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Görling, Adolph; Woltmann, Alfred [Bearb.]; Meyer, Bruno [Bearb.]
Deutschlands Kunstschätze: eine Sammlung der hervorragendsten Bilder der Berliner, Dresdner, Münchner, Wiener, Casseler und Braunschweiger Galerien : eine Reihe von Porträts der bedeutendsten Meister (Band 2) — Leipzig: Verlag von A.H. Payne, 1872

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https://doi.org/10.11588/diglit.62335#0033
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Deutschlands Kunstschätze. 9
Gesicht und seinen lockigen Haarschmuck auffallenden Jüngling an, dessen mit Farbenklecksen reichlich
versehener Ueberwurs ihn als einen Maler ankündigte.
„Fort mit Dir, Luca! Wer hat Dich gerufen, leichtfertiger Schurke? Weg, sage ich!"
„Nein, Don Joss, nein! Ihr habt mir befohlen, daß ich Euch nicht verlasfen soll, wenn Ihr
einen Zornanfall habt. Ihr seht aus, wie vor vierzehn Tagen, bei dem Anblicke der Tizian'schen
Madonna mit den fünf jungen Mädchen ... Mäßigt Euch, sonst fallt Ihr wieder vor Zorn in
Ohnmacht."
„Ich bin nicht zornig — ich ärgere mich; das ist Alles!" murmelte Don Jose, den Degen
einsteckend. „Fünf Mädchen, von Tizian gemalt, und die Madonna in den Kauf *) und doch in dem
Halben Dutzend von Weibern keine Idee zu einer Santa Rosalia.. ."
Der junge Maler zeigte auf die durchstochene Figur:
„Aber, Don Jose", sagte er fast zitternd, „das da ist eine große Sünde ... Das Bild einer
Heiligen mit dem Degen zu zerstechen; dem Bilde einer heiligen Jungsrau, die im Himmel ist,
weil sie der Erde Martern ertragen hat, muthwillig Marter anthun.."
„Das ist keine Heilige, am allerwenigsten eine Sancta Rosalia... Das ist gar nichts —
Don Juan d'Austria kann es bezeugen."
„Es kann nur Unheil bringen, eine Heilige zu verunehren .. .", flüsterte Luca.
„Wenn Du die wahrhafte Rosalia neben dem Sanct Jannarius stehen sehen wirst, so kannst
Du ermessen, daß dieses Bildniß einer Meerkatze vernichtet werden mußte", sagte Ribera, sehr
ernst geworden und sich andächtig bekreuzend, denn er war sehr fromm und so abergläubisch, wie
ein geborener Calabrese ... „Mache dich aus die Jagd und suche mir das Modell zu einer heiligen
Rosalia... Du kennst alle schönen Mädchen auf der Marina und in Torre del Greco... Wirf
den Pinfel fort, — Du machst doch sonst nichts als unnütze Dinge... Wie weit ist Dein Elieser
und Rebekka gediehen...?"
„Eben bin ich fertig geworden, was ich Euch anzuzeigeu gedachte . . ."
„Mit dem ganzen Bilde? Mit allen Ecken?"
„Ja, Don Jose!"
„Wunderbar und abscheulich zu gleicher Zeit!" rief Spagnoletto aus. „Zwanzig Quadratfuß
Leinwand bei guter Zeichnung und guter Färbung in zwei Mal vierundzwanzig Stunden mit einem
Bilde zu bedecken! Du bist in Wahrheit der Imen ka pre8to; aber so geschwind wie Du malst, so
geschwind wirst Du Dein miraculöses Talent ruiniren ... Du schöpfst Sahne von der Oberfläche;
genieße nachher die saure Milch!" —
„O, Don Joss", entgegnete Luca zuversichtlich, „wenn es wahr ist, daß meine Anlagen mira-
culös sind, so wird's später auch vielleicht ein Mirakel geben, um meine saure Milch wieder so süß
zu machen, daß sie frische Sahne trägt!"
„Schweige, leichtsinniger Sohn des Unglücks! Kleide Dich an, nimm diesen Beutel mit Geld,
damit Du etwas kaufen kannst, wenn Du es für nothwendig findest, eine der schönen Cittadinelle
länger zu betrachten . . ."
„O, Meister, die Blumenmädchen und die Fischerinnen freuen sich zu fehr, wenn ich sie

*) Das Bild befand sich laut Katalog des Museums von Madrid vom Jahre 1801 dortselbst.

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