Universitätsbibliothek HeidelbergUniversitätsbibliothek Heidelberg
Metadaten

Glaser, Curt; Cohn, William [Hrsg.]
Die Kunst des Ostens (Band 11): Ostasiatische Plastik — Berlin: Bruno Cassirer Verlag, 1925

DOI Seite / Zitierlink: 
https://doi.org/10.11588/diglit.53084#0013
Überblick
loading ...
Faksimile
0.5
1 cm
facsimile
Vollansicht
OCR-Volltext
DIE FRÜHZEIT

Eine historische Darstellung- der ostasiatischen Plastik muß mit dem Be-
kenntnis beginnen, daß die Geschichte der chinesischen Kunst in ihren
wichtigsten Kapiteln noch ein Buch mit vielen Siegeln ist. Bürgerkriege und
Beutezüge fremder Eroberer haben zu wiederholten Malen das Land verwüstet,
natürlichem Verfall ist nicht immer durch pietätvolle Hand Einhalt getan
worden. So erscheinen weite Strecken öde und leer, weite Strecken des Landes,
die von Denkmälern entblößt sind, weite Strecken seiner Geschichte, die keine
sichtbare Spur hinterlassen haben.
Soll man aus Nachrichten schließen, die in alten Quellen erhalten sind,
so kann man sich den einstigen Reichtum Chinas an Kunstwerken kaum groß
genug vorstellen. Ungeheure Schätze hat der Boden des chinesischen Reiches
hervorgebracht, und manches davon scheint er noch heut unter schützender
Erddecke zu bergen. Grabungen, die hier und dort versucht worden sind,
haben höchst überraschende Funde zutage gefördert, Funde, die alle scheinbar
gesicherten Vorstellungen von dem Ablauf der Geschichte östlicher Kunst um-
stürzten. Aber noch ist der Boden erst leicht angeschürft worden, und jeder
Tag kann neue Entdeckungen bringen. Darum wollen die Linien vorsichtig
gezogen sein, mit denen eine historische Darstellung die wenigen scheinbar
festen Punkte zu verbinden sucht.
Die erste dieser Linien tastet weithin ins Leere, wenn sie den frühesten
Formen bildnerischer Gestaltung nachspürt, die östlicher Kunstgeist in grauer
Vorzeit gezeugt hat. Man weiß noch nichts von den Kultbildern eines alten
Glaubens, über deren einstiges Dasein bisher kaum genügende Sicherheit
gewonnen werden konnte. Man kennt nur die Zeugnisse einer hochentwickelten
Bronzegußtechnik, Sakralgefäße von großartigem Umriß und einem Reichtum
an Binnenform, der es zur Gewißheit macht, daß schon in dem China der
Chouzeit die Künste in hoher Blüte gestanden haben. Es braucht hier nicht
die Frage nach Herkunft und Bedeutung der merkwürdigen Ornamentformen
gestellt zu werden, mit denen die Oberfläche der Gefäße überzogen ist. Sicher
haben die Bildner, aus deren Händen diese Meisterwerke der Gerätekunst
 
Annotationen