DIE KUNST DER JOGAN-ZEIT IN JAPAN
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eine nationale Tracht wieder schwinden, verliert seine stoffliche Körperhaf-
tigkeit, indem es zu flächenhaft ornamentaler Stilisierung zurückkehrt. Eine
Kunst, der alle Charakterzüge archaisierend bewußten Stilwollens aufgeprägt
sind, bricht die Kette einer konsequenten Formenentwicklung, die von den
archaischen Bildungen der Weizeit zu der reifen Klassik der Kunstblüte der
frühen T’angzeit in gerader Linie geführt hatte.
DIE KUNST DER JOGAN-ZEIT IN JAPAN
Im Abstande etwa eines Jahrhunderts folgte die Einführung des neuen
Sektenwesens in Japan seiner chinesischen Begründung. Die Tendaisekte,
die der Priester Saichö um das Ende des 8. Jahrhunderts, und die Shingonsekte,
die um die gleiche Zeit Kükai nach Japan verpflanzt hat, wurden die Träger
einer religiösen Erneuerung, die den Gläubigen das Geheimnis der geistigen
WeltBuddhas durch mystische Formeln zu erschließen versprach. DieGeschichte
nennt die Namen vieler berühmter Priester älterer Zeit, und die Überlieferung
bezeichnet sie nicht selten als die Schöpfer gefeierter Kultbilder, gewiß nicht
in dem Sinn, als hätten die geistlichen Tempelgründer selbst als Künstler
Hand angelegt bei der Entstehung der Buddhastatuen, für deren orthodoxe
Haltung allein sie verantwortlich sein mochten. Kükai aber, der unter seinem
posthumen Namen Köbö Daishi zu höchstem Ruhm gelangte, ist die erste
historisch greifbare Persönlichkeit des japanischen Buddhismus, deren materielle
Wirksamkeit noch heute deutlich erkennbar wird. Köbö Daishi war es, der die
bedeutendsten Tempel der Shingonsekte begründete. Der Töji, das Nanendö
des Köfukuji, die Haupttempel des Köyasan, des berühmten heiligen Berges,
zu dessen Gräberstätte noch heute Pilgerscharen wandern, um an der Stelle
zu beten, an der Köbö Daishi der Ankunft des Maitreya harrt, der die Welt
von der Folge der Wiedergeburten erlösen soll, — sie alle sind von ihm gestiftet,
und sie alle hat er mit den Kultstatuen des neuen Glaubens ausgestattet, deren
Vorbilder er im Jahre 806 aus China heimgebracht hatte.
Die in Japan erhaltenen frühen Beispiele der neuen Kunst, die der Jögan-
zeit, also dem 9. Jahrhundert entstammen, zeigen nicht das geschlossene Bild
einer vollkommen einheitlichen Stilform, da neben einer archaisierenden
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eine nationale Tracht wieder schwinden, verliert seine stoffliche Körperhaf-
tigkeit, indem es zu flächenhaft ornamentaler Stilisierung zurückkehrt. Eine
Kunst, der alle Charakterzüge archaisierend bewußten Stilwollens aufgeprägt
sind, bricht die Kette einer konsequenten Formenentwicklung, die von den
archaischen Bildungen der Weizeit zu der reifen Klassik der Kunstblüte der
frühen T’angzeit in gerader Linie geführt hatte.
DIE KUNST DER JOGAN-ZEIT IN JAPAN
Im Abstande etwa eines Jahrhunderts folgte die Einführung des neuen
Sektenwesens in Japan seiner chinesischen Begründung. Die Tendaisekte,
die der Priester Saichö um das Ende des 8. Jahrhunderts, und die Shingonsekte,
die um die gleiche Zeit Kükai nach Japan verpflanzt hat, wurden die Träger
einer religiösen Erneuerung, die den Gläubigen das Geheimnis der geistigen
WeltBuddhas durch mystische Formeln zu erschließen versprach. DieGeschichte
nennt die Namen vieler berühmter Priester älterer Zeit, und die Überlieferung
bezeichnet sie nicht selten als die Schöpfer gefeierter Kultbilder, gewiß nicht
in dem Sinn, als hätten die geistlichen Tempelgründer selbst als Künstler
Hand angelegt bei der Entstehung der Buddhastatuen, für deren orthodoxe
Haltung allein sie verantwortlich sein mochten. Kükai aber, der unter seinem
posthumen Namen Köbö Daishi zu höchstem Ruhm gelangte, ist die erste
historisch greifbare Persönlichkeit des japanischen Buddhismus, deren materielle
Wirksamkeit noch heute deutlich erkennbar wird. Köbö Daishi war es, der die
bedeutendsten Tempel der Shingonsekte begründete. Der Töji, das Nanendö
des Köfukuji, die Haupttempel des Köyasan, des berühmten heiligen Berges,
zu dessen Gräberstätte noch heute Pilgerscharen wandern, um an der Stelle
zu beten, an der Köbö Daishi der Ankunft des Maitreya harrt, der die Welt
von der Folge der Wiedergeburten erlösen soll, — sie alle sind von ihm gestiftet,
und sie alle hat er mit den Kultstatuen des neuen Glaubens ausgestattet, deren
Vorbilder er im Jahre 806 aus China heimgebracht hatte.
Die in Japan erhaltenen frühen Beispiele der neuen Kunst, die der Jögan-
zeit, also dem 9. Jahrhundert entstammen, zeigen nicht das geschlossene Bild
einer vollkommen einheitlichen Stilform, da neben einer archaisierenden