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Die Gartenkunst — 14.1912

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Staehle, ...: Die Gartenkunst in ihrer Stellung zum Kunst- und Kulturleben unserer Tage: Vortrag
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226

DIEG ARTEN KUNST.

XIV, 15

vom Wesentlichen allen Naturgeschehens durchdringt
als ein wichtiges Moment auch unser Kunst- und
Kulturleben. Daher nähert sich der Kunstausdruck
auch mehr denn je einer Vertiefung der durch die
Natur gebotenen Anregungen. Kein Künstler unserer
Tage wird etwas Vollgültiges leisten können, er habe
denn die Natur studiert. Und doch ist in keiner der
Kunstrichtungen eine Nachahmung der Natur zu ver-
spüren. Die künstlerische Idee gestaltet aus der

Betrachtung der Natur die Schönheitsform zu feinem
Kristall geschliffen heraus. Es ist nicht mehr Natur,
es ist der Ausdruck seelischen Erlebnisses geworden,
das auf empfängliche Gemüter in derselben Stärke
wirkt, wie beim Künstler selbst. Eine solche Um-
wertung der sinnlichen Welt in eine höhere vergeistigte
Form, ist charakteristisch für heutiges Kunstempfinden.
Daher kommt es auch, daß manches Kunstwerk der
Malerei und Plastik auf unser Auge nicht immer den
wohltuenden Eindruck erweckt, wie es mit Vorliebe
zu früheren Zeiten beabsichtigt, erströbt wurde. Ein
Zug des Herben, des Unerbittlichen begleitet gar
oft die heutigen Kunstschöpfungen. Die Schönheit
geht uns erst im rechten Lichte auf, wenn die Seele,
die im Kunstwerk schlummert, zu uns redet. Der
Wahrheit wegen nimmt der Künstler Abstand, unseren
Sinnen zu schmeicheln.

Einen schwierigen Standpunkt hatte von jeher
die Gartengestaltung in Verwertung der mehr oder
weniger gereiften Naturerkenntnis. Wurde die Natur in
ihrer Willkür einbezogen in den Garten, so war der
Charakter eines selbständigen Kunstwerkes verwischt,
wurde die Natur zu steigern oder zu idealisieren
gesucht, dann war es allzu offensichtlich, daß die
Natur einer Steigerung nicht fähig und daß eine
Idealisierung einem Schematismus anheim fiel. Die
Natur blieb in ihrer Urwüchsigkeit eben immer noch
schöner, als jedes Mehr oder Weniger, das der Kunst-
wille zuzunehmen oder abzustreichen gesonnen war,
vermocht hatte. Es mag zugegeben werden, daß
besonders schwärmerisch veranlagte Naturen einer
großen Versuchung ausgesetzt sind, ein Stück Natur-
leben im Garten entstehen zu lassen als Ersatz für
die besonders in der Nähe der Städte mangelnde
Üppigkeit sich selbst überlassener Naturszenerien,
wie sie etwa auf der Heide, im Moorgebiet, auf hohen
Bergen zu finden sind. Aber das was die anderen
Künste gerade in unserer Zeit mit aller Deutlichkeit
erkennen lassen, gilt auch für die Gartenkunst: Die
Betrachtung der Natur und das Eindringen in ihre
schlichte Größe, die Folgerichtigkeit von Ursache und
Wirkung, kann nur insofern nutzbar gemacht werden
für Kunstschöpfungen, als menschliche Ausdrucksfähig-
keit dadurch bereichert wird. Der Standpunkt wird
also immer der sein, daß der Allgemeineindruck, den
ein Stück Natur auf uns macht, maßgebend sein wird
für die Umwertung zum Kunstwerk und daß wir aus
diesem Allgemeineindruck das typische, charaktervolle
herausgreifen, es uns zu eigen machen und als einen

Ausdruck unserer Persönlichkeit wieder von uns geben.
Das Vorstellungsvermögen des Gartenkünstlers gründet
sich auf dieselben seelischen Vorgänge, wie das anderer
Kunstschaffender, das den Menschen zum Maß aller
Dinge macht, das in ihm die Gesetze des Ebenmaßes,
des Farbenklanges, des Rhythmus der Komposition
erweckt. Die Natur ist wohl denkbar ohne den Menschen,
nicht aber der Garten, der immer sein eigenstes Werk
sein muß. Damit ist natürlich nicht gesagt, daß der
Garten der Neuzeit rein formal sich gestaltet. Innerhalb
der gesetzmäßigen Gartengliederung wird das Pflanzen-
leben erst zur eigentlichen Schönheit geweckt. Wozu
hätten wir denn sonst den Reichtum an Pflanzen-
schätzen, wenn nicht der Garten sie aufzunehmen be-
stimmt wäre, soweit sie ein richtiges Taktgefühl zuläßt.
Welche mannigfachen Möglichkeiten bieten sich in der
Zusammenstellung von Farbensymphonien innerhalb
des Gartenreiches. Welch eine Fülle von Schönheit —
um nur ein Beispiel zu nennen — vermag eine Stau-
denrabatte in wohl erwogener Farbenabstimmung uns
zu bieten. Aber in allem als oberstes Gesetz: Der

Garten ein Werk von Menschenhand, von Ordnung
durchdrungen, jeder Teil in logischer Folge zum andern,
räumlichen Empfinden entsprungen.

Ich glaube Ihnen hinlänglich gezeigt zu haben,
wie die Gartenkunst im Großen ganzen im Sinne der
Moderne sich entwickelt und entwickeln muß und wie
damit unser Kulturbewußtsein eine wesentliche Er-
gänzung erhält. Nun gilt es die gewonnenen Posi-
tionen festzuhalten. Es genügt nicht, daß die Garten-
kunst ausübenden Kräfte nur in ihrem rein gärtnerischen
Fache ausgebildet werden. Das Eindringen in die
Kunstgedanken unserer Zeit, in ihre Formensprache
ist mindestens ebenso wichtig als die Kenntnis vom
Leben der Pflanzen. Wenn auch der Gartenkünstler
nicht Allkünstler sein kann, so muß doch sein Blick
weiter reichen als es lange Zeit für genügend gehalten
wurde. Es kann das Ansehen und die Stellung der
Gartenkunst andern Künsten gegenüber nur heben,
wenn wir Persönlichkeiten haben, die für die Größe
unserer Zeit und für ihr Sehnen nach vollendeter
Lebensführung Verständnis haben, die ihr ganzes Können
einsetzen, die Werke der Gartenkunst zu einem be-
redten Ausdruck unserer Kultur werden zu lassen.

Die nächste Zukunft unserer heutigen Gartenkunst
läßt sich natürlich mit Sicherheit nicht vorher sagen.
Die Vorbedingungen einer prächtigen Entfaltung sind
vorhanden. Es kann aber auch nicht verschwiegen
werden, welche Gefahren aus den Erscheinungen unserer
Zeit resultierend einer Weiterentwickelung entgegen-
stehen.

Die Belebung der Kunst in der allgemeinen
Weise wie ich es Ihnen schon ausgeführt habe, hatte
zur Folge, daß das Kunsthandwerk auf ein Höhe wie
lange zuvor nicht kam. Die Nachfrage nach seinen
guten Erzeugnissen wurde immer größer und damit
vermehrten sich immer mehr die Produzenten. Der
scharfen Konkurrenz wegen betrieben und betreiben
 
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