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Görling, Adolph; Woltmann, Alfred [Oth.]; Meyer, Bruno [Oth.]
Deutschlands Kunstschätze: eine Sammlung der hervorragendsten Bilder der Berliner, Dresdner, Münchner, Wiener, Casseler und Braunschweiger Galerien : eine Reihe von Porträts der bedeutendsten Meister (Band 2) — Leipzig: Verlag von A.H. Payne, 1872

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https://doi.org/10.11588/diglit.62335#0067
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Dtutschlands Kunstschätze. 37
„AH, so machen es die entsprungenen Galeerensclaven, um ihren kahl geschorenen Kopf zu ver-
decken!"
„Aber der Dieb hatte eine feine Arleechinomaske angelegt ..."
„Erkanntet Ihr die Stimme Gherardesca's?"
„Ich habe mit ihm nur Italienisch gesprochen und der Dieb sprach Französisch — das giebt
der Stimme einen andern Charakter."
„Sprach also Französisch... Mit welchem Accent?"
„Von Avignon, denke ich ..."
„Ah, da wachsen unsere entschlossensten, feinsten Kunden. Er hat Euch angefaßt; Ihr mußtet
bemerken, ob der Dieb die Hand eines Aristokraten oder eines Tagelöhners besaß?"
„Die Hand des Diebes war zart, fleischig und weiß, wie ich genau gesehen habe, als er mir
die Füße zusammenschnürte", sagte Mignard. „Ebenso waren die nackten Füße des Diebes sehr
schön geformt.. ."
„Nun, da wird ja schon Etwas aus der Sache", schmunzelte der Polizeimeister. „Maleficus hat
zurückgelassen, sagtet Ihr?"
„Ein Wachslicht!"
„Gewöhnlicher Art, gelb und so weiter?"
„Nein, das Licht ist völlig weiß und sehr parfümirt!"
„Sehr gut! Monsieur, Ihr könnt morgen Nacht ruhig in Eurem Bette, anstatt auf einem
Strohsacke der Bastille schlafen."
„Und das Seil, welches am Fenster hängen blieb, nachdem der Dieb das Bild und dann
sich selbst auf die Straße hinabgelassen Hatte, ist von gezwirnter, grüner Seide .. ."
„Oho! für einen Mann des Truvuil koree ein ungeheurer Lupus ... Und Gherardesca betet
die Herzogin Maria Mancini an, natürlich! Das wird ein kostspieliger Einfall werden."
„Herr Duchambeau, der Italiener hat jene Dame nie gesehen; aber gewiß ist es, daß er von
ihrem Bilvniß sich sehr bewegt fühlte, daß er jeden Preis für dasselbe bot und sehr unglücklich
schien, als ich sein Verlangen abwies!"
„Desto besser, wenn der Dieb nur unter dem Eindrücke eines ihm neuen, plötzlich eingetre-
tenen Gefühls gehandelt hat — wir haben um so mehr Hoffnung, ihm zum Geftänoniß zu
bringen und das Bild wieder zu erlangen... Da schlägt die Mittagsstunde ... Monsieur, wir
werden uns heute Abend wieder sprechen!"
„Wann befehlt Ihr, daß ich wiederkommen soll?"
„O, Ihr bleibt gleich hier; denn wenn Gherardesca eingebracht wird, so muß ich Euch zur
Hand Haben."
Mignard hob verzweifelnd die Hände empor als ihn ein Huissier in eine Zelle des Thor-
thurmes abführte, wo der Maler eine Pritsche, ein Stück Brod, Wasser und für mögliche Fälle
eine an der Mauer befestigte enorme Kette mit Handeisen vorfand.
Es war fast völlig dunkel, als die Thür des Kerkers aufgeschlossen und Mignard wieder in
das Verhörzimmer geführt wurde.
Hier fand er Lully und Gherardesca. Der Musiker war in sehr aufgebrachter Stimmung;
Gherardesca benahm sich ruhig und umsichtig.
 
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