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Görling, Adolph; Woltmann, Alfred [Oth.]; Meyer, Bruno [Oth.]
Deutschlands Kunstschätze: eine Sammlung der hervorragendsten Bilder der Berliner, Dresdner, Münchner, Wiener, Casseler und Braunschweiger Galerien : eine Reihe von Porträts der bedeutendsten Meister (Band 2) — Leipzig: Verlag von A.H. Payne, 1872

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https://doi.org/10.11588/diglit.62335#0021
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Deutschlands Kunstschätze. 3
Der Bischof erhob sich in tiefer Bewegung, zog rasch und mit dem Anstande eines Kaisers
seine Robe fester um die Taille uud fuhr erst nach längerem Schweigen fort, während Paudiß in
großer Aufregung der weiteren Eröffnung harrte.
„Der Freiherr besaß eine einzige Tochter, zugleich, weil die meisten seiner Besitzungen Weiber-
lehen waren, die Erbin seiner Güter, seines Ranges und Titels. Sie hieß Valentine. Mit ihr
durchwandelte ich das Zanberland der Kindheit; sie war meine Liebe, so lange ich denken kann; sie
flößte mir zu der Zeit, wenu die Geschlechter sich scheiden, nachdem sie sich erkannt haben, eine
Leidenschaft ein, die nur der ihrigen für mich gleich kam. Dies unglückliche Verhältniß ward von
uns, sobald wir uns unserer Liebe bewußt wurven, mit einem die Reize desselben erhöhenden, un-
durchdringlichen Schleier umgeben, so daß selbst der Freiherr nicht ahnte, wie hoch sein armer
Schützling die Augen zu erheben gewagt. Nur daun erst wollte ich Hervortreteu, wenn ich, Rang
und Ehre auf mein Haupt gehäuft, als vollgiltiger Manu vor den Freiherrn Hintreten konnte. —
Eben in dieser Zeit sollte Valentine an den bayrischen Kammerherrn von Dettenbach vermählt
werden. Dieser Umstand entriß mir, dem Freiherrn gegenüber, das Geständniß meiner Liebe. Er
verließ mich sprachlos, tief erschüttert. Zehn Minuten später gaben mir zwei Zeilen von ihm die
Nachricht: daß ich der illegitime Sohn des Freiherrn, kein Fremder, sondern Valentinen durch die
Bande des Bluts verbundenl war. Er fügte hiuzu, dies möge seiuer Tochter, um die Ruhe ihrer
Seele nicht auf ewig grausam zu zerstören, für immer ein Geheimniß bleiben. Ich ward krank,
irrsinnig. Als ich erwachte, schützte ich Valentinen gegenüber ein in meiner Krankheit gegebenes
Gelübde vor und ging in's Kloster. Die Geliebte ward endlich durch die Bitten ihres sterbenden
Vaters vermocht, sich mit von Dettenbach zu vermähleu. — Ihr Herz aber gehörte mir an,
sonst, jetzt und immerdar. Dettenbach fiel in Böhmen für den Kaiser. Kaum war Valeutiue frei,
als sie, obwohl zum gereiften Weibe geworden, mit jugendlicher Leidenschaft Alles aufbot, um mich
meiuen Banden ebenfalls zu eutreißeu. Ich hatte rasch meinen Weg gemacht; ich stehe nahe am
Fuße vor Sanct Peters Sitz; dennoch bin ich schwach genug gewesen, Alles, Alles zu vergessen und
ihren Bitten, .gleich als wäre ich wieder irrsinnig, Gehör zu geben. — Valentine ist hier in Frei-
sing. Ich habe ihr zugesagt, in die Welt zurückzukehren, die Mitra fortzuschleudern und sollte ich
drüber Protestant werden müssen. — Ich habe das unselige Geheimniß ihr nicht zu eutoeckeu ver-
mocht, noch mehr, ich habe gelobt, sie zu heirathen — uud heute, heute noch sollte dies Verbrechen
vollzogen werden. — Ich habe gekämpft, gebetet; jetzt aber bin ich wieder, obgleich im Herzen todt,
ein Mann, ein Priester, ein Bischof geworden; aber dennoch bin ich zu schwach, Valeutiueu in's
Auge zu sehen und selbst ihr den Todesstoß zu versetzeu. — Meister Christoph, Dir habe ich diese
traurige Pflicht auferlegt. Geh zu dem großeu Gasthofe, nimm diesen Ning zur Beglaubigung
und sage ihr, was Du hörtest uud was Du siehst, daß ich wahnsinnig, gemordet sei . .. Alles was
Du willst; aber daß ich kein Verbrecher, sondern Bischof zu Freisiug sein werde!"
Der geistliche Fürst zog, leichenblaß geworden, seinen Ring ab, gab ihm dem Maler, versuchte
es vergebens, bei seinen letzten Worten sich eine entschlossene Haltung zu geben, ging aber dann,
wankenden Trittes, rasch aus dem Cabinet.
Der ehrliche Maler setzte sich nach langem Sinnen zögernd in Bewegung, überdachte mit
schwerem Herzen seine Botschaft und ging dann nach dem „großen Adler". Die Diener wollten

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