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Görling, Adolph; Woltmann, Alfred [Oth.]; Meyer, Bruno [Oth.]
Deutschlands Kunstschätze: eine Sammlung der hervorragendsten Bilder der Berliner, Dresdner, Münchner, Wiener, Casseler und Braunschweiger Galerien : eine Reihe von Porträts der bedeutendsten Meister (Band 2) — Leipzig: Verlag von A.H. Payne, 1872

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https://doi.org/10.11588/diglit.62335#0166
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110 Deutschlands Kunstschätze.
mächtiger werden. Es ist eine Frage, die uns trennen oder verbinden wird — viel genauer, als
Jhr's zu ahnen vermögt — ob ich dies Bild haben werde oder nicht!"
Carracci sah sein Werk schmerzlich an.
„Ich will's copiren, aber ich behalte mir vor, die Copie oder dies Original zu behalten!"
„Nach Eurem Wunsche! Aber habt Ihr Niemand hier, der mir das Bild fortträgt?"
„Was?" rief Annibale erstaunt. „Es ist ja nicht fertig! Hier zur Rechten fehlt noch der
Adonis, welcher von der Göttin Abschied nimmt.. ."
„Ach, um die weibliche Figur ist's mir zu thun; nicht um deu Jäger ... Ich nehme das Bild
mit. In einigen Tagen gedenke ich dasselbe Euch wieder zustellen zu lassen ..."
Es ward ein Facchino aufgetriebeu und Francesco di Farnese entfernte sich mit der als Venus
dargestellten Olivia Passagieri.
Am andern Tage erschien Godefroy mit einer gepreßten und feierlichen Miene.
„Mein theurer Monsieur Carracci", sagte er. „In unserem Palaste gehen merkwürdige
Dinge vor. Der alte Herzog ist im Sterben. Wahrscheinlich wird hier Jemand erscheinen, welcher
Euch aufsordert, vor dem Herzoge Ranuzio zu erscheinen. Jedenfalls werde ich es sein, welcher
!Euch einen Brief mit der dringenden Einladung sendet, zu kommen. Jetzt bin ich selbst hier, um
Euch zu sagen, daß Ihr wohlthut, wenn Ihr fortbleiben werdet! Kommt nicht, Meister Carracci;
ich lege Euch das in Eurem eignen Interesse dringend an's Herz!"
Carracci betrachtete den Minister mit dem Ausdrucke völliger Verwirrung.
„Monsignore, ich habe genau zugehört, was Ihr sagtet; aber ich habe nichts, gar nichts ver-
standen. Ihr wollt mir, so glaube ich, begreiflich machen, daß ich auf eine Einladung keine Rück-
sicht nehmen möge, die Ihr mir zufertigen wollt? Warum wollt Ihr nicht die Einladung unter-
lassen und weshalb unterließet Ihr nicht, mich durch Eure jetzige Mittheilung zu beunruhigen, da
der Effect eben nichts sein soll? ?er Lueeo, wenn ein guter Diplomat, gleich Euch, solche Dinge
vornimmt, die sich geradezu aufheben, so habe ich die Kunst der Diplomatie bisher zu hoch geschätzt!"
„Ihr werdet bald den zureichenden Grund für Das einsehen, was ich unternehme!" antwortete
Godefroy mit zerstreuter Miene und eilfertigem Wesen. „Der Beichtvater des Herzogs sitzt seit
zwei Tagen und zwei Nächten an seiner Seite und gestern ist auch noch der Pater Ordensgeneral
der Dominicaner hinzugekommen, der sich soeben von dem Magister Saucto Palatii hat ablösen
lassen. Ihr könnt Euch vorstellen, daß Herzog Ranuzio's Reue über seine Sünden vollständig ist.
Zu den Werken der Sühne und Buße, welche die Dominicaner dem Sterbenden ansinnen, gehört
auch die Beseitigung aller Bilder und Statuen im Palaste, welche der Magister Pater Atanasio
als verdammliche bezeichnen wird. Die enthüllte Frauenschönheit wird da übel fahren — Eure
Gemälde, so weit sie gediehen, sind als sehr verwerflich bezeichnet und werden vielleicht von den
Wänden herabgehauen werden. Pater Agostino ficht wacker für Euer Interesse, Monsieur; aber
Pater Atanasio verlangt, daß Ihr Euch verpflichten sollt, den Aphroditen und Galateen anständige
Gewänder zu verleihen und für Eure durch jene Darstellungen in der Galerie bereits begangenen
Sünden umsonst eine Folge von Altarbildern aus dem Leben Gilbert's du Fresney, Thomas von
Aauino und Raimund's de Pennaforte zu liefern .. ."
„Was!" rief Carracci. „Ich habe den Dominicanern die Thür gewiesen, als sie mir für ein
Altarbild für den Dom San Dominica zu Bologna die Bekehrung der Albigenser durch den
 
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