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Die Gartenkunst — 14.1912

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Faulwetter, Hermann: Die Gartenkunst im Mittelalter, [1]
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https://doi.org/10.11588/diglit.20815#0040

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32

DIE GARTENKUNST.

XIV, 2

Stellungen, und glücklicherweise besitzen wir aus
dem Mittelalter eine ganze Reihe von Abbildungen,
die uns über den Garten Aufschluß geben können.
Diese Bilder sind nicht etwa in der Absicht entstanden,
Gartenanlagen zu schildern, aber die alten Meister
haben vielfach gern die Gelegenheit ergriffen, ihre
Personen in den Garten zu setzen, und berichten uns
so in beredter Weise von vielen Einzelheiten im Garten.

Diese Überlieferungen müssen uns bei der Suche
nach den Wesenheiten des deutschen Gartens von
größtem Werte sein.

Die Resultate, die auf diese Weise zustande kommen,
werden nicht in allen Fällen Zeugnisse von tatsächlich
bestehenden Gärten darstellen, sondern der Garten als
Hintergrund eines Bildes z. B. von Albrecht Dürer
oder Hans Memling wird oftmals aus der Phantasie des
Meisters entstanden sein. Das dürfte jedoch für den
hier verfolgten Zweck ohne jede Bedeutung sein, denn
zweifellos spiegelt sich auch in diesen Phantasiegärten
die Auffassung der damaligen Zeit wieder. Ja, man
darf sogar von der Überzeugung ausgehen, daß diese
Darstellungen den von der künstlerischen Fähigkeit
des Meisters geläuterten Gartenstil nach mittelalter-
licher Auffassung zur Anschauung bringen.

Wenn hier der Ausdruck Gartenstil angewandt
wird, so kann er naturgemäß nur bis zu einer gewissen
Einschränkung eine Bedeutung nach der heutigen An-
schauung haben, und zwar dahingehend, daß mit Sicher-
heit eine gewisse Gleichartigkeit in der Anlage und
Behandlung der Gartenfläche festgestellt werden kann.

Das Bewußtsein einer einheitlichen architektoni-
schen Gliederung im Gärten scheint für Deutschland
im Mittelalter gänzlich gefehlt zu haben. In den meisten
Fällen beherrscht aber doch die Beachtung einer domi-
nierenden Symmetrieachse die gesamte Komposition
des Gartens. Ganz besonders trifft das bei denjenigen
Meistern zu, die am Ausgange des Mittelalters tätig,
waren. An diesen ist deutlich ein Einfluß der süd-
europäischen Kultur währzunehmen, und es erscheint
daher notwendig, auch die italienischen Meister in das
Studienfeld hineinzuziehen.

Nach Lage der ganzen Verhältnisse war es nicht
möglich, die Grenzen des geschichtlichen Mittelalters
— vom Verfall des römischen Reiches bis zum Beginn
des Humanismus — innezuhalten. Die Grenzen mußten
zum Ausgange des Mittelalters etwas erweitert werden,
um aber doch einen bestimmten Abschluß zu erzielen,
ist die Zeit um 1560 als Wendepunkt der Kultur fest-
gelegt worden.

I. Historisches.

Die ältesten Angaben über Gartenanlagen finden
sich in den uns erhalten gebliebenen Bruchstücken der
poetischen Literatur des Mittelalters. Sie stammen aus
Zeiten, welche wir in bildlichen Darstellungen nicht ver-
folgen können.

Einer großen Vorliebe scheinen sich die Rosen-
gärten erfreut zu haben, von denen der Rosengarten

der Königin Krimhild zu Worms aus der deutschen
Heldensage das bekannteste Beispiel darstellt. Es muß
aus vielem vermutet werden, daß derartige Rosarien
auch später noch bestanden haben. Sie dürfen nicht
mit den heutigen Rosenpflanzungen verglichen werden,
sondern scheinen hauptsächlich in rosenumrankten
Wandelhallen oder Gängen bestanden zu haben, in
deren'Inneren das ritterliche Tournierfeld gelegen war.

*) „Der Rosengarten bezeichnet im Mittelalter den
Inbegriff aller Lust und Wonne. (Grimm, Deutsches
Wörterbuch). „Im Rosengarten sein“ ist ein sprichwört-
licher Ausdruck für Behagen und Fröhlichkeit (Uhland,
die deutschen Volksbücher, 4. Liebeslieder). In der
Heldensage ist er der Schauplatz von Tournieren, am be-
kanntesten die Zweikämpfe im Rosengarten der Krim-
hild bei Worms. (In dem Gedicht „Der Rosengarten“
aus der zweiten Hälfte des 13. Jahrhunderts, her. von
W. Grimm, 1836.) Die häufig vorkommende Erwäh-
nung als Tournierplatz läßt darauf schließen, daß er
nicht, wie wir es nach modernen Anlagen gleichen
Namens vermuten könnten, mit Rosenstöcken besetzt
war oder Spaliere an Wegen entlang den Garten durch-
querten. Es muß zum wenigsten in der Mitte ein freier
Raum gewesen sein, der von einrahmenden Rosen-
spalieren seinen Namen erhielt. Er wird identisch ge-
wesen sein mit dem Teil des Gartens, den bildliche
und literarische Darstellungen als den wichtigsten und
anmutigsten schildern: ein blumendurchwirkter Rasen-
platz mit einem Brunnen in der Mitte, oft auch als
„wisgart“ (Wiesengarten) Grasgarten bezeichnet. Boc-
caccio erzählt in der Einleitung zum dritten Tag des
Dekamerone: höheren Beifall noch als alles übrige ver-
diene eine Wiese in der Mitte des Gartens von zartestem
und so dunkelgrünem Grase, daß es beinahe schwarz er-
schien. Mit tausenderlei bunten Blumen war sie durchwirkt
(dipinto) und rings umschlossen von grünenden, kräftigen

Orangen- und Zitronenbäumen.In der Mitte des

Gartens stand ein weißes Marmorbecken, worin eine Figur
auf einer Säule einen Wasserstrahl hoch emporschleu-
derte. Das aus dem Becken überquellende Wasser wird in
„verborgenen Rinnen“ unter dem Rasen fort in „schön
und künstlich angelegte“ Kanäle geleitet, die rings um
die Wiese herumführen.“

Auch H. Jäger*) **) weiß von dem Bestehen mittel-
alterlicher Gärten zu berichten: „Karl der Große gilt zwar
als einer der ersten Einführer geregelter Gartenkulturen,
allein was wir darüber wissen, ist wenig und erstreckt
sich nicht auf Schmuckgärten. Der Mönch Angilbert
(Angelbertus), am Hofe Karls des Großen erzogen,
nachmals Abt von Cantula (Saint Riquir) in der Pi-
cardie, erwähnt in einem noch erhaltenen Bruchstück
eines lateinischen Epos die Gärten Karls zu Aachen und
Ingelheim am Rhein, dessen Kaiserpfalz merkwürdiger-
weise spurlos verschwunden sein soll.“ (Oberst von Co-
hausen, hat die Lage des einstigen Gartens nachgewiesen).

*) A. Grisebach, „Der Garten“, S. 3.

**) H. Jäger, „Gartenkunst und Gärten sonst und jetzt'1.

(Fortsetzung folgt.)

Für die Redaktion verantwortlich: Gartenarchitekt R. Hoemann, Düsseldorf-Grafenberg. Selbstverlag der Deutschen Gesellschaft für Gartenkunst.

Druck der Königl. Universitätsdruckerei H. Stürtz A. G., Würzburg.
 
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