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Die Gartenkunst — 14.1912

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Heicke, C.: Über die Notwendigkeit einer Sichtung der Gehölzbestände unserer Gärten und Parkanlagen
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https://doi.org/10.11588/diglit.20815#0267

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260

DIE GARTENKUNST.

XIV, 17

Und ähnlich liegt es auch bei den Laubgehölzen
für Heckenzwecke, wo neben der kleinen Anzahl all-
bekannter Sorten, wie Liguster und Hainbuche, nur
selten einmal eine andere angeboten wird, trotzdem
es eine ganze Menge ausgezeichneter Straucharten gibt,
die man nur herauszufinden verstehen muß, um zu
einer wesentlichen Bereicherung unseres Heckenmaterials
zu gelangen. Man könnte über die Heckenfrage einen
Vortrag für sich halten, indessen muß ich mich auf
diese paar Andeutungen, mit denen ich auch nur
dartun wollte, daß wir es allein nur auf Ein-
schränkungen, sondern auch auf eine bessere
Ausnutzung unserer Gehölze abgesehen haben,
beschränken.

Denn mit der Erörterung des Bedarfs an Hecken-
pflanzen ist meine Aufgabe nicht erschöpft, wenn es
auch viele geben mag, die, wenn sie fragen: Welches
Gehölzmaterial verlangt die moderne Gartenkunst? nur
Hecken und geschorene Baumwände und höchstens
daneben noch kugel- oder würfelförmig verschnittene
Buxus u. dergl. im Sinne haben. So einfach liegt die
Sache freilich nicht, und man muß schon, um zu einer
befriedigenden Lösung zu gelangen, tiefer in die Ver-
hältnisse hineinblicken.

An dieser einseitigen Auffassung ist der übliche
falsche Begriff von moderner Gartenkunst schuld, den
man sich in weiten Kreisen auf Grund von Äußerlich-
keiten gebildet hat, indem man diejenige Gestaltungs-
weise, die sich in der Bevorzugung strenger Formen zu
erkennen gibt, als moderne Gartenkunst in einen Gegen-
satz zu der sogenannten landschaftlichen Richtung
bringt, die dann als die nicht moderne gilt.

Aber, meine Herren, das ist grundfalsch! Schon
die Tatsache, daß wir immer regelmäßige Gärten und
Gartenteile gehabt haben, beweist dies, nicht minder
der Umstand, daß gerade in den letzten Jahren Gärten
und Parks in der freieren landschaftlichen Form ent-
standen sind, die als mustergültige, moderne Anlagen
anerkannt werden.

Auch der oft und gern herangezogene Vergleich des
Gartens mit der baulichen Anlage des Hauses ändert daran
nichts. Denn damit kann und soll ja nichts anderes
gesagt sein, als daß man Gartenkunst genau so wie
Baukunst als Raumkunst aufzufassen hat, nicht aber,
daß man bei der Lösung gartenkünstlerischer Aufgaben
die freiere Gestaltungsweise ausschalten müsse. Dazu
liegt um so weniger Grund vor, als ja ein weites Ge-
biet der Baukunst — der Städtebau — ebenfalls je
nach Zweck und Umständen strengerer und freierer
Gestaltungsweise sich bedient, wie überhaupt zwischen
der Schaffensweise des Städtebauers und des Garten-
künstlers manche Parallele gezogen werden kann.

Vergleichen Sie z. B. die Gäßchen und Straßen
der alten Stadtteile und ihre bescheidenen Häuschen,
die wie die Noten einer schlichten Melodie sich an-
einander reihen, mit zwanglos sich durch das Gehölz
alter Parkanlagen hinschlängelnden Pfaden. Und ver-
gleichen Sie weiter, wie dort durch übelangebrachte Neu-

bauten, die auf den Gesamtcharakter keine Rücksicht
nehmen, der feine Reiz der alten Bilder vernichtet
wird, ähnlich wie im Park und Garten alle Ruhe und
Geschlossenheit verloren geht, sobald an Stelle der im
einzelnen unscheinbaren, aber für die Gesamtwirkung
gerade deswegen um so bedeutungsvolleren Unterhölzer,
Blautannen und weißbunter Eschenahorn, reichblühende
und buntblätterige Sträucher, Trauerbäume und Säulen-
formen nebeneinander treten: Ein Durcheinander zahl-
reicher Einzelformen, von denen zwar manche ihre
eigene Schönheit hat, sie aber in dem vielgestaltigen
Allerlei nicht zur Geltung bringen kann. Die schlichte
Melodie früherer Zeiten ist zu einer grellen Disharmonie
geworden.

An solch beklagenswerter Entwickelung ist nicht
die freie Gestaltungsweise an sich schuld, wohl aber
hat sie der gedankenlosen Verwendung der dem Gärtner
nach und nach zur Verfügung gestellten zahllosen Arten
und Formen unseres Pflanzenmaterials Vorschub geleistet.

Solche Mißstände zu beseitigen, im Park und
Garten die stimmungsvolle Einfachheit, die an geeigneter
Stelle sich zu farbenfroher Blumensymphonie steigern
mag, wieder herzustellen, vor allem aber dem
Raumgedanken und der Zweckbestimmung,
die unter der eingerissenen Sortenpflanzerei
im Garten verloren gegangen waren, wieder
zu klarem Ausdruck zu verhelfen, das ist
das Ziel neuzeitlicher Gartenkunst und ihr
Unterschied gegenüber der der vergangenen
Jahrzehnte.

Wenn hierbei die strenge Form etwas mehr be-
tont wurde, so kam das daher, daß mit dem nächst-
liegenden, dem Hausgarten, für den diese Form zweifel-
los in der Mehrzahl der Fälle die einzig richtige ist,
der Anfang gemacht wurde. Sodann ging die An-
regung zur Reform von Architekten und anderen Künst-
lern aus, die bei freiem Blick für die Mängel der da-
maligen Gartengestaltung eine aus ihrer Berufsübung
ohne weiteres verständliche Sicherheit in der strengen
Behandlung raumkünstlerischer Probleme mitbrachten.

Bei dem Eingreifen jener Künstler regte sich viel-
fach die Befürchtung, daß dem zünftigen Fachmann
die Erwerbsmöglichkeiten beschränkt werden könnten,
man tröstete sich aber mit dem Gedanken, daß jene
als Nichtgärtner wegen der mangelnden Sach- und
Materialkenntnis dem Fachmann auf die Dauer keinen
ernsthaften Wettbewerb würden machen können. Man
soll sich freilich hüten, Fragen der künstlerischen Ent-
wickelung von derartigen Gesichtspunkten aus zu be-
urteilen, und zweifellos ist der Satz richtig: den Garten
soll schaffen, wer es kann! Einerlei ob Gärtner oder
Nichtgärtner, Indessen wir sind alle Menschen, und
durchaus menschlich ist das Gefühl der Befriedigung,
wenn wir sehen, daß uns die berufsmäßige Vertraut-
heit mit dem Material eine gewisse Überlegenheit
verleiht gegenüber jenen, die zwar eine große Sicher-
heit im formalen Gestalten mitbringen, häufig aber an
der mangelnden Materialkenntnis scheitern.
 
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