2 Deutschlands Aunstschütze.
„Mein Sohn", sagte der Bischof, dem Kinde das glänzendschwarze Haar streichelnd, welches
schon nach Klosterart verschnitten war, „ich habe eine schlimme Nacht gehabt; ich fühle mich er-
mattet und elend . . ."
„Ich werde den Doctor Reinhardus rufen !" erwiederte Stellio mit leuchtenden Augen, indeß
er den Befehl zu errathen glaubte, noch ehe er von dem Herrn ausgesprochen war.
Der Bischof schüttelte den Kopf.
„Meinen Maler, den Meister Christoffler Paudiß, will ich sehen!" bemerkte Bernwardus.
Der Page verschwand.
Nach wenigen Minuten erschien der Künstler vor feinem Herrn und Freunde. Christoph
Paudiß, ein Niedersachse von Geburt, war genau wie die alten Künstler Deutschlands in unseren
Vorstellungen leben: eine schlanke, fast Hagere Gestalt im fchönen Mannesalter, mit hellbraunem
Haar und blondröthlichem Bart; in dunkler, talarartiger Kleidung mit Pelz verbrämt; mit schöner,
ernster, gedankenreicher Miene, die aber ein nicht geringes Selbstbewußtsein, einen lebendigen
Künstlerstolz ausdrückte. Sein erster Blick fiel auf sein Gemälde und seine Augen erheiterten sich
sichtlich. Christoph Paudiß grüßte den Bischof mit ehrerbietiger Vertraulichkeit.
Bernwardus lud ihn ein, sich zu setzen, und fing nach einer Pause sehr niedergeschlagen an:
„Meister, oft schon hat mich Deine Kunst ergötzt und mir meine schönen Stunden noch mehr ver-
herrlicht. Jetzt bitteich Dich selbst, mir eine der bittersten Stunden meines gebens ertragen zu helfen."
Der Bischof fah bei diesen Worten so bekümmert aus, daß der Maler voll Unruhe aufstand
und sich ihm näherte, indeß er seine Bereitwilligkeit aussprach, dem geliebten Herrn mit allen
seinen Kräften zu dienen.
„Höre mich an", sagte" der geistliche Würdenträger, „aber bewahre mein Geheimniß bis zum
Tode. Ich bin von dunkler Herkunft; als ein Findelkind wurde ich im Hause des Freiherrn von
Spiegelberg erzogen. Nicht für die Kutte, welche mich heute umschließt, war ich bestimmt. Ritter-
liche, adelige Uebungen füllten meine Jugendzeit aus. Aber als mein Körper Festigkeit und Aus-
bildung erlangt hatte, als ich in meinem Aeußern die unverkennbaren Merkmale der Erziehung
eines Mannes von Stande zeigte, da überwies mir mein edler Pflegevater und Freund die welt-
lichen Wissenschaften als meinen künftigen Beruf, indeß er mich auf meine Talente und auf die
Erfolge Hinwies, die ich auf dieser Bahn zu erringen im Stande sei. Ich gehorchte mit Beschämung,
denn ich sah nur zu wohl, daß der Freiherr mir nur deshalb diese Bahn vorzeichnete, weil eben
meine unbekannte Herkunft ihm nicht erlaubte, mir eine meiner Erziehung gemäße Laufbahn in
der Armee oder an einem der katholischen Höfe von Deutschland zu eröffnen. Ich ward, während
die deutsche Jugeud sammt Dänen, Schweden und Franzosen auf fast jedem Flecke des vaterländi-
fchen Bodens kämpfte und sich Lorbeeren erwarb, verurtheilt, in Prag, Bologna und Paris Juri-
sterei zu studiren. Mein Fleiß hatte glänzenden Erfolg. Ich kam nach München und meine Kennt-
nisfe eröffneten mir, was die Geburt mir verfagt hatte: den Verkehr mit Fürsten und Großen; ich
übernahm für den Kurfürsten in München diplomatische Unterhandlungen und bald meinte ich mich
auf dem geradesten Wege zu siuden, der endlich meinen Namen denjenigen der berühmten Staats-
männer anreihen sollte. .'Bald meinte ich hoch genug mich emporgeschwungen zu haben, um die
Hand nach einem Kleinode auszustrecken, dessen Erlangung mir das höchste Ziel meines Lebens
war, dem Alles andere nur als Mittel diente."
_
„Mein Sohn", sagte der Bischof, dem Kinde das glänzendschwarze Haar streichelnd, welches
schon nach Klosterart verschnitten war, „ich habe eine schlimme Nacht gehabt; ich fühle mich er-
mattet und elend . . ."
„Ich werde den Doctor Reinhardus rufen !" erwiederte Stellio mit leuchtenden Augen, indeß
er den Befehl zu errathen glaubte, noch ehe er von dem Herrn ausgesprochen war.
Der Bischof schüttelte den Kopf.
„Meinen Maler, den Meister Christoffler Paudiß, will ich sehen!" bemerkte Bernwardus.
Der Page verschwand.
Nach wenigen Minuten erschien der Künstler vor feinem Herrn und Freunde. Christoph
Paudiß, ein Niedersachse von Geburt, war genau wie die alten Künstler Deutschlands in unseren
Vorstellungen leben: eine schlanke, fast Hagere Gestalt im fchönen Mannesalter, mit hellbraunem
Haar und blondröthlichem Bart; in dunkler, talarartiger Kleidung mit Pelz verbrämt; mit schöner,
ernster, gedankenreicher Miene, die aber ein nicht geringes Selbstbewußtsein, einen lebendigen
Künstlerstolz ausdrückte. Sein erster Blick fiel auf sein Gemälde und seine Augen erheiterten sich
sichtlich. Christoph Paudiß grüßte den Bischof mit ehrerbietiger Vertraulichkeit.
Bernwardus lud ihn ein, sich zu setzen, und fing nach einer Pause sehr niedergeschlagen an:
„Meister, oft schon hat mich Deine Kunst ergötzt und mir meine schönen Stunden noch mehr ver-
herrlicht. Jetzt bitteich Dich selbst, mir eine der bittersten Stunden meines gebens ertragen zu helfen."
Der Bischof fah bei diesen Worten so bekümmert aus, daß der Maler voll Unruhe aufstand
und sich ihm näherte, indeß er seine Bereitwilligkeit aussprach, dem geliebten Herrn mit allen
seinen Kräften zu dienen.
„Höre mich an", sagte" der geistliche Würdenträger, „aber bewahre mein Geheimniß bis zum
Tode. Ich bin von dunkler Herkunft; als ein Findelkind wurde ich im Hause des Freiherrn von
Spiegelberg erzogen. Nicht für die Kutte, welche mich heute umschließt, war ich bestimmt. Ritter-
liche, adelige Uebungen füllten meine Jugendzeit aus. Aber als mein Körper Festigkeit und Aus-
bildung erlangt hatte, als ich in meinem Aeußern die unverkennbaren Merkmale der Erziehung
eines Mannes von Stande zeigte, da überwies mir mein edler Pflegevater und Freund die welt-
lichen Wissenschaften als meinen künftigen Beruf, indeß er mich auf meine Talente und auf die
Erfolge Hinwies, die ich auf dieser Bahn zu erringen im Stande sei. Ich gehorchte mit Beschämung,
denn ich sah nur zu wohl, daß der Freiherr mir nur deshalb diese Bahn vorzeichnete, weil eben
meine unbekannte Herkunft ihm nicht erlaubte, mir eine meiner Erziehung gemäße Laufbahn in
der Armee oder an einem der katholischen Höfe von Deutschland zu eröffnen. Ich ward, während
die deutsche Jugeud sammt Dänen, Schweden und Franzosen auf fast jedem Flecke des vaterländi-
fchen Bodens kämpfte und sich Lorbeeren erwarb, verurtheilt, in Prag, Bologna und Paris Juri-
sterei zu studiren. Mein Fleiß hatte glänzenden Erfolg. Ich kam nach München und meine Kennt-
nisfe eröffneten mir, was die Geburt mir verfagt hatte: den Verkehr mit Fürsten und Großen; ich
übernahm für den Kurfürsten in München diplomatische Unterhandlungen und bald meinte ich mich
auf dem geradesten Wege zu siuden, der endlich meinen Namen denjenigen der berühmten Staats-
männer anreihen sollte. .'Bald meinte ich hoch genug mich emporgeschwungen zu haben, um die
Hand nach einem Kleinode auszustrecken, dessen Erlangung mir das höchste Ziel meines Lebens
war, dem Alles andere nur als Mittel diente."
_