten mehr entgehen lassen will.
Selbst wenn also unsere Annahme zutrifft, daß man
sich in der Gartenkunst demnächst auch wieder der
vorübergehend in den Hintergrund getretenen Teppich-
beete zuwenden wird, darf doch bestimmt erwartet
werden, daß ihre Rolle eine beschränktere und ihre Ver-
wendung künftig weit mehr als in der Vergangenheit
an bestimmte Voraussetzungen gebunden sein wird,
die in den jeweiligen Umständen und örtlichen Ver-
hältnissen liegen. In der Hauptsache wird das Blumen-
schmuckbedürfnis, wie das ja nur natürlich und einer
gesunden Entwickelung entsprechend ist, seine Be-
friedigung in der Verwendung der schönen Blüten-
pflanzen suchen;, deren uns ja für alle erdenklichen
Fälle eine überreiche Auswahl zu Gebote steht.

In ihrer Verwendung hat man neuerdings offen-
sichtlich Fortschritte gemacht, wenn auch nicht be-
stritten werden kann, daß den meisten deutschen
Gärtnern noch die Treffsicherheit für vorteilhaft wir-
kende Blumenzusammenstellungen abgeht, die man
in englischen Gärten bewundern kann. Namentlich
hinsichtlich der Farbenwirkung gilt dies. Aber es wäre
falsch, hierbei eine zu große Ängstlichkeit an den Tag
zu legen. Begangene Fehler lassen sich auf diesem
Gebiete leicht verbessern und im hellen Sonnenlichte

darf eine Farbe neben einer anderen auch schon ein-
mal schreien; nur fluchen soll sie nicht, wie mir mal
eine holländische Dame gesagt hat. Was dem deutschen
Gärtner aber eine gewisse Schwerfälligkeit gibt, das
ist seine unbewußte Neigung zu systematischer
Ordnung und Pedanterie, eine Eigenschaft, die ja zu
mancherlei gut, aber der Betätigung künstlerischen
Geschmackes oft hinderlich ist. Der deutsche Gärtner
pflanzt z. B. Staudenrabatten, der Engländer „flower
borders“, mit anderen Worten, jener glaubt auf
solchen Rabatten nur echte Stauden zusammen-
stellen zu dürfen und erschwert sich dadurch die
Sache unnötig; denn es ist nicht leicht, nur mit
Staudengewächsen den ganzen Sommer hindurch einen
fortgesetzten reichen Blütenflor in guten Farben-, Größen-
und Massenverhältnissen zu unterhalten. Dieser wählt
einfach „Blumen“ ohne Rücksicht auf ihre botanische
Zugehörigkeit und füllt die zeitweiligen Lücken im
Staudenflor durch passende ein- und zweijährige Ge-
wächse, Kalt- und Warmhauspflanzen aus.

Im kleinen Hausgarten mag es oft angehen, daß
es mit der Ausfüllung solcher Lücken nicht so genau
genommen wird. Dem Besitzer, welcher seine Lieb-
linge kennt, bereitet es wohl ebenso viel Freude und
Genuß, deren allmähliches Hervorsprießen, Wachsen,
Knospen und endliches Blühen zu beobachten, wie
einem anderen die mit Sorgfalt und Überlegung durch-
geführte fortdauernde und lückenlose Blumenpracht
seiner Rabatten. In großen Gärten, namentlich auch
in öffentlichen Anlagen, wünscht man meist alle
Plätze, wo Blumenschmuck angebracht erscheint, jeden-
falls aber die bevorzugtesten Stellen, vom Frühling bis
in den Herbst hinein in einem fortlaufenden, gut abge-
stimmten Flor zu sehen und da ist es nicht angängig,
die Entwickelung der Pflanzen bis zum Eintritt der
Blüte an Ort und Stelle vor sich gehen zu lassen;
sie müssen vielmehr in der Gärtnerei einer, geeigneten
Behandlung unterzogen werden, so daß sie erst kurz
vor dem Erblühen an ihren Bestimmungsort verbracht
werden und dort an die Stelle von inzwischen bereits
abgeblühten anderen Arten treten können. Nur ein
gewisser Bestand kann an Ort und Stelle dauernd
ausgepflanzt bleiben.

Man wird bei diesem Verfahren mancherlei Er-
fahrungen machen; denn bei weitem nicht alle Frei-
landstauden lassen sich im vorgeschrittenen Stadium
verpflanzen, wie ja überhaupt die Verwendung unserer
Blütenpflanzen im allgemeinen und diejenige der Stauden
im besonderen manche Schwierigkeiten bereitet, die
man bei der bequemen und einfachen Anwendung der
Teppichbeetpflanzen nicht kannte. Und die oft ge-
hörte Anschauung, daß die Stauden das dankbarste
und anspruchloseste Material für den Blumenschmuck
unserer Gärten seien, zumal sie, einmal an Ort und
Stelle gebracht, dauernd und ohne besondere Pflege
alljährlich durch immer reicheren Blumenflor erfreuen,
ist nur zu sehr geeignet, manche empfindliche Ent-
täuschung zu bereiten.
 
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