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Görling, Adolph; Woltmann, Alfred [Bearb.]; Meyer, Bruno [Bearb.]
Deutschlands Kunstschätze: eine Sammlung der hervorragendsten Bilder der Berliner, Dresdner, Münchner, Wiener, Casseler und Braunschweiger Galerien : eine Reihe von Porträts der bedeutendsten Meister (Band 2) — Leipzig: Verlag von A.H. Payne, 1872

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https://doi.org/10.11588/diglit.62335#0039
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Deutschlands Kunstschütze. 15
„daß ich die wahre Santa Rosalia gefunden habe. Die Heilige ist sehr freigebig gewesen, denn
sie hat mir ein ganz neues Bild gezeigt, so klar und deutlich, daß ich kein weiteres Verdienst mir
zuschreiben kann, als dasselbe copirt zu haben ..."
„Ich verstehe Euch nicht ganz, Meister . . ."
„Es ist genau so wie ich sage: meine Rosalia, die auch Ihr ganz unfehlbar für die echte an-
erkennen werdet, hat mir ein ganz neues Bild eingegeben, zu dessen Betrachtung ich Eure fürstliche
Hoheit ganz unterthänigst einlade .. ."
„Ihr wollt doch nicht sagen, daß Ihr zwischen gestern und heute einen vollständigen, von dem
ersten wesentlich abweichenden Entwurf zu Stande gebracht habt?" fragte Don Juan staunend.
„Komme Eure Hoheit und sehe!" antwortete Spagnoletto mit gerechtem Stolze.
Don Juan ward sehr ernst und einsilbig. Er betrachtete den Künstler aufmerksam und schien
eigenthümliche Gedanken zu verfolgen. Als Ribera sich beurlaubte, hatte der Fürst einen Entschluß
gefaßt.
„Ich werde Euch begleiten, Ribera"; sagte er, mit militairischer Schnelligkeit den Degen um-
gürtend, den Mantel umschlageud und Hut und Handschuhe nehmend.
Der Statthalter würde sich öffentlich an seiner Seite zeigen — wahrlich, er war stolz, dieser
kleine Spanier, aber eine solche Ehre hatten ihm selbst seine hochfliegenden Träume nicht vorge-
gaukelt . . . Einige Minuten später saß Ribera neben dem Statthalter in der offenen, goldstrotzen-
den, von vier weißgeborenen friesischen Rossen gezogenen Carosse neben Don Juan von Oesterreich
und sah, wie sich die Massen des Volkes auf dem Toledo beugteu, so wie sie deu Fürsten erblickten.
Leicht erregt, wie die Race Neapels war, machte die Ehre, welche dem Maler widerfuhr, einen
zündenden Eindruck. Man brachte dem Fürsten und dem Künstler ein fabelndes: lüvvivu! über
das andere.
Abermals stand Don Inan im Arbeitszimmer Spagnoletto's.
„Sie ist's, wahrlich sie ist's!" rief Don Juan, rasch und feurig sich dem Bilde nähernd und die
Figur der Rosalia betrachtend .. . dann setzte er gemäßigter hinzu: „So habe ich gedacht, müßte
die Heilige erscheinen, wenn sie von Palermo begrüßt werden will!"
Mit einer Lebhaftigkeit, die Ribera fast überraschte, ging der Prinz auf die Auffassung des
Bildes und auf die Einzelheiten desselben ein. Er wurde beredt.
„Ich kauu mir keineu geistvollern Commentator wünschen, als Euer Hoheit ist!" murmelte
Spagnoletto.
„Die Grafenkrone für Euch und Eure rechtmäßigen Nachkommen", sagte Don Juan, indeß
Ribera vor innerer Bewegung zitterte, „war ein zu hoher Lohn für das erste Bild; für diese
Schöpfung aber genügt sie nicht. Eure Kuust erscheint in den beiden schwebenden Hauptfiguren
in ganz neuer erhabener Weise, ganz vom Gefühle der Schönheit erfüllt — den alten Spagnoletto,
den Meister des sterbenden Babo, des Sanct Bartholomäus erkennt man nur noch aus den Ge-
stalten der Pestfurien und den Leichenhaufen und Verzweifelnden hier unten ... Hier oben klare,
bezaubernde Harmonie, dort unten die tobende, brausende Dissonnanz.. ."
Eine lange Pause entstand.
„Aber wie sagtet Ihr doch: Santa Rosalia selbst habe Euch diese wunderbare Composition
eingegeben?"
 
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