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Görling, Adolph; Woltmann, Alfred [Bearb.]; Meyer, Bruno [Bearb.]
Deutschlands Kunstschätze: eine Sammlung der hervorragendsten Bilder der Berliner, Dresdner, Münchner, Wiener, Casseler und Braunschweiger Galerien : eine Reihe von Porträts der bedeutendsten Meister (Band 2) — Leipzig: Verlag von A.H. Payne, 1872

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https://doi.org/10.11588/diglit.62335#0107
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Deutschlands Knustschätze. 65
Musik... Ich Habe Compositionen von ihm gesehen und gehört, die weit über den Dilettanten
hinausreichen..."
„Er schwärmt für Beethoven nnd für Franz Schubert!" antwortete die Dame. „Es fehlt in
seiner musikalischen Bibliothek keines Ihrer Werke, Herr Schubert!"
Der Musiker warf unwillkürlich einen Blick zur Seite, der die Ballen der Manüscripte streifte
— und ein Seufzer stieg aus seiner Brust empor.
„Wenn irgend Jemand, so besitzen Sie die Kraft, auf den Baron eine entscheidende Wirkung
auszuüben", fuhr die ältere Dame fort. „Unsere Lage ist kurz darzustellen, mein Herr. Mein
Gemahl hat vergangenen Herbst in Venedig die Bekanntschaft eines Marchese di Apertomonte
gemacht, eines sehr begüterten Mannes, der ganz in seinen musikalischen Studien aufgeht. Der
Marchese hat meinen Gemahl ganz und gar bezaubert. Als genaueste Freunde kamen Beide, die
sich früher nie gesehen hatten, auf Schloß Liechtenstern an, studirten gemeinschaftlich und richteten
eine Kapelle ein, die von Kennern für vortrefflich gehalten wird .. ."
„Ah, ich weiß, Jhro Gnaden; die Schober's haben mir's geschrieben und vom Grafen Troyer
hier habe ich erfahren, daß man in Liechtenstern mein Octett für Streich- und Blasinstrumente
tadellos ausgeführt hat - was ich hätte wohl Hören mögen, gesteh' ich.
„Der Marchese", vollendete die Baronin ihre Erzählung, „entdeckte, daß Marie hier eine gute
Sopranstimme besitze, und begann, sich mit großem Eifer mit ihrer künstlerischen Ausbildung zu
beschäftigen. Er behauptete, daß eine Sängerin, wie Marie in kurzer Zeit sein werde, noch nie
ihres Gleichen gehabt habe. Das Urtheil ist erklärlich, denn der Marchese ist leidenschaftlich in
Marie verliebt.
Die junge Baronin saß da, überdeckt von Rosengluth.
„Was fangen wir an?" rief die Mutter aus, die Hände emporhebend.
„Ist denn der Italiener eine Art von Ungeheuer?" fragte Schubert.
„Nichts weniger, mein Herr, was das Aeußere betrifft. Er ist etwa sechsunddreißig Jahre
alt, wohl, ja zierlich gewachsen und von einnehmenden Manieren. Aber es ist ein düsteres Etwas,
das ihn umgiebt. In diesem Mann hat gewiß jede Leidenschaft schrecklich gewüthet und tiefe
Spuren im Innern zurückgelassen. Ich bin überzeugt, daß es nicht die Musik war, welche den
Marchese nach Liechtenstern führte, sondern ein kleines Medaillon mit dem Bildniß Marien's, das
Liechtenstern stets bei sich zu tragen pflegt. Es ist etwas Dämonisches, Vampyrähnliches in diesem
Cavalier, der nach der Herrschaft über die Seele Marien's ringt, nachdem er sich derjenigen meines
Gemahls vollständig bemächtigt Hat. Ich bin überzeugt, daß es der Marchese und kein Anderer ist,
welcher auf einen jungen Cavalier in unserer Nähe aus Eifersucht meuchlerisch eineu Schuß ab-
feuerte, der glücklicherweise sein Ziel nicht völlig erreichte."
„Ah, wahrhaftig, das ist der Map, der Thurn!" rief Schubert erregt. „Er hat nächtlicher
Weile vor St. Pölten einen Streifschuß an der Stirn empfangen. Ein Zoll näher zum Gehiru
und er war hin! Das ist ein Bravo aus einem italienischen Räuberroman!"
„Und mit ihm soll Marie sich verloben, wie der Vater mit eiserner Beharrlichkeit verlangt",
sagte die Baronin, den Kopf sinken lassend. Ich bin hier, um für „die Braut" Einkäufe zu machen.
Nnr durch List haben wir uns der Begleitung des Marchese erwehrt. Wir benutzten feine augen-

Deutschlands Kunstschatze. II.

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