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Die Gartenkunst — 14.1912

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Ulrich, F.: Gedanken über Friedhofsgestaltung: Vortrag
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https://doi.org/10.11588/diglit.20815#0251

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244

DIE GARTENKUNST.

XIV, 16

— und all die tausend Möglichkeiten, die uns die
natürliche Schönheit und Vielgestaltigkeit der Pflanze
bietet. Sinnvoll durchdacht und geordnet kann hier
unendlich Schönes von Künstlerhand geschaffen werden,
und dies umsomehr, wenn als kongeniale Helferin
Architektur und Plastik zur Seite treten. Beide können
bei der räumlichen Begrenztheit der Anlage hier weit
mehr als auf dem Friedhofe zur Geltung kommen.
Mit dem Hain verbunden, wird die Urnenhalle als
Schwerpunkt für den Gesamteindruck von größter Be-
deutung sein, wenn es gelingt eine unserer Empfin-
dungswelt gemäße Lösung zu finden; ähnlich wie es
in unserer heimischen Monumentalarchitektur bereits
zum Ausdruck kommt. —

Warum aber denn überhaupt diese Aschenreste
der Erde vorenthalten und hier einkapseln? — Wäre
es nicht folgerichtiger und besser auch dies Letzte seiner
Bestimmung zu übergeben, damit es möglichst bald
wieder einschwingen kann in den Kreislauf alles Lebens ?

— Ich glaube wohl, und ich hoffe, daß man über kurz oder
lang sich auch zu diesem Schritt entschließen wird. Erst
wenn die Urne einzig als Symbol betrachtet wird, ist auch
hier das Ziel erreicht und mit ihm eine ganze Reihe neuer
Möglichkeiten für die Behandlung des Aschengrabes. —

Ich möchte nun noch einiges über die Umgestal-
tung und Verschönerung älterer Friedhöfe sagen und
hierbei Pietät gegenüber dem Bestehenden anempfehlen;
sofern nicht materielle Gründe bei der Neubelegung
zum einfachen Abräumen zwingen.

Abgesehen von alten, oft schönen und wertvollen
Denksteinen, liegt der besondere Reiz alter Friedhöfe
in dem zwanglos Gewordenen, in jenen stimmungsvollen
Bildern, die eine sich mehr oder weniger selbst über-
lassene Natur im jahrelangen Auf und Nieder entstehen
läßt. — Frohes Lied und heller Ruf erklingen auf ihnen,
denn hier ist, gleich einer stillen Insel, im Großstadtmeere
der Ort, wo sich die freie Genossenschaft der leicht-
beschwingten Sänger am liebsten niederläßt. Ihr, der
Vogelwelt, können diese Friedhöfe, wie kaum etwas
anderes, Heim- und Freistätte sein, und man soll ihren
Wünschen hier Rechnung tragen, selbst dann, wenn
einzelne, z. B. Drosseln, sich zeitweise als arge Schmutz-
finken übel bemerkbar machen.

Bei Umgestaltungen oder Neubelegung soll man vor-
sichtig überlegend und mit Feingefühl handeln und wert-
volle Denksteine und malerische Gruppierungen von Ge-
hölzen, beides oft vom Efeu gänzlich übersponnen, zu er-
halten suchen. Besonders ist alter Baumbestand zu scho-
nen, mit dem oft innerhalb der Großstadt der einzige und
einzig mögliche Schmuck alter Friedhöfe steht und fällt.
Nur zu schnell ist man bei dei Hand, alte Bäume
niederzuschlagen, durch die hier oder dort das Wachs-
tum auf den Gräber beeinträchtigt schien. Das kleinere
Übel wird beseitigt und nun besteht das größere. —
ungehemmt schweift der Blick über ein bunt zusammen-
gewürfeltes Grabsteingewirr und statt im Grün der
Baumkrone sich zu verlieren, setzen ihm häßliche Giebel
vierstöckiger Häuser ein Ziel.

Gleiche Zurückhaltung soll man bei der sogenannten
Verschönerung alter Friedhöfe üben. Auch hier heißt
es bedächtig und im Geiste der Örtlichkeit Vorgehen;
vor allem, wenn es sich um Friedhöfe handelt, die in
ihrem Bestände gesichert sind, für die es eine Neube-
legung nicht gibt. In solchen Fällen mag sich das
Verschönerungsbedürfnis damit begnügen, die wohl be-
reits zum guten Teil eingeebneten Gräberfelder zu
durchdringen. Eine reiche Verwendung von Stauden
wäre hier, wie bereits erwähnt, am Platze; ebenso
können Blütenbeete mit freier Anordnung der Pflanzen
einzelne Wege begleiten und auch sonst an geigneten
Stellen die Felder durchlaufen. Ich möchte dabei eine
Pflanze nennen, deren Verwendung für die Ebene kürz-
lich kritisiert worden ist, weil sie eigentlich nur dem
Mittelgebirge angehöre — ich meine den Fingerhut.
Dem kann ich entgegenhalten, daß der Fingerhut selbst
in lichten Waldungen der Mark noch vorkommt; im
übrigen seit langem Heimatrecht in unseren Gärten
genießt. Und dann — für den Friedhof gibt es kaum
etwas Stimmungsvolleres, als ein älteres efeuüber-
zogenes Gräberfeld, halb überschattet von Gehölzen,
zwischen denen regellos verteilt, bald einzeln, bald in
Trupps, die purpurnenGlockenrispen sich entfaltet haben.

Ein Bedenken in ökologischem Sinne könnte ja
bezüglich der Pflanzenverwendung auf dem Friedhofe
überhaupt kaum geltend gemacht werden, da doch
jederzeit die Annahme besteht, daß die in Frage
kommenden Arten einst zum Schmuck der Gräber
dienten und sich von dort ausgebreitet haben.

Ähnlich ist es mit den Zwiebelgewächsen. Von
ihnen sind es wiederum die Krokus, die als echte
Frühlingskinder entzücken, sobald sie, unbemerkt den
Gräbern entsprossen, an einem ersten sonnigen Tage
mit ihren weißen, lila oder gelben Flämmchen still und
geheimnisvoll überall hervorleuchten. Auch Anemonen,
Leberblümchen, Maiblumen und Primel sind in gleicher
Weise im Halbschatten gut verwendbar. Überhaupt
dieses heimliche Blühen und scheinbar ungewollt sich
Entfaltende hat auf dem Friedhofe den höchsten Sinn.
Es liegt auch durchaus in seinem Wesen und ist durch
seine Entwicklung bedingt, daß die Natur bis zu einem
gewissen Grade wieder ihr Recht geltend macht Denn
eine bis ins einzelne gehende Pflege — eine sogenannte
Stubensauberkeit — ließe sich doch kaum erzielen
und würde vielleicht gerade das zerstören, was so oft
in späteren Jahren den eigentümlichen Reiz alter Fried-
höfe ausmacht. —

So schließe ich meine Ausführungen. Im Grund-
sätzlichen, hoffe ich, sind wir uns klar über das, was
heute auf dem Friedhofe anzustreben ist. Die Grund-
form, der moderne Typ gewissermaßen, ist gefunden.
Nun heißt es, an seiner künstlerischen Ausgestaltung
fortarbeiten, und damit ist der Gartenkunst, mögen
ihre äußerlich stärksten Erfolge auch in anderer Rich-
tung liegen, eine der höchsten und edelsten Aufgaben
erwachsen. — Aber auch das Publikum müssen wir
zur Mitarbeit heranziehen, in Wort und Bild aufklärend
 
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