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Görling, Adolph; Woltmann, Alfred [Bearb.]; Meyer, Bruno [Bearb.]
Deutschlands Kunstschätze: eine Sammlung der hervorragendsten Bilder der Berliner, Dresdner, Münchner, Wiener, Casseler und Braunschweiger Galerien : eine Reihe von Porträts der bedeutendsten Meister (Band 2) — Leipzig: Verlag von A.H. Payne, 1872

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https://doi.org/10.11588/diglit.62335#0114
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72 Deutschlands Kunstschatze.
„Es kommt darauf an, daß Du uns die Thür zu deu Italienern aufsperrst, Denner! Und
hier ist auch der Gulden!"
Denner machte zwar noch in der Marmorhalle vor den Sälen Umstände, einen Maler gleich
einem Fremden „von wegen des Guldens" zu behandeln, aber endlich behielt er doch die Kopfstücke
in der Westentasche und schloß auf.
Die drei Freunde standen im Tempel der Malerei, seltsam feierlich angeweht von dem
Aether, welcher die hier vereinigten Schätze der Kunst aus einer ganzen Folge von Jahrhunderten
umfing.
„Mir ist's hier immer wie geradezu ungeheuerlich vorgekommen", sagte Schubert, fast .scheue
Blicke auf die Gemäldereihen werfend. „Mir ist's, als wenn Derjenige, welcher ein Bild be-
trachtet und genießen will, vorher erst seine ganze persönliche Innerlichkeit zum Schweigen brin-
gen müßte."
„Gewiß", sagte Moritz Schwind. „Die Betrachtung will erkennen und das Erkannte in's
Gefühl aufnehmeu und da Hören Willensströmungen, welche die Wirkung des Bildes durchkreuzen
würden, selbstverständlich auf. Wir stehen vor verfesteten Bewegungen von Formen, Farbe und
Licht mit unserer bis in's Unbemeßbare beweglichen Innerlichkeit, die während der Betrachtung
ihre Gesetze und ihre empfundene Idee von dem Bilde empfängt ... Ich glaube, daß die wirklich,
Humauisireude Wirkung eines Gemäldes ihren Ursprung und Impuls gerade dadurch empfängt
daß die Subjectivitüt des Beschauers sich passiv vor dem Kunstwerk beugen muß."
„O, es ist halt doch ein Anderes mit der Musik!" meinte Schubert — und man sah es ihm
an, wie wohl es ihm that, das Wort „Musik" auszusprecheu. „Die Musik nehme ich auch auf mit
gänzlicher Hingebung; aber indeß dies geschieht, werde ich zu voller Lebenskraft emporgehoben und
empfange das bestimmte Gefühl einer gesteigerten inueru Activität.."
„Wie sich von selbst versteht", brummte Mayrhofer. „Man kann hier ja nur auf die beson-
dere Art eingehen, auf welche uns — ich meine unserm innersten Wesen oder der Psyche — die
Sinneseindrücke vermittelt werden, um die eigenthümlich verschiedenen Effecte eines gesehenen und
gehörten Kunstwerks zu erklären ... Der Sehnerv endigt im Mittelgehirn, dem unbestrittenen Sitz
des Gemeingefühls. Das geistig Erkannte vermählt sich mit der im Unbewußten liegenden Empfin-
dung. Das Ohr aber richtet sich an einen andern Vermittler, der durch eine andere Function die
Seele erreicht: an das Hiutergehirn, dem Sitz des Wollens, dem Organ für die willkürliche Be-
wegung. Diese Seite unseres Innern darf nicht berührt werden, soll sie durch den Eindruck, den
sie empfangen, nicht sofort zur vollen Activität geweckt werden!"
„Meine Empfindungsart gehört der Musik", sagte Schubert leise, fast feierlich. „Und darum
sind mir diese Bilder, die ich mit der Hand greifen kann, so gar sehr fern und fremdartig .. "
,O, es ist eine Parallele zwischen Deiner Kunst, Franzl, und derjenigen vom Moritz!" fuhr
Mayrhofer fort. „Das Stimmungsbild, die blos pathetische Darstellung liegt mit Allem, was
Bodenformen, Gruppirung und Localfärbung heißt, ganz ans der Seite des Instrumentalen in der
Musik. Es ist hier Nacht, Unbewußtsein, und die Empfindungen bleiben in allgemeinen Kategorien
befangen. Wie anders, Wenn das herrschende Licht erscheint und der geistige Inhalt die Grenzen
der Forni bestimmt! Auch die Musik hat ihre Plastik in der Melodie und empfängt das Licht von
der Vocalisation! Wir berührten gestern Abend sehen diesen Punkt, der bis in's Subtilste die
 
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