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Görling, Adolph; Woltmann, Alfred [Oth.]; Meyer, Bruno [Oth.]
Deutschlands Kunstschätze: eine Sammlung der hervorragendsten Bilder der Berliner, Dresdner, Münchner, Wiener, Casseler und Braunschweiger Galerien : eine Reihe von Porträts der bedeutendsten Meister (Band 2) — Leipzig: Verlag von A.H. Payne, 1872

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https://doi.org/10.11588/diglit.62335#0106
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64 Deutschlands Annflschätze.
jheißen kann, liebe Gäste, wenn Jhro Gnaden nun von der Güte sein wollten, den Schleier wegzu-
jthunIch werd' sonst in der That ängstlich; ich kann mir nicht helfen!"
„Herr Schubert, es steht das Glück eiues Menschenwesens auf dem Spiele!" antwortete
die Dame. „Es ist nicht wahrscheinlich, daß Sie sich Unserer von Steyreck her erinnern, obgleich
wir das Bergnügen Hatten, Sie und Herrn Vogl im Gartensaal der Gräsin Weißenwolf musiciren
zu hören. Wir könnten also unbedenklich die Schleier fortthun, da Sie dennoch nicht wissen wür-
den, wer wir sind ... Aber wir halten es für unsere Pflicht, Ihnen unsere Namen zu sagen . ..
Werden wir so glücklich sein, daß wir Ihre Zusage erhalten, daß Sie eine Bitte erfüllen wollen,
die Sie leicht gewähren können, während für uns alle Hoffnung auf Rettung an diese Gewährung
geknüpft ist, so entschleiern wir uns und nennen unsere Namen — sonst gebietet es unsere Ehre,
daß wir uns entfernen, ohne daß Sie unsere Gesichtszüge gesehen Haben!"
„Was ist da zu thun, meine Gnädigen!" rief Schubert, die fleischigen, weißen Hände heftig
reibend. „Ich soll Ihnen eine Musik schreiben — das ist das Einzige, was ich zur Noth verstehe,
uud ich wüßte nicht, daß mich selbst meine Freunde zu irgend anderen Dingen jemals nothwendig
gehabt Hätten ... Und da will ich Ihnen nur gleich sagen, daß ich's nicht vorher wissen kann, ob
ich auf das Verlangen von Anderen Musik schreiben werde oder nicht. Noten sind halt immer zu
haben, aber eine sichere Zusage, Musik zu schreiben, kann ich nicht machen!"
„In der That, Herr Schubert, handelt es sich um ein Musikstück", antwortete die Dame.
„Und ist dies von Ihnen geschaffen, so sind wir gewiß, daß wir gegen das uns drohende Unheil
einen mächtigen Schild besitzen werden! Unsere Bitte ist gewährt, mein Herr . . ."
„Freilich, freilich; aber ich stehe nicht dafür, wie die Musik ausfällt .. ."
„Sie wird den Stempel Ihres Genius tragen!"
Damit schlug die Dame den Schleier zurück und Schubert blickte in das vollformige, fein
gefärbte Gesicht einer Dame von etwa vierzig Jahren, deren Augen ihre jugendliche Energie, deren
Lächeln einen anmuthigen Ausdruck bewahrt Hatten. Die Dame war ihm durchaus unbekannt.
Als die andere Dame den Schleier fortschob, glaubte Schubert, uach seiner Miene zu urthei-
len, einen wunderbar gefärbten Lichtstrahl in sein Stübchen eindringen zu sehen. Dies war eine
sehr junge Schöne mit sanften Sonnenaugen, die tief von dunklen Wimpern beschattet wurden.
Der Ausdruck dieser edlen Züge besaß etwas unaussprechlich Holdseliges — ein solches, von dem
einfachen Rahmen des dichten, schlichten Braunhaars umfangenes Antlitz mit der von den Augen
ausstrahlenden Verklärung erinnerte sich Schubert nicht, je gesehen zu haben.
„Ich bin die Baronin von Liechteustern und dies ist meine einzige Tochter und mein einziges
Kind, Maria", sagte die ältere Dame, ihre Hervorbrechenden Thränen rasch entfernend.
Schubert machte seine Verbeugung, als wenn ein Stehmännchen im Begriff ist, seinen Pur-
zelbaum zu schlagen, während sich seine Blicke immer wieder auf die juuge Dame richteten.
Die Gäste nahmen aus dem Sopha Platz uud Schubert setzte sich der Ecke gegenüber, wo
Marie von Liechtenstern saß, auf seinen Clavierschemel.
„Ich habe die Ehre, den Herrn Baron oft gefehen zu Haben. Es war bei der Spaun's, wis-
sen's, meine Gnädigen, und beim Baron Mink und dann beim Herrn Bischof von Dankesreithner
in dem Schlösse zu Ochsenburg... Der Herr Baron ist ein großer Verehrer und Kenner der
 
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