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Die Gartenkunst — 14.1912

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Hörmann, Reinhard: Die künstlerische Ausbildung des Gartenarchitekten: Vortrag
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https://doi.org/10.11588/diglit.20815#0241

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234

DIE GARTENKUNST.

XIV, 15

Ist nun aber, so frage ich, in der Tat das Maß
der allgemeinen Bildung des jungen Gartenkünstlers
so, wie man es nach diesen Ausführungen verlangen
muß?? Ich kann die Frage leider nicht mit einem
freudigen „Ja“ beantworten. Schon die Vorbildung
der Gartenbauschüler auf einigen unserer Gärtnerlehr-
anstalten ist eine so ungleichmäßige und teilweise so
geringe, daß n. m. E. hier zuerst der Hebel angesetzt
werden muß.

Freilich möchte ich nicht, daß nun ein junger
Mann, der infolge irgendwelcher Verhältnisse nicht in
der Lage war, sich auf unseren guten Schulen (Gym-
nasium, Realgymnasium, Realschulen) eine ausreichende
Bildung zu erwerben, der aber eine hervorragende
künstlerische Begabung offensichtlich verrät, von der
Ausbildung zum Gartenarchitekten ausgeschlossen wird,
das Gegenteil ist der Fall, aber ich möchte auch hier
verlangen und beanspruchen, daß die Bildungslücken
durch eine neu zu schaffende Gelegenheit ausgefüllt
werden können, ich möchte, daß das Verlangen für den
Gartenarchitekten, für den Architekten, den Maler, den
Bildhauer, kurzum für jeden, der in seinem Künstler-
beruf die höchste fachliche Ausbildung auf Grund
seiner besonderen künstlerischen Fähigkeiten erworben
hat, dem aber eine ausreichende Vorbildung, eine All-
gemeinbildung fehlt.

Solche Fälle werden aber mehr oder weniger ver-
einzelte Erscheinungen sein und bleiben und sind
dementsprechend zu behandeln.

Ist eine gute Vorbildung in Form einer aus-
reichenden Allgemeinbildung vorhanden, so ist die
nächste Forderung eine gute, technische Ausbildung
und die Aneignung einer vorzüglichen Materialkenntnis.
Dies letztere ist für den Gartengestalter besonders
wichtig. Diese Forderung wird auch mehr oder weniger
ausreichend auf den Gartenbauschulen heute erfüllt,
und etwaige Lücken und Mängel sind wohl ohne über-
große Schwierigkeiten zu beseitigen.

Es käme als Drittes und Wichtigstes vielleicht
dann die künstlerische Ausbildung des jungen Garten-
architekten und zwar eine Erziehung zu jener gründ-
lichen, in die Tiefe gehenden, künstlerischen Bildung,
welche allein als die Grundlage einer reiferen Ent-
wickelung betrachtet werden muß. Es kommt dabei
nicht so sehr darauf an, den Schülern eine Menge der
verschiedenen Stilarten einzutrichtern, sondern die
künstlerischen Richtlinien und Zusammenhänge für das
Entstehen und die Verwendung dieser Formen erkennen
zu lassen, auf daß sie das so Erkannte selbständig
auszubauen vermögen.

Das, was eine weit bessere Beachtung erfordert, ist
die Ausbildung des Vorstellungsvermögens, die Kunst,
räumlich und plastisch zu denken und zu gestalten.
In bezug hierauf möchte ich wiederum Dülfer das
Wort geben. Er sagt: ,,Wir brauchen als Gegenge-

wicht gegen die abstrakte logische Schulung des Geistes
eine Ausbildung des Vorstellungsvermögens, eine Pflege
der Fähigkeiten, Räume und Formen bestimmt und

klar aufzunehmen, die Erinnerungsbilder sicher festzu-
halten und spontan in die Vorstellung zurückzurufen.
Für das Entwerfen räumlicher Gebilde, ja schon zu
ihrer Beurteilung ist eine systematische Ausbildung
dieser Fähigkeiten notwendig. Bildet man die Fähig-
keit, Raum und Formbilder bestimmt und sicher fest-
zuhalten, bis zu dem jeden Einzelnen erreichbaren
Höchstmaß aus, so ist der größere Teil der Aufgaben
des Zeichnenunterrichtes erfüllt und dem Lehrer bleibt
im wesentlichen die Aufgabe, die manuelle Geschick-
lichkeit dem Schüler beizubringen.“ Ferner brauchen
wir, so sagt Dülfer, eine Schulung des Farbensinnes,
die nur z. T. mit der des Formensinnes gemeinsam
erfolgen kann und er gibt dann auch zu diesem Thema
nähere Erläuterungen.

Gehen wir auf diese Betrachtungen näher ein und
halten wir diese Ausführungen für richtig, so müssen
wir fordern, daß dieser Unterricht in der denkbar
besten Weise von hervorragend begabten und ausge-
bildeten Lehrkräften gegeben werden muß.

Es muß dem Unbefangenen auffallen, daß diese
Grundforderungen für die Ausbildung des Gartenarchi-
tekten dieselben sind, wie für den Architekten, ja man
kann noch weiter gehen und sagen, die grundlegenden
Forderungen sind ganz gleiche oder ähnliche für den
Bildhauer und den Kunstgewerbler und da kommt man
aus diesem Gedankengang heraus zu der eigentlich selbst-
verständlichen Forderung, daß dieser grundlegende Unter-
richt für die genannten Berufsarten gemeinsam erfolgen
sollte. Umsomehr kommt man zu dieser Forderung
bei dem offenbaren Mangel an wirklich geeigneten,
erstklassigen Lehrkräften für diese Disziplin. Man
kommt zu dieser Forderung der gemeinsamen Erziehung
auch aus den Bedürfnissen des praktischen Lebens und
seiner unerbittlichen Zweckforderung. Fordert nicht
das praktische Leben, daß Architekt, Städtebauer,
Bildhauer, Gartengestalter, Kunstgewerbler sich immer
und immer wieder zu praktischer Arbeit verbinden ?
Würde nicht das Zusammenarbeiten zum Vorteil des
zu schaffenden Werkes wesentlich erleichtert, wenn
diese Künstler schon bei ihrer Ausbildnng Fühlung
miteinander bekämen, wenn sie alle das gute, solide,
gemeinsame Fundament besäßen, auf dem dann jeder
in seiner Art weiter bauet? Würde nicht auch das
Finden des geeigneten, geistesverwandten Mitarbeiters
durch diese gemeinsame Ausbildung erleichtert? Hat
nicht die vergangene Epoche deutlich gelehrt, daß das über-
mäßige Spezialisieren, das Abschließen gegen andere Be-
rufsarten weit größere Schäden als Vorteile gezeitigt hat?

Freilich müßte man dann, wie ich schon vorhin ange-
deutet habe, die Schüler beim Eintritt in diese Kunst-
klassen, wenn ich sie einmal so nennen soll, sichten
und strenge darauf sehen, daß nur wirklich künstlerisch
ausreichend begabte Schüler in diese Klasse aufge-
nommen werden.

Es bleibt für die wenig künstlerisch Befähigten
noch ein überaus grosses Gebiet zu beackern übrig.
Ich denke an diejenigen, deren Fähigkeiten anderer
 
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