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Die Gartenkunst — 14.1912

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Singer, Wolfgang: Künstlerische Richtlinien für die Unterhaltung der Gartenanlagen: Vortrag
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https://doi.org/10.11588/diglit.20815#0253

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246

DIE GARTENKUNST.

XIV, 16

und die Biedermeiergärten Schultze-Naumburgs, die
längst vergessene Erinnerungen weckten, zu logischem
Denken und Fühlen an und in der Folge suchten die
Gartengestalter ihre Motive für den Blumenschmuck
nicht mehr einzig und allein in den Prachtgärten der
Zopfzeit, sondern auch im einfachen Bauern- und
Pfarrersgarten, womit die alten Blütenpflanzen, einjährige
wie ausdauernde zu neuem Ansehen gelangten und Ver-
anlassung zu einer richtigen Verwendung des blühenden
Gartenbaumaterials wurden.

Bei der Unterhaltung des neuzeitlichen Blumen-
gartens können alle die Motive aus alter und neuer
Zeit Verwendung finden, der Blumenteppich sowohl
wie die einfarbigen und gemischten Sommerblumen-
beete und die Blütenstauden in der vielfältigsten An-
wendung, dazu all die prächtigen Zwiebelgewächse,
Rosen- und Blütensträucher. Unendlich sind die Mög-
lichkeiten der Ausgestaltung des Blumenschmucks und
durch ihn gerade kann und muß der Geist, die per-
sönliche Note des Besitzers oder des Gärtners beson-
deren Ausdruck finden. Die äußere Form des Gartens,
der künstlerische Rahmen ist durch die Anlage fest-
gelegt, die darin enthaltenen Bilder aber dürfen nicht
versteinern, sie müssen lebendigen Geist atmen und
immer neue Freuden, neue Schönheiten offenbaren.

Dies aber braucht nicht dadurch versucht zu werden,
daß nun in den Garten alles, was Natur und Kunst
an schönen Blumen uns bieten, hineingestopft wird,
o nein, nicht auf die Sortenzahl und Masse kommt es
an, sondern in erster Finie auf eine richtige, zweck-
entsprechende und materialechte Verwen-
dung; die Abwechslung und Mannigfaltigkeit findet
sich dabei von selbst. Sonne und Schatten, das nach
Tageszeiten verschiedene Verhalten (man darf z. B. nicht
Blumen, die abends sich schließen, vor das Schlaf-
zimmer pflanzen), Farbe und Duft, alle die Lebensbe-
diirfnisse der Pflanzen berührenden Verhältnisse sind
voraus zu erwägen und danach die passenden Pflanzen
zu suchen.

JedePflanze, jedeBlumehatihreneigenen
Charakter, ausgedrückt durch den Wuchs, durch Form
und Farbe des Stammes, der Blätter und Blüten, durch
Familie und Vaterland und beeinflußt vom Standort.
Allerdings haben manche Exoten (ich erinnere nur
an Akazie, Weymouthskiefer etc.) durch dezennienlange
Mischung mit unseren bodenständigen Gewächsen den
fremdartigen Charakter für unser Gefühl nahezu verloren.

Der Baukünstler gibt auf Grund seiner Material-
kenntnis dem harten Granit andere Architekturformen
als dem zarten Marmor oder gar dem weichen Holze
und verwendet das stabile, aber leicht formbare Eisen
und die übrigen Metalle wieder ganz deren Eigenart
gemäß; auch fügt er die einzelnen Materialien nur
unter Berücksichtigung ihrer besonderen Eigenschaften
zusammen.

Nach ähnli chen Grundsätzen müssenwir
den Charakter und die Eigenschaften der
Pflanzen und dazu noch ihre verschiedenar-

tigenLebensbedürfnissebeiderVerwendung
und namentlich bei der Zusammenstellung
der Pflanzengemeinschaften beachten.

Wenn auch im formalen Garten der Pflanzenzu-
sammenstellung weniger enge Grenzen gezogen sind
als im landschaftlichen, die Wertung der Eigenart
der einzelnen Pflanze und der Pflanzenklassen ist zu
einer harmonischen rhythmischen Wirkung unerläßlich.

Daher erscheinen Fehler in der Verwendung des
Pflanzenmaterials dem feinfühligen Beobachter immer
als Kunstfehler.

Ausgesprochene Topfpflanzen wie Pelargonien,
Fuchsien, Begonien vertragen infolge einer herge-
brachten, nicht einwandfreien Gewöhnung eine Mischung
oder Zusammenstellung mit einzelnen Sommerblumen,
niemals aber mit Stauden.

Stauden und die bei uns ausdauernden Zwiebel-
gewächse wie Iris, Lilien, Narzissen etc. stehen meinem
Gefühle nach sehr gut zusammen, dagegen gehören
Filiaceen mit ausgesprochen exotischem Typus (Lilium
auratum, Amaryllis etc.) nicht in das Staudenbeet.

Unter geschickter Ausutzung der Belichtungsver-
hältnisse lassen sich mit den einzelnen Farben,
die durch Blumen gleicher Art am reinsten darzustellen
sind, für die verschiedensten Räume des Gartens
stimmungsvolle Bilder hervorzaubern, licht und dunkel,
lebhaft und ruhig, dem persönlichen Geschmacke und
allen berechtigten Wünschen entsprechend; heitere Lust
und Freude atmen die gemischten farbenfrohen Beete
und Rabatten, im Wechsel der Jahreszeiten immer neue
Genüsse bietend, doch verlangen gerade sie zu einer
befriedigenden Wirkung umfangreiche Kenntnisse des
Materiales. Buntgemischt oder besser noch in
größeren und kleineren Trupps, welche die Eigen-
art der einzelnen Sorten und die Wirkung der Farben
voll zur Geltung bringen erfreuen sie männiglich, seien
es nun Beete aus Stauden oder aus Sommerblumen
oder auch Kombinationen aus Pflanzen, die den exo-
tischen Typus der Topfkulturen tragen. Leider werden
aber in der Zusammenstellung so manche Fehler
gemacht und dem aufmerksamen Beobachter viele
Gegenbeispiele dargeboten. So fand ich im heurigen
Frühjahre in einer öffentlichen Anlage auf einem geo-
metrischen Parterre den mißlungenen Versuch einer
gemischten Blütenrabatte aus Primeln, Goldlack, Nar-
zissen und Stiefmütterchen, die in regelmäßig wieder-
kehrenden unregelmäßigen Trupps angepflanzt
waren und Rhythmus und Farbenharmonie vermissen
ließen. Man merkte sofort die Absicht, eine Mischung
vorzutäuschen, und ward verstimmt. Mit dem gleichen
Material konnte eine ganz andere Wirkung erzielt
werden, wenn entweder eine wirkliche bunte Misch-
ung oder eine malerisch unregelmäßige Ver-
teilung der Sorten und Farben deutlich zum Aus-
druck gekommen wäre.

Immer und allzeit ist zu berücksichtigen, daß die
Blumen im Garten zunächst nicht Selbstzweck sind
sondern der Ausschmückung der Gartenräume dienen
 
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