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Die Gartenkunst — 14.1912

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Kania, Hans: Schlösser und Gärten von Sanssouci: Vortrag
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https://doi.org/10.11588/diglit.20815#0223

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216

DIE GARTENKUNST.

XIV, 14

Abb. i. Rathaus in Kopenhagen vom Rathausplatz gesehen.

Richtungen zu spüren ist. Ihm verdanken wir daher ge-
wöhnlich die besten Arbeiten -— legt er doch seine ganze
Leistungsfähigkeit, seine Seele und Gedanken, in sein Werk,
seine Schöpfung hinein, vermag daher im höheren Grade als
die von Traditionen gehemmten durch seine Kunst zu den
Herzen des Volkes zu reden, für das er arbeitet. —

Herr Gartenarchitekt Gläsel ist eben ein derartiger
Künstler. Und sein „Rathausgarten“ kann meiner Meinung
nach als gutes Beispiel dienen. Er ist so zu sagen dem Kopen-
hagener ans Herz gelegt worden, und ist doch gleichzeitig
frei von Stil Architektur im Sinn obiger Ausführung.

Wenn es auch hier in der „Gartenkunst“ anscheinend
überflüssig ist, will ich doch darauf aufmerksam machen, daß
— wenn von italienischer Renaissance die Rede ist — man
sich immer der großen Änderungen erinnern muß, denen
dieser vorzügliche Stil unterlag, obwohl
der Charakter wie auch das Wesen des-
selben von Anfang bis Ende beibehalten
wurde. Im Anfang jener Periode wen-
dete man so zu sagen nur ebene Flächen
und gerade Linien an. Erst gegen das
Ende jener Zeit kamen diagonale Durch-
schneidungen nebst dem Kreisbogen im
weiteren Umfange zur Anwendung, so
wie man auch auf Rabatten stößt, von
denen in den ersten Anlagen keine Spur
vorhanden ist. Im großen Ganzen spürt
man ein freieres Denken — eine ein-
fachere und mehr demokratische An-
schauungsweise — wahrscheinlich weil
die ausübenden Künstler nicht mehr so
abhängig von der aristokratischen Macht
waren, die die Gartenkunst des römischen
Volkes prägte.

Auf die Renaissance jener Zeit muß
der Rathausgarten in Kopenhagen zu-
rückgeführt werden — selbstverständ-
lich nicht als Kopie, aber doch mit der-
selben einfachen Idee gebaut und bis zum
kleinsten Detail seinem Zweck getreu.

Und wenn ich betont habe, daß dieser
Stil eine Mauereinfassung fördert, stütze
ich mich auf mein Studium des Garten-
stils jener Zeit, aus welcher hervorgeht,
daß eben ein kräftiger, gradliniger Rah-

men erforderlich ist. Demgemäß kommt
die Mauer sehr oft in Anwendung. Da-
mit sei doch nicht gesagt, daß man sie
nicht entbehren kann ohne dadurch den
Charakter und das Wesen des Stils ein-
zubüßen. Der Rathausgarten in Kopen-
hagen liefert in der Beziehung einen vor-
züglichen Beweis, es kommt nur darauf
an, daß der Künslter vermag, die erfor-
derlichen Anpassungen vorzunehmen.

Jede Kunst ist veränderlich — die
Gartenkunst vielleicht mehr als jede
andere. Das sehen wir heutzutage, und
das bemerken wir sofort, wenn wir diese
Kunst und ihre Entwickelung unter den
verschiedenen Völkern und durch die
vergangenen Zeiten studieren. Und im-
mer war irgendeine Nation die leitende.
Das Pendel der Gartenkunst hat seiner-
zeit am stärksten über Italien geschwun-
gen, dann über Frankreich und zuletzt
durch Jahre über England. Vieles deutet
darauf, daß das Pendel heutzutage am
stärksten über Deutschland schwingt.
Wie lange dieses dauern wird, hängt von
verschiedenem ab, das hier nicht be-
sprochen werden kann; aber unabänderlich würde Deutschlands
Führerstellung den anderen Nationen gegenüber abwärts gehen,
wenn es die Fenster nach außen zumachte und meinte, es sei
sich selber genug. Jetzt bricht sich die Gartenkunst in keinen
geringen Umfang über die Grenzen Deutschlands heraus Bahn.
Überall wo sie hinkommt, versucht man sie zu bearbeiten und den
örtlichen Verhältnissen anzupassen. Auf die Weise geschieht
es leicht, daß sie erneuert wird und zwar zum Besseren; und
wenn sie auch mit diesem neuen Zuschnitt nicht gleich mit
demjenigen übereinstimmt, wovon sie ausgeht, so ist es für
dieses alte doch immer eine Lebensbedingnng, das neue
hereinzulassen. Das alte Wort „Stillstand sei gleichdeutig mit
Rückschritt“ findet nirgends richtigere Anwendung, als inner-
halb der Gartenkunst. Nichts in dieser Welt ist vergänglich.
Es wechselt nur Form und dadurch gewöhnlich auch Funktion

Abb. 2. Rathaus Kopenhagen vom Rathausplatz gesehen.
 
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