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Die Gartenkunst — 14.1912

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Ammann, Gustav: Aus einem alten Schweizer-Garten
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https://doi.org/10.11588/diglit.20815#0184

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176

DIE GARTENKUNST.

XIV, 11

Abb. 5. Gut „Zur Schipf“: Die alte Pappel am See
neben dem zweiten Gartenhaus.

Wein, edler Wein, Kastanie, Pappel, im Hintergrund
ein Nußbaum. Und doch, wie wohltuend ist gerade
diese Einfachheit. Und wenn im Frühling die Kastanie
ihre Blütenkerzen bringt oder wenn im Herbst die
Purpurfarbe der wilden Rebe sich in blauen Fluten
spiegelt und die edle Rebe goldne Bänder um das
Haus herum webt, dann bleibt manch einer stehen
vor all der Pracht.

In Terrassen steigt nun der Garten jenseits der Straße
empor ins Rebgelände. Dunkle Koniferen rahmen z. T.
die Treppen ein (Abb. 6) gleich düsteren Riesen. Über
der Mauer ist das Gelände wieder flach. Auch das
Gebäude hat die Höhe überwunden. Eine bogenüber-
wölbte Veranda steht an der Grenze von Hoch und
Tief (Abb. 7). Man schaut durch die Ranken der
edlen Rebe hinab auf den tiefer liegenden Garten,
hinaus auf den See und durch den Rahmen alter
malerischer Bäume in die Ferne auf den Kranz der
schneebedeckten Berge.

Daneben wendet das Gebäude eine breite Giebel-
seite gegen die Terrasse und auf diesem Giebel steht
die Hauptachse des oberen Gartens, die ungefähr auf
derselben Horizontale liegt. Ein Reblaubengang führt
weit hinaus in den Garten, nach einem Gartenhaus,
dessen Terrassen hoch über den See hinaus gebaut
sind. Riesige Pappeln und Akazien markieren diesen
Aussichtspunkt von weitem.

Vor dem Giebel des Gebäudes steht auf dem
Parterre eine Zeder, umkränzt von der anmutigen
Berberis Thunbergi. Brennendes Zinnober und Orange
leuchten die kleinen Blättchen und daraus schimmern
die korallenroten Beeren. Eine zierliche Sagina spinnt
ihre zarten Fäden über die Fläche, während Rosen-
stämme die längslaufenden Wege begleiten. Nach
außen schließt wiederum die edle Rebe von der unteren
Terrasse heraufklimmend den Weg. Kübel von Gra-
natenbäumen stehen hier und dort.

Bergaufwärts liegt noch ein Gemüsegarten von
Spalierobst umgeben, dann steigt der Weg Stufe über
Stufe durch die Reben hinauf, hier zum Spielplatz
erweitert, dort über eine kleine Terrasse, die ein
schöner Baum beschattet bis zum Waldrand empor.
Ein kleines Gartenhaus ladet auch hier zur Ruhe ein.
Gleich einem dicken Filz umklammern es die durch
fortwährendes Schneiden verkrümmten Äste der Thuya,
Polster von bald Meterdicke bildend. Die Aussicht
auf den tief unten liegenden See ist nur noch durch
eine schmale Ritze möglich. Aber gerade durch seine
Abgeschlossenheit ist es so gemütlich drinnen. Noch
einmal überstrahlt die untergehende Sonne die Pracht,
leuchtet über dem goldenen Blatt des Weinstockes,
dann huscht sie über die Spitzen der Tannen oben
am Berg. Nun versinkt sie und mit ihr all die Herrlichkeit
unter mir. Noch ein fernes Leuchten aus den Firnen der
Alpen, dann ein immer tieferes Blau, das langsam vom
Dunkel der aufsteigenden Nacht verzehrt wird.

Abb. 6. Gut „Zur Schipf . Aufgang zur oberen Gartenterrasse.
 
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