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Die Gartenkunst — 14.1912

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Heicke, C.: Über die Notwendigkeit einer Sichtung der Gehölzbestände unserer Gärten und Parkanlagen
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https://doi.org/10.11588/diglit.20815#0271

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264

DIE GARTENKUNST.

XIV, 17

Die Zweckmäßigkeit solcher Unterscheidung wird
niemand verkennen, und die Notwendigkeit, den angeb-
lich sein Pflanzenmaterial sicher beherrschenden Garten-
fachmann auf solche Dinge hinzuweisen, ergibt sich
ohne weiteres, wenn man sieht, wie oft lichthungrigen
Spiräen und dergleichen zugemutet wird, unter dem
dichten Blätterdach von Roßkastanien und Silberlinden
zu vegetieren.

Ich will aber nicht weiter auf Einzelheiten ein-
gehen und auf die Liste verweisen, die der Ausschuß
Ihnen heute als das vorläufige Ergebnis seiner Arbeit
vorlegt. Sie enthält diejenigen Gehölze, die nach An-
sicht der Ausschußmitglieder in keiner gut geführten
Baumschule fehlen sollten; die Liste weist die Namen
von rund 550 Laub- und 110 Nadelhölzern auf, und es
dürften also diejenigen, welche fürchteten, unsere Be-
strebungen könnten zu einer Verödung und Verarmung
unserer Bestände führen, ihre Bedenken fallen lassen.
Ich glaube, daß diese Anzahl noch recht reichhaltig
ist. Unter diesen 660 Sorten empfiehlt der Ausschuß
rund 140 zur Verwendung im großen und zur Massen-
anzucht. Außerdem haben wir in einigen Sonderlisten
die Verwendbarkeit der namhaft gemachten Gehölze für
verschiedene Zwecke nachgewiesen und einige Finger-
zeige für richtige Sortenauswahl gegeben.

Unter den Gehölzen, welche in unserer Liste nicht
angeführt sind, befinden sich zwar auch noch manche
schöne und für besondere Zwecke und Liebhabereien
geeignete Sorten; aber teilweise sind sie in der Liste
durch ähnliche, gleich gute vertreten, teilweise haben
sie für die allgemeine Verwendung geringere Bedeutung.
Ihre Anzucht möchte der Ausschuß dem Ermessen
der Baumschulen anheimstellen, wobei er aber hofft,
daß man sich nach und nach in der Hauptsache auf
die empfohlenen Sorten beschränken wird.

Endlich kommt in Frage, was wir von den vielen
Varietäten mit bunter Belaubung, abnormem Wuchs
und dergleichen, von denen übrigens für bestimmte
Sonderzwecke eine ganze Anzahl in unsere Liste auf-
genommen ist, als minderwertig ausmerzen sollen. Der
Ausschuß beabsichtigt, hierüber noch eine besondere
Liste aufzustellen und sie demnächst den Baumschulen
mitzuteilen.

Hiernach haben wir also vier Gruppen zu unter-
scheiden :

1. Diejenigen Sorten, welche für die Verwendung im
großen und für die Massenanzucht in Betracht kommen;
sie sind in unserer Liste durch fettenDruck hervorgehoben.

2. Diejenigen Sorten, welche daneben nicht fehlen
dürfen und in geringerer Menge von jeder Baumschule
vorrätig gehalten werden sollen; sie sind in der Liste
in kleinem Druck enthalten.

3. Diejenigen Sorten, welche gar nicht namhaft
gemacht werden und nach Belieben von den Baum-
schulen zunächst weitergeführt werden mögen.

4. Diejenigen Sorten, welche wir ausgemerzt haben
möchten und über die wir uns Vorbehalten, eine be-
sondere Liste aufzustellen.'

Natürlich erheben wir nicht den Anspruch, daß unsere
Aufstellung, bei der ja die Erfahrungen von einer verhält-
nismäßig kleinen Anzahl von Fachleuten benutzt werden
konnten, gleich als vollkommen gelten sollen. Mancherlei
wird man darin vermissen, was der eine oder andere nach
seinen Wahrnehmungen für gut oder für unentbehrlich
hält; über manches, was Aufnahme in der Liste ge-
funden hat, mögen andere anders urteilen, wie die Mit-
glieder des Ausschusses. Es wird unseren Listen
ergehen, wie vielen anderen ähnlichen Dingen: Sie
werden viele nicht oder nur teilweise befriedigen.
Immerhin dürften sie sich aber auch in vieler Hinsicht
als brauchbar und zweckmäßig erweisen. Um ihnen
zu einer möglichst weitgehenden Vollkommenheit zu
verhelfen, bitten wir alle diejenigen, die an der Sache
Interesse nehmen, ein Exemplar der zunächst als Ent-
wurf zu betrachtenden Liste mit nach Hause zu
nehmen, es sorgfältig durchzusehen und mit den für
zweckmäßig gehaltenen Abänderungs- und Ergänzungs-
vorschlägen bald wieder an uns gelangen zu lassen.
Erst dann soll der endgiltige Druck vorgenommen werden.

Hinsichtlich der Benennung haben wir uns an das
im Aufträge der Dendrologischen Gesellschaft von
Beißner, Schelle und Zabel herausgegebene Handbuch
der Laubholzbenennung und an das Beißnersche Hand-
buch der Nadelholzkunde gehalten, zwei Bücher, die
in Fachkreisen vielfach als maßgebend angenommen
sind. Wissenschaftliche Feststellungen hinsichtlich der
richtigsten Nomenklatur wollten und konnten wir nicht
machen.

Meine sehr verehrten Herren! Ich habe im Ver-
lauf meiner Ausführungen mehrfach auf den Anteil
Bezug nehmen müssen, den außerhalb unserer Fach-
kreise stehende Künstler an den Wandlungsvorgängen
auf dem Gebiete der Gartenkunst gehabt haben. Es
gab und gibt vielleicht noch Fachkreise, die deren Mit-
wirkung für unerwünscht gehalten und lieber gesehen
hätten, daß das, was wir als die Reform der Garten-
kunst zu bezeichnen uns gewöhnt haben, von Berufs-
kreisen angeregt und durchgeführt worden wäre.

Meine Herren I Es wäre ein müßiges Beginnen,
hierüber nachträglich Betrachtungen anzustellen; wir
müssen, wollen und können uns mit der Tatsache ab-
finden, daß diese Bewegung unserer Kunst Gesundung
und Kraft zur Fortentwickelung für lange Zeit ge-
bracht hat.

Aber man darf nicht verkennen, daß zunächst nur
eine Seite des Problems, nämlich die formale Ge-
staltung des Gartens, gelöst worden, in bezug auf den
Garteninhalt aber noch ziemlich alles beim Alten ge-
blieben ist. Jene Einfachheit in der Gartenkunst, wie
sie Hoemann vor einigen Jahren in trefflichen Ausfüh-
rungen forderte, ist erst in vereinzelten Anfängen wahr-
nehmbar.

Es wäre mir lieb, wenn meine Darlegungen, die
Sie so geduldig angehört haben, zur Förderung nach
dieser Richtung beitragen möchten. Was zu ge-
schehen hat, kann nur aus Kreisen kommen,
 
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